Betriebscheck gibt Aufschluss über Treibhausgase
Welche Treibhausgase verursachen Futterbaubetriebe und wie schädlich sind diese Emissionen? Fragen, mit denen sich das Projekt „Klimacheck“ des Landwirtschaftlichen Zentrums Baden-Württemberg (LAZBW) auseinandersetzt. Ein Ziel dabei: Die Ermittlung des Status quo der Treibhausgasbilanz.
von Elizabeth Velasco und Anika Wigger, Landwirtschaftliches Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW), Aulendorf Quelle Elizabeth Velasco, Annika Wigger, LAZBW Aulendorf erschienen am 03.06.2025Der Klimawandel zählt zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Um seine Folgen einzudämmen, müssen die Treibhausgas (THG)-Emissionen in allen Bereichen erheblich reduziert werden – und das immer dringlicher. Anfang 2025 wurde berichtet, dass die globale Durchschnittstemperatur im Jahr 2024 erstmals die 1,5-Grad-Marke des Pariser Klimaabkommens überschritten hat – mit 1,6 Grad (°C) über dem vorindustriellen Niveau (1850 bis 1900).
Vor diesem Hintergrund verfolgt Baden-Württemberg mit dem am 1. Februar 2023 verabschiedeten Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz (KlimaG BW) ehrgeizige Ziele: Bis 2030 sollen die THG-Emissionen um mindestens 65 Prozent (%) gegenüber 1990 sinken und bis 2040 will das Land klimaneutral sein. Ein zentrales Instrument zur Erreichung dieser Ziele ist die THG-Bilanzierung. Sie ermöglicht die systematische Erfassung und Bewertung von THG-Emissionen – sei es auf regionaler Ebene oder für einzelne Betriebe. Durch die THG-Bilanzierung lassen sich Emissionsquellen identifizieren, Minderungsmaßnahmen ableiten und deren Wirkung überprüfen.
Rolle der Landwirtschaft im Klimawandel
Der Landwirtschaft kommt im Kontext des Klimawandels eine Dreifachrolle zu: Einerseits leidet sie unmittelbar unter den Folgen des Klimawandels, weshalb angesichts der sich häufenden Extremwetterereignisse der Erhöhung der Resilienz (Widerstandskraft) gegenüber dem Klimawandel immer mehr Bedeutung zukommt. Anderseits verursacht die Landwirtschaft selbst THG-Emissionen, insbesondere Methan (CH4), Kohlenstoffdioxid (CO2) und Lachgas (N2O). Gleichzeitig ist die Landwirtschaft aber auch Teil der Lösung, da sie das Potenzial bietet, unter anderem durch entsprechende Dauergrünlandbewirtschaftung oder Minimalbodenbearbeitung im Ackerbau, der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Für den Agrarsektor sieht das KlimaG BW eine THG-Reduktion bis 2030 von 39 % gegenüber 1990 vor.
Einzelbetriebliche Treibhausgasbilanzierung
Um die gesetzten Ziele messbar zu machen und geeignete THG-Minderungsmaßnahmen zu identifizieren, braucht es präzise und belastbare Daten – bis auf Betriebsebene. Genau hier setzt das Projekt „Klimacheck“ des LAZBW an. Es untersucht die einzelbetriebliche THG-Bilanz von Futterbaubetrieben in Baden-Württemberg. Langfristig zielt das Projekt darauf ab, Emissionsminderungspotenziale zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln, die sowohl zur THG-Reduktion als auch zur Steigerung der betrieblichen Resilienz gegenüber Klimaveränderungen beitragen.
In der ersten Projektphase wurden im Jahr 2023 20 Futterbaubetriebe bilanziert – darunter 19 Milchviehbetriebe (vier mit Bullenmast) und ein reiner Rindermastbetrieb. Die Auswahl deckt landestypische Betriebsstrukturen sowie eine regionale Verteilung über das gesamte Landesgebiet ab. Elf Betriebe wirtschafteten konventionell, neun ökologisch.
Vom Betriebsrundgang zum CO2-Fußabdruck
Die Datenerhebung erfolgte anhand von Fragebögen, Betriebsrundgängen und Interviews. Zudem wurden Wirtschaftsdünger- und Futtermittelproben analysiert, um betriebsindividuelle Nährstoffgehalte einbeziehen zu können. Die Berechnung der THG-Bilanz basierte auf dem Berechnungsstandard für einzelbetriebliche Klimabilanzen (BEK) des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) und erfolgte über eine eigens am LAZBW entwickelte Excel-Anwendung. Die Emissionen aus dem Pflanzenbau und der Tierhaltung wurden getrennt berechnet und über die eingesetzten Futtermittel und Wirtschaftsdünger miteinander verknüpft. Berücksichtigt wurden: (1) direkte Emissionen (zum Beispiel Methanausstoß durch enterische Fermentation), (2) indirekte Emissionen (beispielsweise Lachgas aus Ammoniakdeposition und Nitratauswaschung), (3) Vorkettenemissionen (zum Beispiel aus der Düngemittelproduktion). Bewertet wurden sowohl die Gesamtemissionen pro Tier und Jahr in Kilogramm (kg) CO2e als auch der produktbezogene CO2-Fußabdruck in kg CO2e je kg fett- und eiweißkorrigierter Milch (FPCM) oder je kg Fleisch.
