Wird der Apfelsaft knapp?
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Mehr als zehn Euro für die Dezitonne vertragsfreies Mostobst mit Beginn der Erfassung ab Ende August wäre ein Ausrufezeichen. Vor allem für die vielen privaten Bewirtschafter von Streuobstwiesen außerhalb der Bodenseeregion. Denn sie machen die Mehrzahl der Rohstofflieferanten für den heißgeliebten Direktsaft aus. Landwirtschaftliche Betriebe mit Streuobstwiesen würden von den Ausnahmepreisen stärker profitieren. Sie liefern Mostobst nicht in kleinen Mengen sackweise, sondern in größeren Einheiten per Anhänger. Größere Mengen machen weniger Arbeit bei der Erfassung, sodass den Landwirten in der Regel etwas höhere Preise winken.
Das Ausrufezeichen für die Mostobstpreise gleich zu Saisonbeginn ist gewollt. Denn die Vermarktung ist häufig wirtschaftlich uninteressant. Das Verwertungsobst wird meist so billig gehandelt, dass es die Bewirtschafter auch mal auf der Wiese verrotten lassen. Das soll in diesem Jahr vermieden werden. Verglichen mit dem Jahr 2016 gehen die Fruchtsaftkeltereien in Deutschland von geradezu knappen Mengen aus: „Im Vergleich zum Vorjahr rechnen wir im Bereich Streuobst 2017 mit einem Ernterückgang um rund 65 Prozent auf 250.000 Tonnen Äpfel“, sagt VdF-Geschäftsführer Klaus Heitlinger.
Dieses Jahr gibt es apfelfreie Gebiete
Heitlinger bezieht sich auf die verbandseigene „Bavendorfsche Fruchtbehangschätzung“, die seit 1995 Prognosen für die Ernte der Streuobstäpfel in Deutschland liefert. Rund 80 Ernteschätzer sind dazu jedes Jahr in allen wichtigen deutschen Anbaugebieten ausschließlich auf Streuobstwiesen im Einsatz. Der Nachtfrost im April hat den Obstblüten in den Hauptgebieten des Streuobstanbaus in Süddeutschland laut Verband „extremen Schaden zugefügt, so dass sich vor allem in Baden-Württemberg fast apfelfreie Zonen entwickelt haben“. Die traditionell starken Streuobstgebiete wie der Stuttgarter Raum und Oberschwaben seien in Deutschland am stärksten von den Frösten geschädigt. In Norddeutschland sehe es in den Anbaugebieten etwas besser aus.
Schuld ist nicht nur der Frost
Schuld am knappen Angebot konventioneller Ware ist nicht nur der Frost. Zunehmend spüren die Fruchtsafthersteller die Konkurrenz durch biozertifizierte Ware. Kelterobst mit Vertrag und Biostempel bringt wesentlich mehr Geld: in der Regel doppelt bis dreifach so viel wie am freien Markt mit seinen Tagespreisen. Ob das knappe Angebot bei Mostobst dazu führt, dass in Deutschland der Direktsaft knapp wird, ist offen. Es könnte allerdings sein, dass es weniger Säfte aus regionaler Erzeugung mit dem Qualitätszeichen Baden-Württemberg gibt. Möglicherweise werden mehr Äpfel aus anderen EU-Staaten zu Saft gepresst. Dass das Saftobst komplett zur Neige gehen könnte, glaubt indes niemand. Getreu einer alten Kaufmannsweisheit geht teure Ware nie aus.
Warten auf die Ergebnisse von Prognosfruit
Zurück zum realen Markt: Ein klareres Bild über Angebot und Nachfrage beim Industrieobst dürfte der Prognosfruit-Kongress liefern. Der Fachkongress, der bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe gerade in Spanien tagte, liefert alljährlich aktuelle Schätzungen über Äpfel und Birnen in Europa. Sicher ist anscheinend, dass die Mostobstsaison zumindest mit zweistelligen Preisen starten wird. Und wie hoch? „Die Branche unterhält sich über Einstiegspreise oberhalb von zehn Euro je Dezitonne“, äußerte sich ein Branchenkenner gegenüber BWagrar, der anonym bleiben will.
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