
Marktlage eröffnet Spielräume für Äpfel
Im Gegensatz zu vielen anderen Anbaugebieten erwartet die Obstregion Bodensee eine gute Apfelernte. Dies gilt sowohl für die Menge wie für die Qualität. Gerechnet wird mit rund 247.000 t, was einem Plus von 13 Prozent zum Vorjahr entspricht. Das eröffnet Spielräume am Markt und lässt auf bessere Preise für die Produzenten hoffen, wie bei der offiziellen Eröffnung der diesjährigen Apfelsaison in Uhldingen-Mühlhofen erklärt wurde.
von Brigitte Werner-Gnann erschienen am 03.09.2024Die Ernte der Frühsorten ist bereits beendet, nun werden mit Elstar und Gala die ersten Lagersorten gepflückt. „Wir hatten Glück, hatten keinen Frost und starten optimistisch in die Ernte und Vermarktung“, betonte Erich Röhrenbach, Vorsitzender der Obstregion Bodensee. Allerdings sei das Jahr mit seinen vielen Niederschlägen auch eine Herausforderung gewesen und der Schorfpilz habe zu schaffen gemacht. „Solche Jahre zeigen, wie wichtig ein funktionierender Pflanzenschutz ist“, unterstrich er weiter.
Die Obsterzeuger, aber auch die Politik habe die Verantwortung, ausreichend Lebensmittel zu erzeugen. Dazu sei der Pflanzenschutz eine wichtige Säule. Gleichzeitig seien die Obstbauern am Bodensee mit ihrer Fairdi-Initiative auch aktiv geworden, um in zwei Projektanlagen resistente und robuste Sorten zu testen. Praxisnah soll dabei nach Einsparmöglichkeiten beim Pflanzenschutz gesucht werden. Zur Sicherung der Produktion sei neben Netzen künftig auch mehr Frostschutzberegnung nötig. „Dazu brauchen wir den Zugang zur Wassernutzung“, lautete seine Forderung an die Politik. Die vom Stuttgarter Landwirtschaftsministerium auf den Weg gebrachte Mehrgefahrenversicherung sei zwar eine wichtige Unterstützung, biete aber langfristig keine Gewähr für eine Ernte.
Höhere Erlöse dringend notwendig
Die nun erhofften Absatzchancen am Markt seien dringend notwendig, denn längst hätten die gestiegenen Kosten die besseren Erlöse „aufgefressen“. „Seit Corona sind unsere Kosten um 20 Cent pro Kilo gestiegen“, machte Röhrenbach deutlich, wobei das Ausgangsniveau bereits bei 48 Cent pro Kilo lag. Dabei nannte er in erster Linie den Mindestlohn als massive Belastung. „Woher sollen wir diese Mehrkosten generieren? Auf Dauer können wir so den Verzerrungen im Wettbewerb mit Ländern mit niedrigeren Arbeitskosten nicht standhalten“, machte er deutlich. Längst hätten sich die Betriebe breiter aufgestellt, nutzten Innovationen wie Agri-PV, betrieben Weinbau oder böten Ferienwohnungen an. „Aber es muss doch möglich sein, von einem 25 bis 30 Hektar großen Apfelbetrieb zu leben“, monierte er weiter. Die Betriebe bräuchten daher einen Puffer wie dieses Jahr, um Jahre mit schlechter Marktlage auszugleichen. Ansonsten werde es mit dem Obstbau am See schwierig.
Ohne Obstbau sehe die Landschaft am Bodensee anders aus, betonte auch Ministerialdirektorin Isabel Kling vom Stuttgarter Ministerium für Ländlichen Raum (MLR) und bedankte sich in diesem Zug bei den Bauern für ihre Arbeit. Während es für die Menschen selbstverständlich sei, mit Medizin für ihre Gesundheit zu sorgen, werde der Pflanzenschutz an den Pranger gestellt. „Doch Pflanzenschutz ist nichts anderes“, unterstrich sie und appellierte an die Verbraucher, das Gespräch mit den Landwirten zu suchen und mehr miteinander als übereinander zu reden.
Fairdi – Projekt für die Zukunftssicherung
Mit dem Biodiversitätsstärkungsgesetz habe sich das Land hohe Ziele gesteckt. Doch die Landwirtschaft im Ländle sei innovativ, wobei Kling auf die Initiative Fairdi verwies. „Das Projekt trifft ins Schwarze. Es ist ein Vorzeigeprojekt, das den Obstbau zukunftsfähig macht“, lobte sie. Auch die Risikoversicherung sei ein wichtiger Baustein, um nicht jedes Jahr Ad-hoc-Hilfen zahlen zu müssen. Diese Risikovorsorge aufzuweiten und bei der Finanzierung auch den Bund mit in die Pflicht zu nehmen, sei Thema bei der nächste Agrarministerkonferenz.