Die durchschnittlichen THG-Emissionen der Milchkühe im Projekt im Jahr 2023 betrugen 7268 ± 1761 kg CO2e pro Kuh und Jahr. Der durchschnittliche CO2-Fußabdruck der Milchproduktion in den Milchviehbetrieben lag bei 1,01 ± 0,20 kg CO2e pro kg FPCM. Die durchschnittlichen THG-Emissionen der Mastbullen im Projekt im Jahr 2023 beliefen sich auf 4325 ± 806 kg CO2e pro Mastbulle. Der durchschnittliche CO2-Fußabdruck der Fleischproduktion in den Betrieben lag bei 11,6 ± 2,4 kg CO2e pro kg Fleisch. Den größten Anteil an den gesamten THG-Emissionen hatte bei beiden Produktionsverfahren die enterische Fermentation, gefolgt von der Futterbereitstellung.
Als Gutschriften wurden die CO2-Emissionen für den Nährstoff-Ersatzwert von Stickstoff, Phosphor und Kalium für lebend geborene Kälber nach Abzug der Kälberverluste sowie für Schlachtrinder zusammengefasst. Die Kategorie Futterbereitstellung umfasst die CO2-Emissionen aus dem Einsatz von eigenem Konzentrat- sowie Grobfutter (schließt Futterbau mit ein) und deren Zukauf sowie die CO2-Emissionen aus dem Zukauf von Mineralfutter. In der Kategorie Bestandsveränderung wurden die CO2-Emissionen aus dem Zugang von Färsen oder Bullen und der Bestandsveränderung der Milchkühe zusammengefasst. Die Kategorie Wirtschaftsdüngermanagement umfasst die NH3-, N2O-, CH4- und CO2-Emissionen aus dem Stall, dem Wirtschaftsdüngerlager und der Weidehaltung.
Erste Hinweise auf Minderungsstrategien
Die Datenanalyse des ersten ausgewerteten Jahres deutet bereits auf mögliche Minderungsansätze hin:
• Produktmenge: Je höher die Milchleistung oder das Schlachtgewicht, desto geringer ist der CO2-Fußabdruck pro kg Produkt. Allerdings bedeutet das nicht unbedingt geringere THG-Emissionen pro Tier. Dabei spielen auch andere Aspekte eine wichtige Rolle wie zum Beispiel der Anteil betriebseigener Futtermittel in der Fütterung, die Qualität der betriebseigenen Grobfuttermittel sowie die Futterverluste vom Feld bis zum Trog.
• Weidehaltung: Kühe mit Weidegang wiesen niedrigere THG-Emissionen pro Tier auf als Kühe ohne Weidegang. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Effekt von geringeren Emissionen bei Weidegang auch durch andere Faktoren wie beispielsweise der Effizienz des Grünlandmanagements (Nachsaat, Düngung, Weidesystem) und der Höhe der Zufütterung im Stall beeinflusst werden kann.
Vom Monitoring zur Umsetzung
Im weiteren Projektverlauf ist die jährliche Bilanzierung bis einschließlich 2025 geplant, um über drei Jahre hinweg belastbare und repräsentative Aussagen treffen und betriebsindividuelle THG-Minderungsstrategien entwickeln beziehungsweise ableiten zu können. Dabei geht es nicht nur um das Erreichen der Klimaziele des Landwirtschaftssektors. Futterbaubetriebe können auch selbst von der THG-Bilanz profitieren: Wer seine THG-Emissionen kennt, kann gezielt Einsparungen erreichen, die Effizienz der betrieblichen Abläufe steigern und so das Einkommen verbessern. Darüber hinaus steigt auch in der Industrie und im Handel die Nachfrage nach klimarelevanten Daten. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette müssen Emissionsreduktionsziele erreicht und Fortschritte messbar gemacht werden. Die einzelbetriebliche THG-Bilanz kann sich somit künftig auch zu einem wichtigen Vermarktungsfaktor oder zu einem Kriterium beispielsweise bei der Vergabe von Krediten entwickeln.
FPCM = fett- und eiweißkorrigierte Milch: Gemäß der internationalen Standards der International Dairy Federation (IDF) wird im Rahmen der THG-Bilanzierung die Milchmenge mit einer standardisierten Methode berechnet. Dabei wird die Milchmenge nach dem Fett- und Eiweißgehalt korrigiert, um die Milchleistung verschiedener Betriebe vergleichbar zu machen. FPCM ist somit vergleichbar mit ECM (energiekorrigierte Milch), die Formel zur Berechnung weicht jedoch etwas ab.
CO2e = CO2-Äquivalente: Die in der Landwirtschaft entstehenden THG haben unterschiedliche Erderwärmungspotenziale (Global Warming Potential; GWP). Die Maßeinheit CO2-Äquivalent dient dazu, die Klimawirkung verschiedener THG vergleichbar zu machen. Die Klimawirkung wird dabei auf einen Zeithorizont von 100 Jahren bezogen. GWP100 (AR5) von CO2 = 1; GWP von CH4 = 28; GWP von N2O = 265.
Enterische Fermentation = natürlicher Verdauungsprozess der Wiederkäuer, bei dem Mikroorganismen (vor allem Archaeen) die Nahrung im Verdauungstrakt, insbesondere im Pansen der Rinder, zersetzen und fermentieren.
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