LEH setzt Milchbranche unter Druck
"Milcherzeugung zwischen gesellschaftlichen Anforderungen und den Vorgaben des Lebensmitteleinzelhandels", so lautete das Thema beim diesjährigen Gaildorfer Fachgespräch Milch am 11. Januar. Eingeladen hatte der Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems e. V. Die Gesprächsleitung übernahm der Vorsitzende Jürgen Maurer gemeinsam mit Geschäftsführer Helmut Bleher.
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Dass sich die derzeit positive Lage am Milchmarkt nicht ausreichend in den Erzeugerpreisen widerspiegelt, beschäftigt die Milcherzeuger in diesen Tagen sehr. Angesichts der massiv gestiegenen Produktionskosten auf den Betrieben müssten die Erzeugerpreise eigentlich deutlich mehr anziehen, meinte Dr. Hans-Jürgen Seufferlein, Geschäftsführer des Milcherzeugerverbandes Bayern. Aldi habe diese Woche bei der Vollmilch und bei der fettarmen Variante jeweils für die Varianten Frisch-, ESL und H-Milch als erster Discounter den Preis lediglich um drei Cent pro Liter erhöht. „Zu wenig," findet Seufferlein. Von der Marktentwicklung her wären ihm zufolge zehn Cent gerechtfertigt gewesen.
Bitte keine Ramschpreise
Martin Boschet, Geschäftsführender Vorstand der Hohenloher Molkerei, konnte diese Abschlüsse für seine Molkerei so nicht bestätigen. Er erinnerte daran, dass Verhandlungen über die gesamte Weiße Linie stattfinden, nicht nur allein für Trinkmilch. Boschet berichtete von einem enormen Wettbewerb in der Branche und meist sehr harten Preisverhandlungen, wobei sich die Hohenloher Molkerei nach eigenen Angaben bislang stets gut behaupten konnte. Höhere Lebensmittelpreise insgesamt, wie sie der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert, sieht Boschet durchaus auch kritisch, vor dem Hintergrund, dass sich die Hohenloher Molkerei als hocheffizienter H-Milch und Trinkmilchhersteller sieht und viele Verbraucher preisbewusst einkaufen müssten. „Kein Landwirt will, dass Lebensmittel zum Luxusgut werden,” so Boschet. Dass der LEH Milchprodukte in Aktionswochen teilweise sogar um den halben Preis anbiete, verurteilte Boschet scharf. Wegen solcher Aktionen ginge die Wertigkeit für die Lebensmittel insgesamt verloren. Boschet hob hervor, dass die Molkereien ihrerseits keinen Einfluss auf die Preisgestaltung des LEH hätten. "Der Ladenverkaufspreis hat mit uns nichts zu tun", so Boschet. Und: "Wir geben keine Ramschpreise."
1,2 Cent nicht kostendeckend
Seufferlein erinnerte daran, dass die Haltungsformkennzeichnung im QM-Milch- Programm eine Initiative des LEH war. „Da mussten wir mitmachen.” Dabei soll QM plus nun in die Haltungsformen des Handels mit integriert werden. Ab April 2022 sollen diese Haltungsformen mit auf den Verpackungen der Milchprodukte stehen. In der Branche ist man sehr gespannt, wie das im Einzelnen laufen wird. Vielen Erzeugern und auch Molkereien sei noch nicht bewusst, was auf sie zukommt, warnte Seufferlein. Und: „Da soll viel ausgelobt werden und die Bezahlung ist bescheiden.” Die vom LEH zusätzlich bezahlten 1,2 Cent pro kg vermarkteter Milchmenge jedenfalls seien viel zu wenig.
Gemeinsame Linie gesucht
Seufferlein treibt die Sorge um, dass die Milcherzeuger immer mehr auseinander dividiert werden. Die einen könnten diese höheren Anforderungen heute schon erfüllen, andere allerdings werden dafür erhebliche Investitionen tätigen müssen oder ihre Milcherzeugung komplett einstellen. „Jetzt muss überlegt werden, wie man die Anforderungen am besten stemmen kann. Wir brauchen eine gemeinsame Linie bei den Milcherzeugern“, so Seufferlein. Sonst drohe ein Strukturbruch.
Herausforderungen gemeinsam stemmen
Boschet machte deutlich, dass man sich diesen neuen Anforderungen nicht verweigern könne, wenn man mit dem Handel weiter im Geschäft bleiben wolle. Sein Fazit: „Die Haltungsformen bringen unseren Landwirten keinen Mehrwert. Das ist leider so. Sie sind eine riesige Herausforderung, aber wir werden daran nicht verzagen", ermutigte er die rund 100 Teilnehmer/innen vor den Bildschirmen. Und: "Wir müssen nach vorne schauen", so Boschet. Er zeigte sich überzeugt, dass die nationale Milchproduktion trotz aller Schwierigkeiten eine Zukunft habe.
Hohenloher Molkerei gut aufgestellt
Die Hohenloher Molkerei sei hier gut aufgestellt. Obwohl die Zahl der Milcherzeuger angesichts des Strukturwandels immer weiter zurückgeht, sei es gelungen, neue Mitglieder zugewinnen und sich so auch die Milchmengen für die kommenden Jahre zu sichern. Er warb auch nochmals eindringlich dafür, sich einen Teil der Milchmenge abzusichern. "Die Hohenloher Molkerei ist in Süddeutschland die einzige Molkerei, die ihren Milcherzeugern eine funktionierende Milchpreisabsicherung über die Warenterminbörse bieten kann", so Boschet. Für den Mai würden hier 46,9 Cent notiert (bei 4,0 Prozent Fett und ohne Mengenzuschlag und ohne Qualitätszuschlag). Ob die von den Landwirten über die Molkerei angebotenen Milchmengen tatsächlich zu diesen Preisen verkauft würden, entscheide sich schlussendlich an der Börse. Derzeit jedenfalls gebe es hier die höchsten Preise, seit die Molkerei diese Absicherung anbietet. Boschet geht davon aus, dass dieses Instrument zur Preisabsicherung künftig noch mehr genutzt werde. Auch für die Molkerei selber seien die Kostensteigerungen 2021 enorm gewesen, vor allem die Energiekosten, Strom und Sprit, seien nach oben geschnellt. "Die Logistik ist ein Desaster", so Boschet. Bei den Verpackungen seien die Preise gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent gestiegen.
Insgesamt zu wenig Milch
Die Milchmengen insgesamt jedenfalls seien weiterhin extrem knapp, berichteten Seufferlein und Boschet. Am Spotmarkt hätte man mit freier Milch im vergangenen Herbst gutes Geld verdienen können, falls man welche gehabt hätte. Bei der Hohenloher Molkerei sei das aber kaum der Fall gewesen. "Wir mussten Gott sein Dank keine Milch zukaufen", ist Boschet erleichtert. Er geht davon aus, dass die Anlieferungsmengen ab dem zweiten Halbjahr 2022 auch wieder steigen dürften. Seufferlein zeigte sich nach den Erfahrungen 2021 und angesichts der Tatsache, dass viele Anbindehalter womöglich schneller als gedacht aus der Erzeugung aussteigen müssten, eher skeptisch. "Wir haben in Bayern eine Unterlieferung. Die Rückgänge werden durch Biomilch kompensiert", so Seufferlein. Mittlerweile komme mehr Milch aus Niedersachsen als aus Bayern. Mit diesen Rückgängen hätte keiner gerechnet.
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