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20 Jahre Erzeugergemeinschaft Albkorn

Als regionaler Anbau noch ein Fremdwort war

Die Erzeugergemeinschaft Albkorn ging vor 20 Jahren an den Start und übernahm den damals modernen, regionalen Getreideanbau mit kurzen Transportwegen und verringertem Einsatz von Dünger und Pflanzenschutz. Beispielhaft ist auch die Zusammenarbeit von Bäckern und Bauern. Bei einer Jubiläumsfeier in Gomadingen standen Vergangenheit und Zukunft auf dem Programm.
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Von Anfang an mit dabei: Landwirt Helmut Holzschuh (r.) und der Pflanzenbauberater des Landratsamts Reutlingen, Wendelin Heilig.
Von Anfang an mit dabei: Landwirt Helmut Holzschuh (r.) und der Pflanzenbauberater des Landratsamts Reutlingen, Wendelin Heilig.Singler
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Wolfgang Sautter hat ein Gespür für Marktentwicklungen. Vor mehr als zwanzig Jahren war für den Bäcker die Zeit reif, den damals ungewöhnlichen regionalen Anbau anzugehen. Bäckermeister Sautter aus Eningen bei Reutlingen wandte sich deshalb an Müllermeister Erwin Luz, zu jener Zeit Inhaber der gleichnamigen Getreidemühle in Münsingen-Buttenhausen im Lautertal. Der Bäcker fragte den Müller nach Landwirten, die Brotgetreide nach seinen Vorstellungen anbauen könnten. Nach einem halben Jahr hatte der Müller einige interessierte Bauern aufgetan, die das Wagnis angehen wollten, direkt mit einem Bäcker zusammenzuarbeiten.

Gegründet wurde die Erzeugergemeinschaft am 19. April 1995 auf dem Rathaus in Gomadingen. Klemens Betz, damals wie heute Bürgermeister der Albgemeinde, wünschte den Gründungsmitgliedern für die Zukunft alles Gute, glaubte aber nicht, dass die Idee Bestand hätte. Die Erzeugergemeinschaft aus Bäckern, einem Müller und Landwirten hatte sich von Beginn an zum Ziel gesetzt, den Konsumenten die größtmögliche Transparenz zu bieten. Bäcker-Kunden sollten erfahren, wo die Zutaten der Backwaren herkommen.

Vom Acker bis in die Backstube ist das Albkorn höchstens 50 Kilometer unterwegs. Gleichzeitig bringt die gemeinsame regionale Produktion und Vermarktung Sicherheit und Mehrwert für alle Beteiligten. Heute hängen allein in den Bäckereien an Albkorn mehr als 200 Arbeitsplätze. Von Anfang an wurde nach den Richtlinien des Qualitätszeichens Baden-Württemberg produziert und verarbeitet. Das bedeutet: integrierter Anbau, lückenlose Dokumentation aller Arbeitsschritte, Verzicht auf Gentechnik und Halmverkürzer, Zertifizierung aller beteiligten Betriebe.

Den Geschmack der Zeit getroffen

Die Albkorn-Idee traf den Geschmack der Zeit. Die Gemeinschaft wuchs. Innerhalb von zehn Jahren traten weitere sieben Bäcker und viele Landwirte der Erzeugergemeinschaft bei. Später erhält die Gruppe Plenum-Fördermittel, etwa für Schautafeln, Messgeräte, Feldschilder und Öffentlichkeitsarbeit. 2007 gibt sich die Gemeinschaft den Slogan „Onser Alb, onser Korn – mei Brot“ und betont auf diese Weise die Verwurzelung in der Region. Seit 2008 gibt es Albkorn zu trinken. Die Berg-Brauerei aus Ehingen-Berg bei Ulm gehört seither zu den Mitgliedern. Sie braut einige ihrer saisonalen Biersorten aus Albkorn-Gerste. Die Erzeugergemeinschaft mit 11 Bäckern, einer Mühle, einer Brauerei und 23 landwirtschaftlichen Betrieben gilt heute als größte Erzeugergemeinschaft ihrer Art in Baden-Württemberg. Weitere Mitglieder sind willkommen.

Waren es zum Start der „Albkörner“, wie sich die Mitglieder selbst nennen, eher Anfeindungen in der Branche, die die Entwicklung behinderten, ist es heute die Sorge um den Nachwuchs. Gelinge es der Branche nicht, mehr junge Leute für den Beruf zu begeistern, werde sich die Albkorn-Vermarktung von selbst erledigen, weil es keine Bäcker mehr gebe, die Brot und Brötchen backen und verkaufen könnten, mahnt Wolfgang Sautter.

Faires Geschäft für Landwirte

Für die Landwirte ist das Geschäftsmodell Albkorn eine faire Sache. Für ihre höheren Aufwendungen erhalten sie mehr Geld als beim Getreideverkauf über den Agrarhandel. Die Getreidepreise für die kommende Ernte werden jedes Jahr einige Wochen vor dem Erntebeginn zusammen mit Müllern und Bäckern ausgehandelt. Beispielsweise im vergangenen Jahr: Während in der Ernte 2014 die Preise für herkömmlichen Brotweizen auf 15 bis 16 Euro je Dezitonne (Euro/dt), ohne Mehrwertsteuer, frei Gosse Landhandel, gefallen waren, erhielten die Albkorn-Landwirte deutlich mehr als 20 Euro/dt.

„Wichtig für uns Landwirte an dem Modell ist, dass wir nicht austauschbar sind“, sagte Helmut Holzschuh in seinem Grußwort. Das gehe, erklärte der ehemalige Vorsitzende des Kreisbauernverbands Reutlingen und Albkorn-Gründungsmitglied, weil sich die Bäcker verpflichteten, ihre gesamten Backmehle von Albkorn zu beziehen. Aus 280 Hektar Brotweizen, -roggen und -dinkel werden 1200 Tonnen Albkornmehl gemahlen. 250 Tonnen Braugerste erhält die Berg-Brauerei.

Um ihre Verbundenheit nach außen zu zeigen, hatten sich die Albkörner extra zum Jubiläum weiße Hemden und Arbeitsjacken angeschafft mit dem Aufdruck: „Albkorn - onser Alb, onser Korn, mei Brot, mei Bier!“ Der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Reutlingen ist ebenfalls Mitglied und Produzent der Erzeugergemeinschaft. Gebhard Aierstock stand aber nicht auf der Rednerliste, sondern saß während des Festakts im Publikum. Zu der Erzeugergemeinschaft hat er eine klare Meinung: „Solche Wertschöpfungsketten bräuchte man mehr im Land.“

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