Starke Stimme für ein Kulturgut
75 Jahre nach seiner Gründung kommt beim Verband der Klein- und Obstbrenner Südwürttemberg Hohenzollern e.V. keine Langeweile auf – die Herausforderungen sind gewaltig. Seinen Geburtstag feierten Mitglieder und Gäste am 24. Juni in der Festhalle in Bodnegg. Die Laudatio hielt Agrarminister Peter Hauk, mit anschließender Urkundenübergabe für die Prämierung 2023.
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Zu den Rednern gehörten auch der Bodnegger Bürgermeister Patrick Söndgen, Gerald Erdrich, Geschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Klein- und Obstbrenner e. V. sowie Helmut Lehmann, Bildungsreferent beim Regierungspräsidium Freiburg, der dort für die Brenner- und die Meisterausbildung zuständig ist.
Handwerkskunst und feine Destillate
"75 Jahre Obst- und Kleinbrennerei heißt auch 75 Jahre aktive Landschaftsgestaltung in Baden-Württemberg", würdigte Minister Peter Hauk die Arbeit des Verbandes. Die Hälfte der deutschen Kleinobstbrenner sei in Baden-Württemberg beheimatet. Hauk zeigte sich beeindruckt von der langen Tradition und der einzigartigen Kulturgeschichte. Er sprach von einem kulinarischen Erbe, gewachsenen über Jahrhunderte, von der Handwerkskunst, feine Destillate herzustellen und von Landschaftspflege. Ohne Nutzung sei der Erhalt der ökologisch wertvollen Streuobstwiesen nicht denkbar. Im Trend seien neben den leckeren Bränden und Destillaten auch weitere Spirituosen wie ein schwäbischer Whisky oder ein Gin. Hauk erinnerte daran, wie langwierig und zäh es war, den Berufsabschluss des Brennmeisters durchzusetzen und sicherte dem Verband die weitere Unterstützung der Landesregierung zu.
Den Berufsnachwuchs sichern
Bemerkenswert an der Brennerausbildung ist, dass es hier keinen regulären Azubi und auch keinen anerkannten Ausbildungsbetrieb gibt. Dennoch gibt es jedes Jahr 15 bis 20 Abschlussprüfungen in diesem Beruf, berichtete Helmut Lehmann. Ohne Lehrvertrag kann man sich zu einer Prüfung anmelden, wenn man genügend praktische Erfahrung nachweisen kann. Fachschulklassen, wo Brennerinnen und Brenner den Abschluss zur Fachkraft im Brennereiwesen erlangen können, gibt es seit 2001 in Offenburg und seit 2003 in Weinsberg. Über diesen Weg wurden inzwischen 320 Brennerinnen und Brenner geprüft. Brennmeister-Prüfungen werden seit 2010 durchführt, mit bislang 70 Abschlüssen. Weil Schnaps brennen und einfach Abliefern nicht mehr geht, gewinnen diese Qualifizierungsmaßnahmen immer mehr an Bedeutung. „Nutzen Sie diese Möglichkeiten zur Sicherung Ihrer betrieblichen Zukunft“, appellierte Lehmann. Und: „Mobilisieren Sie Ihren eigenen Berufsnachwuchs.“Der Infoabend für den nächsten Kurs ab November in Offenburg findet am 20. Juli statt.
Vermarktung weiter ankurbeln
Nachdem man in Sachen Ausbildung in den vergangenen Jahren schon viel erreicht habe, müsse es jetzt darum gehen, in Sachen Marketing und Vertrieb noch weiter voranzukommen. Das Qualitätszeichen Baden-Württemberg, das Bio-Zeichen BW sowie die durch die EU-geschützten geografischen Angaben sollen den Verkauf unterstützen. „Mit den geografischen Angaben wird der Schutz eines kollektiven geistigen Kultureigentums im EU-Binnenmarkt möglich“, ist Hauk zuversichtlich. Vom Land werden die Kleinbrenner in verschiedenen Bereichen gefördert, von der Ausstattung bis zur Baumpflege. Wissenstransfer gibt es unter anderem über die Universität Hohenheim und die LVWO Weinsberg. Hauk ermunterte, sich auch mit den schwierigen Themen, wie Alkohol-Missbrauch oder einem Alkohol-Werbeverbot, kritisch auseinanderzusetzen und nicht abschrecken zu lassen.
