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Elektronenbehandlung

Innovativer Saatgutschutz ohne Chemie

Eine Online-Veranstaltung des Getreidefonds Z-Saatgut e. V. Mitte Dezember beleuchtete die Elektronenbehandlung als vielversprechende chemiefreie Alternative zur Saatgutbeizung. Neben den Vorteilen für die Umwelt bietet diese Technologie praktische Lösungen für die Landwirtschaft, insbesondere in Zeiten zunehmender Regulierung chemischer Beizmittel.

von Jonas Klein erschienen am 18.04.2025
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Die Elektronenbehandlung, ein innovatives Verfahren zur chemiefreien Saatgutbehandlung, wurde während der Veranstaltung ausführlich vorgestellt. „Das Verfahren funktioniert rein physikalisch“, erklärte Roul Gamser von der Geno-Saaten GmbH. Geno-Saaten nimmt Saatgut von 7.500 ha Vermehrungsfläche an, bereitet es auf und setzt die E-Vita-Technologie zur Elektronenbehandlung von Saatgut ein, die von der E-Vita GmbH in Dresden entwickelt wurde. Bei der E-Vita-Anlage handelt es sich um eine mobile Beizanlage, die zur Verkürzung der Transportwege an den Standort der Rohware gefahren wird. Die Beizanlagen können zwischen 25 und 50 Tonnen pro Stunde verarbeiten. Zusammen mit anderen Anbietern wie Agravis, Baywa, Ceravis und der Deutschen Saatenveredelung (DSV) werden bundesweit bereits mehr als 2,1 Mio. ha mit elektronengebeiztem Saatgut bestellt.

So funktioniert die Behandlung

Die Elektronenbeizung erfolgt ohne chemische Pflanzenschutzmittel und wirkt rein physikalisch, um die Saatgutoberfläche zu sterilisieren. Die Oberfläche des Saatgutes ist daher nicht rot, sondern sieht aus wie bei unbehandeltem Saatgut. Das Verfahren wurde über Jahrzehnte entwickelt und wird heute industriell eingesetzt. Es eignet sich für Getreide, Körnerleguminosen, Mais, Sonnenblumen und Feinsämereien. In Exaktversuchen wurden Mehrerträge von drei bis fünf Prozent erzielt. Die Daten basieren auf Beizmittelversuchen der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein von 2013 bis 2015 in einer mehrjährigen Weizen-Selbstfruchtfolge.

Neben der grundsätzlichen Desinfektion ermöglicht die Elektronenbehandlung auch die gezielte Applikation von nützlichen Mikroorganismen wie Bacillus-Bakterien, die das Wurzelwachstum fördern und die Pflanze laut Gamser widerstandsfähiger gegen bodenbürtige Krankheiten machen sollen. Das mit den Bacillus-Bakterien versehene Saatgut wird unter dem Namen E-Vita Plus vermarktet. „Wir wollten ein Beizverfahren, das nachhaltig und umweltfreundlich ist und der Landwirtschaft einen echten Mehrwert bringt“, erklärt Gamser.

Klimawandel und regulatorische Herausforderungen fördern den Einsatz

Die Elektronenbehandlung gewinnt vor allem deshalb an Bedeutung, weil immer mehr chemische Wirkstoffe wie Fludioxonil wegfallen oder strenger reguliert werden. Schon heute stehen die Landwirte vor der Herausforderung, die Saatgutgesundheit mit einer deutlich eingeschränkten Wirkstoffpalette sicherzustellen. Auch die Elektronenbeizung ist ein Saatgutschutz, der theoretisch im Biolandbau eingesetzt werden kann und laut Gamser FibL-gelistet ist, da keine Pflanzenschutzmittel auf das Saatgut aufgebracht werden. Allerdings stehen viele Bioverbände wie Demeter der Elektronenbehandlung bisher kritisch gegenüber.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen an umweltverträgliche Lösungen. Die Elektronenbehandlung erfüllt diese Anforderungen, da sie ohne chemische Rückstände auskommt, somit keine Auswirkungen auf Grundwasser oder Insekten hat und ressourcenschonend ist. Besonders in Wasserschutzgebieten oder Regionen mit strengeren Umweltauflagen bietet das Verfahren Vorteile. „Das Verfahren passt perfekt zu den Anforderungen einer modernen, nachhaltigen Landwirtschaft. Wir schaffen es, die Flächenproduktivität zu steigern und gleichzeitig die Umweltbelastung zu reduzieren“, betont Roul Gamser. Die Kombination von Elektronenbehandlung und biologischen Präparaten wie Evita Plus zeigt vielversprechende Ergebnisse. „Wir glauben, dass diese Technologien langfristig nicht nur die Pflanzengesundheit verbessern, sondern auch die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Landwirtschaft stärken werden“, fasst Roul Gamser zusammen.