Von der offiziellen Saisoneröffnung gehe ein Signal an die Verbraucher aus, sich mit regionalen Produkten zu versorgen. Diesem Ziel widme sich auch die Kampagne ‚Natürlich. Von daheim‘. „Jeder spricht von Regionalität, doch im Einkaufswagen sieht es oft anders aus“, bemängelte die Amtschefin im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium. Mit regionalen Produkten leiste man aber einen Beitrag zum Klimaschutz, zur Biodiversität und zum Erhalt der Kulturlandschaft.
Gute Mengen und gute Qualitäten
Von guten Chancen auf gute Erlöse für die Äpfel im Süden sprach Dr. Egon Treyer, Geschäftsführer der Marktgemeinschaft Bodenseeobst (MaBo). Nicht nur in der Menge stimme die Ernte positiv, sondern auch mit den Kalibern und den inneren Qualitäten könnten die Früchte punkten. Außerdem hätten sie in den letzten Tagen ausreichend Farbe bekommen. Dabei würden allein 80.000 t der erwarteten Erntemenge von 247.000 t auf die beim Verbraucher gefragten Sorten Gala und Elstar entfallen. Zudem machten die Clubsorten am Bodensee mittlerweile rund 50.000 t am Sortiment aus und damit rund zwölf Prozent. Mit weiteren 60.000 t wird für die Jonagold-Gruppe gerechnet, was ein Plus von acht Prozent im Vergleich zum mengenschwachen Vorjahr bedeutet. Von knapp 9000 t Birnen am Bodensee entfielen mittlerweile rund 5000 t auf die gefragte Marke Xenia.
Da Frost- und Hagelschäden ausblieben, könne man aus dem Vollen schöpfen und Kunden in ganz Süd-, West- und Ostdeutschland bedienen. Zuversicht verbreitete Treyer auch beim Verwertungsobst. Keltereien, Schäl- und Muswarenindustrie seien aufnahmefähig, das Streuobstaufkommen in Deutschland auf nur rund 500.000 t geschätzt und von der fehlenden Menge in der EU, die im Vergleich zum Vorjahr auf 1,3 Millionen t beziffert wird, entfielen rund zwei Drittel auf fehlende Industrieware.
Frostschäden vorwiegend im Osten
Spielräume im Markt machte Treyer auch aufgrund der Frostschäden aus, welche die europäische Apfelernte auf geschätzte 10,2 Millionen t reduziert, was einem Minus von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Von Frostschäden betroffen sind vorwiegend Polen mit minus 20 Prozent, Österreich mit minus 50 Prozent, Ungarn mit minus 40 Prozent und Rumänien mit minus 15 Prozent. Dagegen werde im Süden und Westen Europas eine Normalernte erwartet. In Deutschland hatten die Minustemperaturen zur Blüte vor allem in den östlichen Bundesländern zu massiven Ernteeinbußen geführt, aber auch das Alte Land rechne mit 230.000 t mit weniger Äpfel als am Bodensee. Dies summiere sich zu einer Ertragseinbuße von 16 Prozent zum Vorjahr bei einer Gesamtmenge von knapp 800.000 t in Deutschland.
Keine Absatzschwierigkeiten erwartet der MaBo-Geschäftsführer auch bei Birnen. Die EU-Ernteschätzung beläuft sich auf 1,8 Millionen t, was einem Plus von fünf Prozent zum Vorjahr entspricht. Der Einbruch bei Abate Fetel vom Vorjahr werde damit nicht aufgeholt. Während die Niederlande mit nur acht Prozent weniger Birnen rechneten, vermelde Belgien ein Minus von 27 Prozent.
Weniger Bioäpfel in der EU
Einen Rückgang wird es auch bei Bio-Äpfeln geben. In Europa werden 182.000 t und damit ein Minus von 16 Prozent erwartet. Für Deutschland stehen 55.000 t und damit 18 Prozent weniger als im Vorjahr zu Buche. Auf Süddeutschland entfallen davon 22.500 t, was einem Plus von 15 Prozent zum Vorjahr entspricht. Damit liegt der Anteil an Bioware am Bodensee bei elf Prozent. Größter Bio-Produzent in der EU ist Italien mit 103.000 t, was einem Minus von acht Prozent entspricht. Für die Steiermark werden nur 14.000 t, ein Minus von 20 Prozent, prognostiziert.
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