Milchfrühstück in Neukirch
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Im Laufstall von Martin Bosch stehen 110 Kühe, der Stalldurchschnitt beträgt 8500 bis 9000 kg. Bosch liefert Alpenmilch an die Omira und hat jetzt auch den neuen Festpreis-Vertrag über 32 Prozent der Jahresmenge von 2015 abschließen können, der ab heute für ein Jahr läuft und bei dem der Milchpreis festgeschrieben ist. Damit hat er sich seinen Preis auf niedrigem Niveau gesichert. Gleichwohl gilt auch für ihn: Wie viele seiner Berufskollegen kämpft Martin Bosch mit den derzeitigen Milchpreisen.
Die nächsten Monate werden hart
Die nächsten Monate, spätestens wenn die Pachtzahlungen im November anstehen, wird es auf vielen Betrieben richtig eng. Sie leben heute schon von der Substanz, weil ihre Produktionskosten zu hoch beziehungsweise die Milchpreise zu niedrig sind. „Es ist schon erstaunlich, dass sich viele noch so halten können“, berichtet Martin Heber von der KSK Ravensburg von seinen Erfahrungen als Berater. Es wird gespart an allen Ecken und Enden, sagt Heber, teilweise wird die Altersvorsorge ausgesetzt oder sogar aufgelöst. Man hält sich also irgendwie über Wasser, doch unterm Strich werden so die Probleme in die Zukunft verschoben.
Liquidität auf die Höfe, aber wie?
„Wir müssen unbedingt Liquidität auf die Höfe bringen“, betonte LBV-Vizepräsident Gerhard Glaser. Die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Waldemar Westermayer und Lothar Riebsamen versuchten, Antworten zu geben. Durch die Milchpreisabsenkung, so Westermayer, von rund 10 Cent gehen der Landwirtschaft rund 4,5 Milliarden Euro verloren, Geld, das sich so schnell nicht wieder zurückgewinnen ließe. Gefragt seien viele kleine Schritte, vom Zuschuss für den Berufsgenossenschaftsbeitrag, einer Gewinnglättungsmöglichkeit oder Liquiditätshilfen und Hilfen durch die Bürgschaftsbank bis hin zu dem Versuch einer aktiven Mengensteuerung und dem Aushandeln neuer Verträge mit den Abnehmern. „Unser Ziel ist es, die Erzeuger zu stärken“, so Westermayer, Mitglied des Agrarauschusses im Bund. Westermayer will mit Blick auf die Änderung des Marktstrukturgesetzes wegkommen von der strengen Andienungs- und Abnahmepflicht, um so den Erzeugern und Molkereien mehr Spielräume zu ermöglichen. Gefragt seien flexible Milchmengen, deren Preis sich am Spotmarkt orientiert.
Alle sind jetzt gefordert
Gerhard Glaser warnte vor einer halbherzigen Agrarpolitik. „Wir müssen die Realitäten anerkennen. Eine politische Mengenbegrenzung wird es nicht mehr geben“, so Glaser. Der Staat komme hier immer zum falschen Zeitpunkt, zu volatil und unberechenbar sei der global ausgerichtete Milchmarkt. Deshalb muss die Mengenbegrenzung innerhalb der Wertschöpfungskette stattfinden. Hier seien alle gefordert. Durch Preisdifferenzierung kann man einen kleinen Teil der Milchmenge (variable Milch) herausholen und zur Feinsteuerung verwenden.
Kritik am Liquiditätsprogramm
„Alle Hilfsprogramme bringen einen kleinen Obolus. Gefragt sind aber echte und schnelle Lösungen“, so Martin Heber. Falls sich die aktuelle Situation länger hinziehen sollte, werde dies gravierende Folgen für die Betriebe haben. Scharfe Kritik hagelte es an dem Ende Mai ausgelaufenen europaweiten Liquiditätshilfeprogramm. Ein Jahr tilgungsfrei bei Laufzeiten von nur vier bis sechs Jahren sei viel zu kurz für Betriebe die ihren Kapitaldienst heute schon nicht mehr stemmen können. Das ist aus Sicht des Bankers nur ein Tropfen auf den heißen Stein und eine Farce – so wie wenn es für die 4,5 Milliarden Euro Verlust nur einen Ausgleich von 100 Millionen Euro gibt. Mit diesem angesprochenen Liquiditätshilfeprogramm werde die Kreditwürdigkeit eines Betriebes regelrecht unterminiert und gefährdet. Denn für die Kreditvergabe gibt es klare Richtlinien, die nach Inanspruchnahme des Programms oft nicht mehr erfüllt werden können. Besonders betroffen seien Betriebe, die in den letzten beiden Jahren gebaut haben und die ihre Viehbestände noch gar nicht ganz aufgebaut haben.
Positive Signale vom Markt
Karl Georg Geßler, Geschäftsführer der Bergpracht-Milchwerk GmbH & Co. KG, Tettnang-Siggenweiler, berichtete aktuell von einer Erholung des Milchmarktes. Der Butterpreis ging zum 1. Juli endlich wieder etwas hoch, auch Schnittkäse stieg an und der Spotmarktpreis kletterte jüngst auf 26 Cent. Einen Preisanstieg verzeichnen auch die Pulvermärkte. Insgesamt liege man aber jetzt lediglich wieder leicht über dem Interventionsniveau. Von guten Preisen könne überhaupt keine Rede sein, warnte Geßler. Noch sei es viel zu früh, um abzusehen, ob die Märkte nachhaltig wieder nach oben gehen werden, zeigte sich der Molkereichef zurückhaltend.
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