"Die Fachzeitschrift bietet Orientierung"
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Interview mit Verleger Matthias Ulmer, Stuttgart
Medien bauen für Landwirte – wie geht das heute?
Matthias Ulmer leitet als Geschäftsführer und persönlich haftender Gesellschafter in 5. Generation den Verlag Eugen Ulmer in Stuttgart. Dort erscheint unter anderen die vom Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV) herausgegebene BWagrar mit ihren Ausgaben Landwirtschaftliches Wochenblatt und Schwäbischer Bauer.
Im Jahr 2018 feierte der Verlag mit seinen über 150 Mitarbeitern, 25 Zeitschriften, vielen Webseiten und rund 1.600 lieferbaren Büchern rund um Gartenbau und Landwirtschaft sein 150-jähriges Bestehen.
BWagrar: Herr Ulmer, Sie haben zum 150-jährigen Verlagsjubiläum auf 800 Seiten mit 500 Abbildungen eine Firmengeschichte geschrieben. Dieser „Medienbauer“ ist zugleich Wirtschaftsgeschichte der Medienbranche und Mediengeschichte der Wirtschaftsbranchen, für die Sie „Medien bauen“. Was treibt Sie an, ein solches, in Umfang und Konzeption einmaliges Werk zu verfassen?
Ulmer: Wenn man sich mit der Firmengeschichte befasst und diese 150 Jahre Mediengeschichte, aber eben auch 150 Jahre Wochenblatt, Obstbau, Landwirtschaft und Württemberg wiederspiegelt, dann wird man erst einmal demütig angesichts der ungeheuren Entwicklungen in dieser Zeit.
„Es geht um Respekt für die Leistungen der Vergangenheit und um Orientierung für die Möglichkeiten der Zukunft.“
Und wenn man dann feststellt, dass alles was wir machen auf dieser Historie beruht, dass man heute beispielsweise nicht über Obstbau reden kann, ohne die Historie von Lucas bis heute zu kennen, dann fragt man sich, wie man diese Bezüge, die Bedeutung der Vergangenheit für das, was heute ist, wie man das darstellen kann. Das habe ich versucht, weil ich es für wichtig halte. Es geht um Respekt für die Leistungen der Vergangenheit und um Orientierung für die Möglichkeiten der Zukunft.
BWagrar: Nähert sich die klassische, gedruckte Fachzeitschrift dem Ende ihrer Ära oder hat sie begonnen, sich in digitaler Form neu zu erfinden?
Ulmer: Die Fachzeitschrift ist in einer starken Änderung begriffen. Sie wird nicht mehr so dringend für die konkrete Information gebraucht. Aber sie bietet dem Leser doch einen klaren Anhaltspunkt, was gerade wichtig ist und was nicht.
„Die Fachzeitschrift bietet Orientierung in der Informationsfülle des Internets.“
Angesichts der Informationsfülle im Internet nehmen die Menschen heute nicht mehr sondern sogar weniger Informationen auf. Die schiere Menge schreckt ab und macht müde. Und der Zweifel am Wahrheitsgehalt tut ein Übriges.
Die Fachzeitschrift bietet Orientierung in dieser Fülle. Neu ist, dass wir heute sehr viel mehr über Personen berichten müssen als über nackte Informationen. Die Landwirtschaft ist eine Gesellschaft in der Gesellschaft, eine eigene Community. Zu dieser will man als Landwirt gehören. Das ist aber nicht immer einfach. Mit einer Zeitschrift, die voller Menschen ist, in der Meinungen zu Wort kommen, kann man leichter Zugang finden. Eine Fachzeitschrift ist damit heute auch eine Art Club-Ausweis.
BWagrar: Geben im Südwesten immer mehr Familienbetriebe wegen steigender Auflagen und Wettbewerbsnachteile auf oder stellen sie sich sukzessive auf die wachsenden Anforderungen der Gesellschaft ein und gewinnen neue Stärke? Wie sehen Sie das als „Medienbauer“ für unsere Branche?
Ulmer: Nun, das kann man biologisch sehen: die einen müssen im Wandel aufgeben, die anderen überleben, weil sie sich besser anpassen können und daraus Stärke ziehen. Anpassungen sind notwendig. Es war immer so, dass jedes Jahr einige Höfe zugemacht haben und einige neu angefangen haben. Das ist dann eine natürliche Verjüngung.
„Wir müssen uns gesellschaftlich klar werden, welche Infrastruktur wir zukünftig weiter haben wollen. Und diese muss dann mit öffentlichen Mittel gesichert werden.“
Leider müssen seit vielen Jahren sehr viel mehr Höfe aufgeben als neu gegründet werden. Das wird irgendwann wieder anders werden. Vermutlich wird dann aber unsere Definition von Hof auch neu sein. Entscheidend ist, dass in einem Strukturwandel auch Infrastruktur kaputt geht. Sonst könnte man gelassen zusehen.
Wir müssen uns gesellschaftlich klar werden, welche Infrastruktur wir zukünftig weiter haben wollen. Und diese muss dann mit öffentlichen Mittel gesichert werden. Dann lässt sich der Strukturwandel ertragen.
Buchhinweis zum Interview
Medienbauer - das Buch
Medienbauer. Die Geschichte des Verlag Eugen Ulmer 1868–2018.
Matthias Ulmer bringt die Geschichte der Medienbranche, in welcher der Verlag Eugen Ulmer arbeitet, und der Wirtschaftszweige Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz zusammen, für die der Verlag Medien macht. Die Lektüre dieses in seiner Art einmaligen Werkes ist bildend, spannend und unterhaltend zugleich.
Wer meint, sich auch nur für eines der Themenfelder Verlags-, Medien- oder Wirtschaftsgeschichte der genannten Branchen zu interessieren, dürfte beim Lesen schnell merken, wie intensiv diese scheinbar verschiedenen Bereiche miteinander korrespondieren. | hk
Matthias Ulmer: Medienbauer. Die Geschichte des Verlag Eugen Ulmer 1868–2018. 792 Seiten, ca. 500 Abbildungen, gebunden, 50,00 Euro. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 2018. ISBN 978-3-8186-0542-1. www.ulmer.de.
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