20 Jahre Württemberger Lamm
„20 Jahre Württemberger Lamm bei der Edeka Südwest GmbH – Verantwortung für unsere Umwelt“: Unter diesem Titel stand die Diskussion im „albgut“ im Rahmen der Regionalmesse Schön & Gut in Münsingen, zu der die Baden-Württembergische Lammfleischerzeugergemeinschaft e. V. eingeladen hatte. Unter der Leitung von Iris Goldack vom Reutlinger Generalanzeiger ging es um 20-jährige Vermarktungserfahrungen und um einen Blick in die Zukunft.
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"Paragraf eins: Einfach machen!“ So lautet das Erfolgsrezept von Jürgen Mäder, das er im Laufe der knapp einstündigen Diskussion immer wieder deutlich machte, bei dem Versuch, die Stimmung bei der Gründung der Marke vor 20 Jahren mit auf das Podium zu übertragen. „Zu den ersten Gesprächen bin ich einfach losgefahren, was heute in einem Konzern mit 10 Mrd. Euro Umsatz und 40.000 Mitarbeitern längst nicht mehr so einfach ist“, meinte Mäder. Verabredet war er 2003 im Rahmen des Landwirtschaftlichen Hauptfestes mit Ulrich Rothweiler an einem Imbiss-Stand. Rothweiler war schon damals bei der Viehzentrale Südwest GmbH für die Lämmervermarktung zuständig. „Wir haben uns ausgetauscht, ohne detaillierte Marktanalyse und es dann einfach gemacht. Ich hatte keinen Markt dafür“, so Mäder. Lammfleisch kam schon aus Neuseeland, es gab die anderen Fleischsorten von Schwein, Rind und Geflügel. „Gleichwohl haben wir einen Markt generiert und sind jetzt 20 Jahre erfolgreich unterwegs“, so Mäder vor den zahlreichen Tierhaltern und Gästen auf der Messe, darunter der Münsinger Bürgermeister Mike Münzing sowie Gebhard Aierstock, Vorsitzender des KBV Reutlingen.
Von der Wolle zum Fleisch
Ursprünglich kommen die Merinoschafe, aus denen heute das Lammfleisch erzeugt wird, aus dem Atlasgebirge in Nordafrika. Sie kamen im 12. Jahrhundert erstmals nach Spanien und erst im 18. Jahrhundert nach Deutschland. Dabei ging es um die Wolle. Das Fleisch war zweitrangig. Wie Ulrich Rothweiler erzählt, wurde das Lammfleisch der Schäfer im Land erstmals in den 1970er-Jahren verstärkt nachgefragt – zunächst nur saisonal, später das ganze Jahr über. Mit den Gastarbeitern, die damals nach Deutschland kamen und der verstärkten Reiselust der Deutschen in den Süden landete auch hierzulande das Lammfleisch immer öfter auf dem Speiseplan. Rothweiler hatte damals schon die ersten Reisen organisiert in Länder, wo man sich Schafhaltung anschauen konnte. Es wurden Erzeuger und Schlachthöfe besucht. „18.000 Lämmer im Jahr wie bei uns, dies machten die Iren in 14 Tagen. Da war schnell klar, dass in Irland das Schaffleisch einen ganzen anderen Stellenwert hat“, so Rothweiler.
Start gelingt mithilfe der MBW und CMA
Die drei Väter des Württemberger Lamms seien Bernd Hermann von der Frisch Lamm GmbH in Stuttgart, Ulrich Rothweiler, und Bruno Krieglstein vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR). Krieglstein, beim MLR Leiter des Referats Vermarktung, Marketing, Ernährungswirtschaft, war damals für die Marketinggesellschaft Baden-Württemberg mbH (MBW) tätig, als Rothweiler und Hermann wegen der Lammfleischvermarktung erstmals bei ihm anklopften. Mithilfe der damals noch existierenden CMA (Centrale Marketinggesellschaft der Deutschen Agrarwirtschaft) wurde das Projekt aus der Taufe gehoben. „Zunächst sind wir mit der Fleischerinnung gestartet, haben dann aber schnell gesehen, dass die Edeka als großer Lebensmitteleinzelhändler der bessere Partner ist“, erinnerte Krieglstein an die Anfänge.
