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Pfälzer Gemüsebautag

Strategien im Zeichen von Mindestlohn

Die Vorgaben des Mindestlohns erhöhen den Druck auf die Gemüsebauern. Wie können sie reagieren? Wo ist möglicherweise noch ungenutztes Potenzial? Diese Fragen beantworteten die Referenten auf dem Pfälzer Gemüsebautag des Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Mutterstadt.

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34. Pfälzer Gemüsebautag
34. Pfälzer GemüsebautagGanninger-Hauck
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Arbeitsintensive Freilandkulturen werden vermutlich im Anbauumfang schrumpfen und noch stärker in Niedriglohnländer abwandern“, vermutete Joachim Schneider, Geschäftsführer Landwirtschaftlicher Arbeitgeberverband Rheinhessen-Pfalz, der stellvertretend für Christian Ufen, dem Vorsitzenden der Fachgruppe Gemüsebau im Zentralverband Gartenbau, dessen Vortrag hielt. Als Beispiel nannte er Einlegegurken, die jetzt schon aus der Türkei und Indien kommen und den Wettbewerb verzerren. Der Verbraucher wisse nicht, dass die Verarbeitungsprodukte nicht nach dem Ursprungsland deklariert werden müssten. Neben der Türkei bieten sich auch Spanien, Portugal, Griechenland und Polen als starke Gemüsebauländer an, abwandernde Kulturen zu produzieren – dort gibt es zwar einen Mindestlohn, der aber nicht über 4,50 Euro liege. Er hat wenig Hoffnung, dass der Lebensmittelhandel bereit ist, die höheren Gestehungskosten für Gemüse durch höhere Preise auszugleichen.

Das unterstrichen auch die Ausführungen von Michael Koch von der AMI (Agrarmarkt Informations-Gesellschaft), der detailliert die Werbeaktionen des Handels für Gemüse analysiert. Trotz geringerem Gemüseangebot gab es 2015 Aktionen mit absoluten Tiefstpreisen wie das Bund Radies für 25 Cent. 2015 kauften die Verbraucher Gemüse seltener und in geringeren Mengen im Vergleich zu 2014. Aufgrund höherer Preise (ein Plus von 7,2 Prozent wurde im Haushaltspanel für Januar bis September 2015 gegenüber 2014 errechnet) wird das Gemüsejahr dennoch in weiten Teilen mit Rekordumsätzen abschließen. „Die Marge bleibt allerdings beim Handel, nicht beim Erzeuger“, so Koch. Der langfristige Trend beim Einkauf von frischem Gemüse zeigt zudem stetig nach unten. Der Grund dafür seien geänderte Konsum- und Verzehrgewohnheiten.

Kosten stärker im Auge behalten

Mehr denn je gelte es jetzt, auf Kostenstrukturen und die Lohnquote zu achten, ermahnten Iris Milla und Joachim Ziegler vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz in Neustadt. Pfälzische Betriebe arbeiten im Vergleich zum Bundesdurchschnitt arbeitsintensiver (Saison-AK-Anteil von 91 Prozent am Fremd-AK-Anteil im Vergleich zu 81 Prozent bundesweit) und werden daher auch stärker von den steigenden Mindestlöhnen getroffen. Detailgenaue, betriebsindividuelle Kalkulationen helfen, die neuen Preisziele bei den einzelnen Kulturen zu definieren und zu bewerten, wo man stehe. Dazu wurde eine Modell-Vollkostenkalkulation im Freilandgemüsebau am DLR Rheinpfalz entwickelt. Hinsichtlich der Kosten sei Saisonarbeitskraft aber nicht gleich Saisonarbeitskraft. Daher gelte es, die Saison-AK gezielt nach ihren Fähigkeiten einzusetzen. Zum Grundlohn hinzurechnen muss man möglicherweise Sozialversicherung, freiwillige Zusatzleistungen und unproduktive Zeiten. Bei einem Arbeitnehmer, der nach deutschem Lohnsteuerrecht keine Lohnsteuer zahlt, fallen bei dem aktuellen Mindestlohn von 7,40 Euro dann 8,66 Euro für den Arbeitgeber an, ist der Mitarbeiter aber nach polnischem Recht versichert, werden daraus gleich 10,36 Euro. Ab November 2017 ist ein Mindestlohn von 9,10 Euro zugrundezulegen. Für einen in Polen versicherten Saisonarbeitnehmer sind dann 12,75 Euro Stundenlohn zu kalkulieren, für einen Rumänien versicherten Kollegen lliegt der Betrag noch etwas darüber.
Die steigenden Lohnkosten gefährden vor allem Gemüsearten mit einem besonders hohen Gesamtarbeitszeitanspruch. An der Spitze dieser Gemüsearten liegen Bundzwiebeln, Schnittlauch, Einlegegurken, Stangenbohnen, die beinahe 2000 AKh/ha erfordern, vor Spargel, Zucchini, Bundmöhren und Rhabarber.

