Landwirtschaft steht vor großem Umbruch
Der vom Weltklimarat IPCC veröffentlichte Sonderbericht zur Landnutzung rückt den Agrarsektor beim Kampf gegen die Erderwärmung in den Fokus. Laut dem Bericht muss der globale Ackerbau deutlich nachhaltiger werden. Zum Beispiel sollten wesentlich weniger klimaschädliche künstliche Düngemittel eingesetzt werden und über vielfältigere Fruchtfolgen erheblich mehr CO₂ im Boden gebunden werden.
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„Die nationalen Klimaschutzpläne müssen im Bereich Landwirtschaft kurzfristig, also mit erheblicher Wirkung schon vor dem Jahr 2030, verschärft werden“, sagt Sabine Fuss vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change). Sie war eine Leitautorin beim 2018 veröffentlichten IPCC-Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel. Dieses sieht vor, die Erderwärmung auf maximal anderthalb Grad über dem Niveau des vorindustriellen Zeitalters zu begrenzen. So sollen die Schäden durch Extremwetterereignisse in vertretbaren Grenzen gehalten werden.
„Wenn die rasche Wende in der Landwirtschaft nicht gelingt, kann es zu erbitterten Kämpfen um Landnutzung kommen“, sagt Fuss. „Man muss dann das CO₂ in so großem Umfang wieder aus der Atmosphäre entnehmen, beispielsweise durch Aufforstung oder durch Anbau von Biomasse für Bioenergie, dass dies dann auf Kosten anderer Aspekte geht, wie ausreichende Nahrungsmittelversorgung oder auch natürliche Artenvielfalt.“
Ein Weckruf an die EU
Nach Einschätzung von Felix Creutzig, dem Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport, ist der neue IPCC-Bericht politisch betrachtet „ein Weckruf an die EU“. Denn die von Brüssel aus gesteuerte Gemeinschaftliche Agrarpolitik setze systematisch falsche Anreize. „Die proportional zur bewirtschafteten Fläche gewährten Direktzahlungen benachteiligen auf Nachhaltigkeit bedachte Kleinbetriebe im Wettbewerb mit der landwirtschaftlichen Großindustrie.“ Im Jahr 2017 machten diese Zahlungen 69 Prozent des gesamten EU-Agrarhaushalts aus. Nach den Reformplänen der EU-Kommission solle der Anteil bis 2027 sogar auf 73 Prozent steigen. Zudem sei das Ordnungsrecht mangelhaft: „Wer gegen gute landwirtschaftliche Praktiken verstößt, hat in der EU nur mit schwachen Sanktionen zu rechnen.“
Lebensstile haben massiven Klima-Einfluss
Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang aber auch Konsumgewohnheiten, sagt Creutzig. Er ist als Koordinierender Leitautor für den IPCC tätig. „Insbesondere Rindfleisch hat einen sehr großen Fußabdruck an Treibhausgas-Emissionen“, betont er. Generell schätze der Weltklimarat den Einfluss von Lebensstilen auf die Klimabilanz als besonders hoch ein – und damit auch die Chancen durch moderne Ernährungstrends. „Zum Beispiel reduziert die sogenannte Mittelmeerdiät, basierend auf Linsen, Erbsen, Gemüse, Olivenöl und etwas Fisch, den Fußabdruck sehr stark und ist gleichzeitig sehr gesund“, sagt Creutzug. Auch hier könne der Staat zielgerichtet Anreize setzen, etwa bei der Mehrwertsteuer: „Fleisch- und Milchprodukte sollten nicht länger über den ermäßigten Satz von 7 Prozent subventioniert werden.“
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