
Ein regionaler Rohstoff mit Zukunft
Am 1. Juni war Weltmilchtag. Auch in Baden-Württemberg fanden dazu landesweit Aktionen statt. Auf die Gartenschau in Freudenstadt & Baiersbronn lud der Milchwirtschaftliche Verein Baden-Württemberg e. V. ein. In Wangen im Allgäu traf man sich auf dem Gelände der Landesgartenschau vom vorigen Jahr, um auf die landesweite Bedeutung der Milchviehhaltung hinzuweisen.
von LBV Quelle LBV erschienen am 04.06.2025Ob Käse, Joghurt oder ein Glas frische Milch: Milchprodukte gehören für viele Menschen in Deutschland täglich auf den Tisch. Sie liefern hochwertiges Eiweiß, wertvolles Kalzium und tragen zu einer ausgewogenen Ernährung bei. In Baden-Württemberg spielt die Milchviehhaltung dabei eine zentrale Rolle – nicht nur für die Versorgung, sondern auch für Klima- und Artenschutz. „Trinkmilch, Butter, Käse, Quark – all diese Produkte sind ernährungsphysiologisch wertvoll. Wenn sie dann auch noch klimaschonend und regional erzeugt werden, profitieren alle: Verbraucher, Umwelt und Wirtschaft“, erklärt Roswitha Geyer-Fäßler, LBV-Vizepräsidentin.
Einer, der in seinem Stall auf modernste Technik setzt, ist Maximilian Egle. Der Milchviehhalter aus Hailtingen im Landkreis Biberach stellte mit Blick auf den Weltmilchtag seinen Roboterbetrieb mit 200 Kühen schon am 28. Mai der Presse vor und zeigte, wie man Milch derzeit effektiv produzieren kann. „Technik allein wird nicht reichen, wir brauchen wieder mehr Wertschätzung fürs Produkt, gesellschaftliche Akzeptanz und vor allem politische Verlässlichkeit“, erläuterte Alexander Keller, Leiter des Fachausschusses Milch und Rinder beim Bauernverband Biberach-Sigmaringen, gegenüber dem SWR.
Dauergrünland sinnvoll bewirtschaften
Fast 40 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) in Baden-Württemberg ist Dauergrünland – ein Spitzenwert im bundesweiten Vergleich. Diese Flächen speichern effizient CO2, erhalten die Kulturlandschaft und bieten Lebensraum für viele bedrohte Arten. „Doch unser Grünland lässt sich nur über den Tiermagen verwerten – und hier ist die Kuh unser wichtigster Partner“, stellte Geyer-Fäßler fest. In Baden-Württemberg liegen auch rund 44 Prozent der besonders artenreichen FFH-Mähwiesen Deutschlands. Diese werden vor allem von Milchviehbetrieben bewirtschaftet. Durch ihre naturnahe Nutzung erhalten sie die Artenvielfalt und produzieren gleichzeitig hochwertiges, regionales Futter. Das spart Importfuttermittel und entlastet globale Ressourcen wie Regenwälder.
Die Kuh – Klimakiller oder Klimaschützer?
In der öffentlichen Debatte werde die Kuh häufig vorschnell als Klimasünderin abgestempelt – zu Unrecht. Zwar erzeugten Wiederkäuer wie Rinder Methan, ein klimawirksames Gas. Doch diese Emissionen entstünden im natürlichen Kreislauf der Futterverwertung und seien Teil des sogenannten biogenen Kohlenstoffzyklus. „Unsere Milchkühe fressen den Grünlandaufwuchs und tragen so aktiv zur CO2-Bindung bei. Ohne sie würden diese Flächen verbuschen oder verbrachen – das wäre ein ökologischer Rückschritt“, erklärte Roswitha Geyer-Fäßler. Zudem erzeugt die Kuh nicht nur Milch, sondern verwertet Gras und Klee, die für den Menschen unverdaulich sind – und verwandelt sie in wertvolle Lebensmittel. „Wir müssen lernen, Klimaschutz und Nutztierhaltung ganzheitlich zu betrachten. Dafür brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen und Verbraucher, die unsere diesbezüglichen Anstrengungen unterstützen“, mahnte die LBV-Vizepräsidentin. Der Selbstversorgungsgrad in Baden-Württemberg liege bei Milch- und Molkereiprodukten nur noch bei 56 Prozent – Tendenz sinkend.
Druck in der Branche ist hoch
Preisdruck im Handel, politische Vorgaben und steigende Anforderungen setzten die Betriebe unter Druck. Von 2020 bis heute hätten rund ein Viertel der Milchviehhalter im Land aufgegeben. In den letzten 15 Jahren seien es sogar fast 60 Prozent gewesen. Herausforderungen, wie eine geregelte Hofnachfolge, würden zunehmend die Produktion beeinflussen. Die Existenz weiterer Betriebe sei gefährdet. Dabei leiste die Milchviehhaltung einen unverzichtbaren Beitrag zur Ernährungssicherheit. „Regionale Erzeugung funktioniert aber nur, wenn Verbraucher auch zu regionalen Produkten greifen“, appellierte Geyer-Fäßler. Und: „Wir Milchviehhalterinnen und -halter wissen genau, was unsere Höfe leisten. Unsere Milchviehbetriebe sind Rückgrat der Ernährungssicherheit, Motor für Klimaschutz und Garanten lebendiger Kulturlandschaften. Jetzt ist nicht die Zeit für Ausreden, sondern für Taten. Wir sind bereit, anzupacken – aber wir brauchen auch eine Politik, die mit verlässlichen Rahmenbedingungen an unserer Seite steht.“
In Baden-Württemberg gibt es rund 37.500 landwirtschaftliche Betriebe mit durchschnittlich 37 ha LF. Im Jahr 2023 waren es im Land laut Statistischem Landesamt 12.280 landwirtschaftliche Betriebe, in denen insgesamt 898.700 Rinder gehalten wurden. Der wichtigste Zweig in der Rinderhaltung sind die Milchkühe. 4950 Betriebe bewirtschafteten einen Milchviehbetrieb mit 309.700 Milchkühen und im Schnitt 63 Milchkühen pro Betrieb. 2010 waren es noch 10.771 Milchviehbetriebe mit 353.715 Milchkühen und 33 Milchkühen pro Betrieb. Der Selbstversorgungsgrad mit Milchprodukten liegt derzeit bei rund 56 Prozent. Der Anteil der Biomilchproduktion liegt bei gut acht Prozent.
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