Wie aus Pflanzen Zombies werden
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„Die Insekten übertragen Bakterien, sogenannte Phytoplasmen, die den Lebenszyklus der Pflanzen zerstören“, sagt Prof. Dr. Günter Theißen von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Statt Blüten bilden die befallenen Exemplare nur noch verkümmerte Blattstrukturen aus, eine geschlechtliche Fortpflanzung ist so nicht mehr möglich. „Diese Pflanzen werden zu lebenden Toten“, veranschaulicht der Genetiker, „die nur noch zur Verbreitung der Bakterien dienen.“ Daher bezeichnen die Wissenschaftler sie auch als „Zombies“.
Hauptverantwortlich dafür ist ein Eiweiß mit dem Namen SAP54, erläutert Doktorand Florian Rümpler, der Erstautor der Publikation. „Dieses Eiweiß stammt aus den Bakterien und ähnelt in seiner Struktur einem Eiweiß, das in der Pflanze gemeinsam mit anderen Proteinen für eine normale Blütenentwicklung sorgt.“
Wie die Jenaer Forscher anhand von Modellierungsstudien zeigen konnten, ahmt SAP54 in den infizierten Pflanzen die Struktur bestimmter pflanzeneigener Proteine so perfekt nach, dass sich diese an SAP54 statt an ihresgleichen binden. Dies führe letztlich dazu, dass Blütenblätter und -organe nicht ausgebildet werden.
Weiterhin ungeklärt sei die Frage, woher die Moleküle ihre Ähnlichkeit haben. „Denkbar wäre, dass beide Eiweiße auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen“, sagt Rümpler. „Wir vermuten jedoch etwas anderes.“ So stellt das Wissenschaftlerteam der Jenaer Uni in der aktuellen Publikation die These auf, dass sich das Bakterien-Eiweiß erst im Laufe der Evolution so präzise an seinen Wirt angepasst hat.
Ob sich die neuen Erkenntnisse irgendwann praktisch nutzen lassen, bleibt abzuwarten. Das Phänomen des Phytoplasmenbefalls ist bereits seit langem bekannt; Obstbauern und Kleingärtner kennen es beispielsweise als sogenannten „Besenwuchs“ an Apfelbäumen und auch im Weinanbau oder der Pflanzenzucht führen Phytoplasmosen immer wieder zu Ertragsausfällen. „Auch wenn wir den Infektionsprozess jetzt besser verstehen, haben wir bislang keine Möglichkeit, diesen zu verhindern“, so Theißen. Dennoch sehen er und seine Kollegen in den neuen Erkenntnissen einen vielversprechenden Ansatz für die weitere Grundlagenforschung. So könnten die Auswirkungen eines Phytoplasmabefalls beispielsweise dafür genutzt werden, die Entstehung der Blüte im Laufe der Evolution besser nachzuvollziehen.
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