Blick in die Verbandsgeschichte
„Es war im Jahr 1948, als eine Gruppe von Brennerei-Besitzern die Wiedergründung eines Brennerverbandes geplant hat. Im Juli 1948 verschickte Stefan Mennel aus Wangen-Neuravensburg die Einladungen zu der am 9. August stattfindenden Gründerversammlung,“ erinnerte der Verbandsvorsitzende Andreas Metzler an die Geburtsstunde des Verbandes, dessen Gebiet sich von Baiersbronn im Schwarzwald bis nach Kressbronn am Bodensee erstreckt. Metzler ist seit 2019 Vorsitzender, übernommen hat er das Amt von seiner Mutter Claudia Metzler (2001 bis 2019). Bis heute vertritt der Verband die Interessen der Brenner und Stoffbesitzer in technischen, wirtschaftlichen und gesetzlichen Fragen. Ein Meilenstein war die Durchführung der ersten Qualitätsbeurteilungen in Form einer Prämierung, was im Rückblick ein vorausschauender und wichtiger Schritt war, denn nach der Öffnung des europäischen Binnenmarktes wurden Spirituosen-Produkte aus der ganzen Welt importiert, das deutsche Brandweinmonopol nach und nach aufgeweicht und 2017 ganz abgeschafft. Neben dem reinen Alkohol müssen sich heute hoch veredelte Spitzenprodukte aus dem Land im internationalen Wettbewerb behaupten. Hergestellt werden sie von hoch qualifizierten Brennmeistern und mit verbreitet von ausgebildeten Edelbrandsommeliers.
Klare Forderungen an die Politik
Die finanzielle Situation der Abfindungsbrenner und Stoffbesitzer, von denen viele den älteren Jahrgängen angehören, ist angespannt. In den vergangenen 25 Jahren sei im Verbandsgebiet die Zahl der Brenner und Stoffbesitzer um rund ein Drittel zurückgegangen und angesichts der Inflation würden die bestehenden Steuervorteile für Brenner und Stoffbesitzer immer weiter abnehmen. Um deren Wirtschaftlichkeit zu verbessern, steht die Forderung nach einer Kontingenterhöhung von 300 auf 500 Liter im Raum. „Das zieht sich wie Kaugummi“, berichtete Geschäftsführer Erdrich. Dabei seien europarechtlich bis 1000 Liter Alkohol erlaubt, bei 50 Prozent Steuervergünstigung wären das dann 500 Liter. Beim Verband beschäftige man sich zudem mit den Vorschriften zur Etikettierung der Flaschen, mit Mehrwegsystemen (Recycling), mit Nutri-Score, mit Digitalisierung und QR-Code.
25. Prämierung mit Minister – ein Medaillen-Regen
Alle zwei Jahre findet der Wettbewerb der Erzeugnisse der württembergischen Obst- und Kleinbrenner statt. Die Brenner aus Süd- und Nordwürttemberg reichen ihre Produkte ein und lassen sie von einer Jury aus rund 30 Experten testen. Eingereicht wurden dieses Jahr 1365 Proben, 324 davon aus Süd-Württemberg Hohenzollern von 56 Teilnehmern. Bei der Preisverleihung in der Bodnegger-Festhalle hagelte es für Brenner dann auch jede Menge Medaillen und Urkunden. Es gab 60 Gold-, 158 Silber- und 62 Bronzemedaillen. Die einzelnen Preisträger und Medaillengewinner sind über die Adresse http://www.kleinbrennerverband.de abrufbar.
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