So ist die Elektronenbeize entstanden

André Weidauer von der E-Vita GmbH gab weitere Informationen zur Geschichte des Beizverfahrens. Die E-Vita GmbH wurde als Gemeinschaftsunternehmen der Fraunhofer Gesellschaft und Ceravis gegründet, baut die Anlagen, führt die Behandlung im Lohnauftrag durch und entwickelt die Technologie weiter. „Elektronen brechen chemische Bindungen auf und eliminieren Krankheitserreger wie Pilze, Viren oder Bakterien direkt auf der Oberfläche des Saatguts, ohne dessen Keimfähigkeit zu beeinträchtigen“, erklärt Weidauer. Die Geschwindigkeit der Elektronen wird über die Spannung bei der Saatgutbehandlung eingestellt und bestimmt die Eindringtiefe der negativen Ladungsträger in das Saatgut. Die Eindringtiefe wird entsprechend der Dicke der Samenschale gewählt.

„Der Prozess der Elektronenbehandlung ist also denkbar einfach“, erklärt Weidauer. Die Wirkungsweise chemischer Beizmittel sei kompliziert und von Wirkstoff zu Wirkstoff unterschiedlich. In Bereichen wie der Sterilisation von Lebensmittelverpackungen und medizinischen Instrumenten wird das Verfahren schon lange eingesetzt. Diese Sterilisationen fanden jedoch in sehr begrenzten Mengen statt. Bei Saatgut hingegen muss eine große Menge an Körnern in kurzer Zeit mit Elektronen behandelt werden. Von der Idee bis zur Marktreife vergingen rund 40 Jahre. Die Biologische Bundesanstalt wertete in ihrem Bericht 399 im Jahr 2005 jahrzehntelange Versuche aus und stellte fest: „Das Verfahren ist sicher und kann als Ersatz für fungizide Beizmittel eingesetzt werden“. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland mehr als 30.000 Tonnen Saatgut mit der Elektronenbeizung behandelt. Für 2025 rechnet Weidauer mit einer Steigerung dieser Menge um etwa 25 Prozent.

Folgen der Elektronenbehandlung fürs Saatgut

Befürchtungen, dass die Elektronenbeizung durch den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel in der Beize langfristig zu einer Anreicherung von Krankheitserregern im Boden führt, haben sich nicht bestätigt. Dazu wurden Versuche in einer Weizen-Selbstfolge durchgeführt.

In der Weiterentwicklung folgte die Idee, die durch die Beizung von der Saatgutoberfläche entfernten Krankheitserreger durch nützliche Mikroorganismen, wie die oben von Roul Gamser erwähnten Bacillus subtilis, zu ersetzen. Dabei handelt es sich um natürlich im Boden vorkommende, symbiotisch wirkende Mikroorganismen, die das Wurzelwachstum und die Wasseraufnahme verbessern sollen. Ein Einzeljahresergebnis aus dem Trockenjahr 2021 an den Standorten Barkow und Ivenack zeigte bei Wintergerste mit der Elektronenbeize E-Vita einen um mehr als 7 Prozent höheren Ertrag gegenüber der unbehandelten Variante und bei der Variante E-Vita Plus mit Bacillus subtilis einen um rund 14 Prozent höheren Gerstenertrag. Bei Weizen lagen die Mehrerträge 2021 bei 4 Prozent für E-Vita Beize und bei über 7 Prozent für E-Vita Plus mit Bacillus. „Allerdings handelt es sich um das Jahr 2021. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ für mehrjährige Ertragsmittelwerte mit E-Vita. Sie zeigen aber, was passiert, wenn ein richtig trockenes Jahr kommt“, sagt Weidauer. Vor allem bei lang anhaltender Trockenheit könne die Behandlung mit Bacillus subtilis ihre Vorteile bei Ertrag, TKG und Proteingehalt ausspielen, so Weidauer.

Langfristige Auswirkungen auf die Saatgutqualität

Ein weiterer Vorteil der Elektronenbehandlung liegt in ihrer positiven Wirkung auf die Langzeitlagerung von Saatgut. Durch die physikalische Desinfektion wird das Risiko einer späteren Infektion deutlich reduziert. „Infektionen, die während der Lagerung oft übersehen werden, können die Keimfähigkeit und Vitalität von unbehandeltem Saatgut erheblich beeinträchtigen“, erklärt Weidauer. Die Elektronenbehandlung sorge dafür, dass das Saatgut auch nach längerer Lagerung seine Qualität behält und damit flexibel eingesetzt werden kann. Dies sei vor allem bei unvorhersehbaren Witterungsbedingungen und schwankendem Saatgutbedarf ein großer Vorteil. Wird das behandelte Saatgut nicht ausgesät, kann es laut Weidauer bedenkenlos verfüttert werden. Auch sei das mit Mikroorganismen behandelte Saatgut mehrere Monate lagerfähig.

Vorteile der Elektronenbeizung für die Landwirtschaft
  • Keine Gefahr für Landwirte und Umwelt
  • Behandlung ohne chemische Wirkstoffe, aber wirksam gegen samenbürtige Krankheitserreger
  • Aussaat auch bei höheren Windgeschwindigkeiten möglich (> 5 m/s)
  • Keine Aufnahme giftiger Chemikalien durch Tiere (z.?B. Staubpartikel)
  • Keine Schädigung des Bodenmikrobioms (positive Mikroorganismen bleiben erhalten)
  • In Wasserschutzgebieten einsetzbar
  • Keine Vorschriften für gefährliche Stoffe nötig (anders als bei Fungizid-Beizung)
  • Unbenutztes Saatgut kann lange gelagert oder sogar verfüttert werden
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