Filigrane Aufbereitung
Die große Herausforderung war Krieglstein zu Folge die Fleischqualität. Mit der Uni Hohenheim wurde ein Forschungsprojekt gestartet, bei dem Merinoschafe mit fünf verschiedenen Rassen gepaart und danach über 1600 Lämmer ausgewertet wurden, um zu schauen, welche Verbesserungen in der Zucht möglich sind. Heute zählt die Erzeugergemeinschaft Württemberger Lamm 135 Mitglieder, darunter 32 Jungschäfer und 80 Betriebe, die Tiere für das Programm liefern. Nach dem Start mit halben Schlachtkörpern, grob zerlegt, hat Edeka nun seit vielen Jahren mit der Baumann GmbH & Co. KG, einem Schlacht- und Zerlegebetrieb aus Viernheim, einen starken Partner an der Seite. So sei man in der Lage, einzelne Teilstücke, wie leckere Lammkotletts, als regionales Lammfleisch in den Edeka-Märkten anzubieten. Die VZ vermarktet heute insgesamt rund 80.000 Lämmer, davon etwa 18.000 Tiere für das Qualitätsfleischprogramm. Der Lebensmittelhändler will Produkte aus der Region generieren. „Wir müssen raus zu den Schäfern, wir brauchen die Geschichten vor Ort, um unser Produkt glaubhaft verkaufen zu können. Es geht um Menschen, Familien und mehrere Generationen, die dahinterstehen“, erläuterte Axel Lienhard, Projektleiter bei Edeka Südwest Fleisch. Sein Ziel: „Die Leute müssen sehen, was da alles dahintersteckt. Das ist wirklich unglaublich. Wir als Edeka wollen das transparent nach außen tragen.“
Schafhalter sind in Bedrängnis
Der Vorsitzende der baden-württembergischen Erzeugergemeinschaft (EZG) BW Lamm, Ernst Fauser, machte deutlich, dass es nicht das Ziel sei, weiterzuwachsen. „Für mehr Wachstum fehlt uns die Perspektive“, so Fauser. Fauser ist Schäfer in sechster Generation. Geschlachtet würden die Lämmer keineswegs wenige Wochen nach der Geburt oder nur zu Ostern, sondern das ganze Jahr über. Lämmer, die zum Beispiel an Ostern geschlachtet werden, wurden jetzt im Oktober bereits geboren, damit sie ihr Schlachtgewicht von mindestens 40 bis 50 kg erreichen, erläuterte Fauser. Ein Mutterschaf wird rund zehn Jahre alt, bei im Schnitt drei Geburten alle zwei Jahre. Etwa ein Drittel der Schafe bekommt Zwillinge. Nicht gut zu sprechen ist Fauser auf die Politik: „Viele von uns stehen vor dem Aus, weil wir die GAP-Direktzahlungen und die Ausgleichszulage nicht rechtzeitig bekommen. Wir haben keine Rücklagen mehr, müssen Pacht und Versicherungen zahlen und sitzen auf dem Trockenen. Jetzt dürfen wir zur Bank, um uns Geld zu leihen. Das kann es nicht sein“, kritisierte Fauser.
Gemeinsam an einem Strang
Staatssekretärin Sabine Kurtz bestätigte, dass es derzeit mit der Auszahlung der GAP-Direktzahlungen wegen technischer Probleme „hapert“, wie sie sagte. Die Staatssekretärin hob die Bedeutung des Qualitätszeichens Baden-Württemberg hervor, das auch das Württemberger Lamm trägt. Im MLR sei man dankbar, wenn die Wirtschaft bei Vermarktungsprojekten mit im Boot sitzt und diese aus Überzeugung mit vorantreibt. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, wie brüchig die Lieferketten sein können und wie wichtig unsere eigene Lebensmittelerzeugung und unsere Wertschöpfungsketten sind. Kurtz verwies auf die Bedeutung der Schafhaltung für das Offenhalten der Landschaft, für mehr Biodiversität, aber auch für den Tourismus. „Das alles spielt mit rein. Und das findet sich nicht im Fleischpreis wieder. Deswegen würde ich mich freuen, wenn wir das ganze Tier vermarkten könnten“, so Kurtz.
Ausblick
Zum Schluss bekräftigten alle Partner, die Vermarktung künftig weiter gemeinsam voranzubringen. Mäder treibt die Sorge um, dass es in den Märkten künftige weniger Bedientheken gibt, was den Verkauf des Spezialitätenfleischs erschwert. Rothweiler betonte, dass das Württemberger Lamm von Beginn an ein Kooperationsprojekt war. Und genau das sei die Stärke des Projekts. Für Axel Lienhard, Projektleiter bei Edeka Südwest Fleisch, ist die Marke absolut zukunftsfähig. Genuss und nachhaltige Landwirtschaft seien die Grundlage dafür.
Danke an Ulrich Rothweiler und die Schäfer
Im Anschluss an die Diskussion bedankte sich Jürgen Mäder bei den Schäfern für die tolle Zusammenarbeit. „Das war kein Selbstläufer“, so Mäder. Sein besonderer Dank ging an Ulrich Rothweiler (63), der Ende Januar 2024 in den Ruhestand gehen wird und im Rahmen der Veranstaltung feierlich und sehr emotional von der Edeka und von der Erzeugergemeinschaft verabschiedet wurde. In der Laudatio würdigte ihn Mäder als „Mister Württemberger Lamm“ und bedankte sich für seinen unermüdlichen Einsatz für das regionale Lamm. Rothweiler kommt aus der Gemeinde Albershausen bei Göppingen und hat 1987 bei der VZ angefangen.
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