Andere Vorschläge, die Betriebsergebnisse zu verbessern, waren:

  • bessere Erntequoten,
  • Einstieg in die Direktvermarktung oder die Bioproduktion“ – wobei die Umsetzung der letzten beiden Position sehr wohl durchdacht sein müsse.
  • Mehr Kooperation großer Erzeuger, um die Produktion der Nachfrage anzupassen oder
  • Ausstieg aus der Produktion mit der Verpachtung der Flächen und Erbringung von Dienstleistungen.

Effektiver arbeiten

Potenzial zum rationelleren Arbeiten bietet sich, wenn Arbeitsprozesse genau durchleuchtet werden, Schwachstellen bis hin zu den Handgriffen einzelner Mitarbeiter erkannt und abgestellt werden können. Auch die Bewertung, Entlohnung und Leistungsanreiz können darüber transparenter werden und die Leistung erhöhen. Die Kamera ist ein unbestechliches Werkzeug bei der Ermittlung der Leistungen, erklärte Trainerin Monika Schulz von Ratiochron, Alsheim.

Einen weiteren Ansatzpunkt, um die Arbeit effektiver zu gestalten, bieten elektronische Ernteerfassungssysteme, bei deren Einführung häufig auch von Zeit- auf Leistungslohn umgestellt wird. Margret Wicke, DLR Rheinpfalz in Altendorf, gab einen Überblick über den Einsatz der Systeme und erklärte, worauf besonders zu achten ist.

Technischer Fortschritt

Mehrere Referenten sehen in einer verstärkten Mechanisierung die Möglichkeit, die Lohnkosten zu reduzieren. „Spezielle Kultur- und Aufbereitungsverfahren mit sehr hohen Ertragsleistungen erhöhen die Werte“, konkretisierte Ziegler. Größere Schlaggrößen ermöglichen Einsparungen. Aber es mangele noch an technischen Rationalisierungshilfen.

Als technische Innovationen stellte Johannes Seidl-Schulz von geo-konzept, Adelschlag, die zahlreichen Einsatzmöglichkeiten des Hexakopters XR 6 vor.

Dr. Sebastian Weinbrenner, DLR Rheinpfalz, ging auf die Neuheiten von der Agritechnica ein, die ihm für den Gemüsebau besonders vielversprechend sind, manchmal auch nur im Kleinen:

  • den Tensiometer TX von MMM Tech Support und den ICA-Wireless als intelligenten Bewässerungscontroller von Pessl Instruments für den Bereich Bewässerung;
  • die Querverteilungsmessung für Dünger von Amazone sowie den Kastendüngerstreuer Linus 17.1 von Rauch;
  • die D35 Flexi-Beetfräse von Forigo zur Formung unterschiedlich hoher Beete sowie
  • die neuen EasyFlow-Einspeisesysteme für flüssige Pflanzenschutzmittel von Agrotop und die IDTA-Doppelflachstrahldüse von Lechler.

Einen ganz neuen Aspekt, um Geld mit Energie zu verdienen, stellen virtuelle Kraftwerke dar, vor allem dann, wenn bei einem Überangebot Strom aus dem Netz genommen werden muss. Allein fürs Mitmachen, so Michael Pippert, DLR Rheinpfalz, kann 1 KW 33000 Euro bringen.

Kultur optimieren

Und natürlich, so Kerstin Mahler und Jochen Kreiselmaier vom DLR Rheinpfalz, wird es immer wichtiger, die richtigen Sorten auszuwählen, die unter den Bedingungen am Standort hohe Erträge bringen. Dies können gegen Viren mehrfach resistente Sorten bei Zucchini ebenso sein wie Porree-Sorten, die wenig zu Blattkrankheiten neigen und damit den Arbeitsaufwand beim Entfernen der Blätter ebenso reduzieren wie den Abfall.
Wichtig ist auch eine lückenlose Erfassung von Krankheiten auf den Schlägen, um Ausfall vorzubeugen. Kohlhernie kann 20 Jahre überdauern, Zwiebelbrand 15 Jahre. Pflanzt man Kohlarten oder Zwiebeln, bevor diese Zeiträume abgelaufen sind, darf man sich nicht wundern, wenn die Ernte bescheiden ausfällt.
Auch bei den Anbaumethoden gebe es immer wieder Alternativen, die mehr Ertrag bringen, so bei Rucola, der bei Anbau in einem Folienhaus mehrfach geschnitten werden kann.

Fazit: Mindestlohn verändert den Gemüsebau

Stellvertretend für die Aussagen mehrerer Referenten beim Pfälzer Gemüsebautag formulierten die Berater Iris Milla und Joachim Ziegler vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz in Neustadt als Quintessenz der aktuellen Lage: „Ohne eine Preisanpassung für die überwiegende Zahl von Gemüsekulturen, insbesondere die handarbeitsintensiven, können die anstehenden Lohnkostensteigerungen nicht kompensiert werden.“ Das führe zur Abwanderung vor allem dieser Kulturen in andere Länder. „Sprunghafte Kostensteigerungen im Lohnbereich haben erhebliche Auswirkungen auf Fortbestand und die Zukunftsplanung vor allem der bäuerlichen Mittelbetriebe. Das ist einigen Prozessbeteiligten vielleicht noch nicht bewusst. Gerade diese Betriebe stehen für regionale vielfältige und nachhaltige Gemüseproduktion. n

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