Winterbraugersten auf dem Prüfstand
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Nach wie vor dominiert die Sommergerste den Braugerstenmarkt. 2022 wurde in Baden-Württemberg ein Flächenzuwachs von 28 Prozent auf 64.000 Hektar (ha) verzeichnet. Wegen der milden Winter werden auch Sommergerstensorten zunehmend bereits im Herbst angebaut. In diesem Jahr wird die Fläche von Sommergerste im Herbstanbau bundesweit auf rund 25.000 Hektar geschätzt.
Zwischenzeitlich hat sich Winterbraugerste als Rohstofflieferant etabliert. Am gefragtesten bei Mälzereien und Brauereien ist die Sorte KWS Somerset, gefolgt von der mehrzeiligen Sorte KWS Faro. Die übrigen Winterbraugersten werden – trotz guter Qualitäten – von der abnehmenden Hand kaum nachgefragt. Aktuell stehen in Deutschland 14 speziell auf Braueignung geprüfte Wintergerstensorten zur Auswahl, die sich ertrags- und qualitätsstabil präsentieren und eine Alternative zur Sommergerste sind. Stimmen die Preisaufschläge gegenüber der Winterfuttergerste, ist aus wirtschaftlicher Sicht der Anbau von Winterbraugerste allemal attraktiv. Wer sich für Winterbraugerste entscheidet, sollte im Vorfeld unbedingt Abnahme-, Preisgarantie und Sorte auf Vertragsbasis absichern.
Winterbraugerste wird in Baden-Württemberg seit 2019 in eigenständigen Landessortenversuchen (LSV) an fünf Standorten geprüft. Parallel stehen auf diesen Standorten auch die mehr- und zweizeiligen Winterfuttergersten und – mit Ausnahme von Kraichtal – die Sommergerste zur Sortenprüfung. Ertrag und Qualitäten können so unmittelbar miteinander verglichen werden.
Die Brauqualität stimmt
Im Durchschnitt der letzten drei Jahre lagen die Winterbraugersten mit 78 dt/ha circa 10 dt/ha hinter den Winterfuttergersten. Bei den Kleinmälzungsergebnissen können sich die Winterbraugersten mit den Sommergersten messen: Die geforderten Brauqualitäten wurden im Schnitt der Jahre erreicht. Lediglich bei Ausbeute, Extraktgehalt und Viskosität liegt die Winterbraugerste geringfügig hinter der Sommerbraugerste. Besonders hinsichtlich sicherer Proteinwerte hat sich die Stickstoff-(N)-Düngungsstrategie (etwa 30 kg N weniger als in den LSV Winterfuttergersten) bewährt. Gerstenversuche werden zweifaktoriell aufgestellt: In der reduzierten Variante V1 wird auf Wachstumsregler und Fungizide verzichtet, in der integrierten Variante werden die ortsüblichen Pflanzenschutzmaßnahmen durchgeführt. Beide Intensitäten werden zweifach wiederholt.
Geringer Krankheitsdruck
Die Aussaat erfolgte Ende September bis Mitte Oktober. Der Feldaufgang war durchweg homogen und Mängel vor und nach dem Winter gab es kaum. Die Dünge- und Pflanzenschutzmaßnahmen konnten termingerecht durchgeführt werden. Das Frühjahr war, mit Ausnahme der starken Niederschläge im April, sehr trocken und strahlungsintensiv und führte zu einer deutliche Reduktion der Bestockungstriebe. Witterungsbedingt war der Krankheitsdruck gering. In Kraichtal dominierte der Zwergrost und das mit deutlicher Sortendifferenzierung. Rhynchosporium trat in Boxberg etwas stärker in Erscheinung. Mehr oder weniger starken Befall mit Ramularia gab es ab Anfang Juni auf allen Standorten. Zum Ende der Vegetation wurde vermehrt Halm- und Ährenknicken verzeichnet. Die Ernte erfolgte im Durchschnitt acht bis zehn Tage früher als im vergangenen Jahr.
Vier der fünf baden-württembergischen Versuche kamen in die Auswertung. Der Standort Orschweier wurde wegen starker Lücken in den Parzellen nicht verrechnet. Ein- und mehrjährig fließen auch die Ergebnisse der rheinland-pfälzischen LSV mit ein.
Im Jahr 2022 lag der Durchschnittsertrag über alle Standorte im Schnitt in V2 bei 93 dt/ha und in V1 bei 84 dt/ha. Den Höchstertrag erzielte der Standort Nomborn in Rheinland-Pfalz mit 113 dt/ha (V2) beziehungsweise 95 dt/ha (V1). Ertragsstärkster baden-württembergischer Standort war Boxberg mit 95 dt/ha (V2) und 85 dt/ha (V1). Die Hektolitergewichte erreichen bei allen Sorten ausgezeichnete 69 kg. Die Sortierung (> 2,5 mm) mit 97 % liegt weit über der Mindestanforderung der aufnehmenden Hand. Entsprechend hoch fällt der Vollgerstenertrag mit durchschnittlich 91 dt/ha aus. Die Tausendkornmasse kommt auf 52 g. Zu Rohproteingehalt und Kleinmälzungsergebnissen liegen aktuell noch keine Werte vor.
Beobachtungen aus den LSV |
Die Zahlen sind Mittelwerte über die ein- und mehrjährigen LSV-Standorte:
* Skala 1-9: je höher die Note, desto negativer die Merkmalsausprägung |
Die Sorten im Überblick
KWS Donau zeigt – mit Ausnahme des Standortes Bönnigheim – 2022 und mehrjährig gute Erträge. Standfestigkeit und Strohstabilität sind durchschnittlich. Bis auf einen stärkeren Ramulariabefall (5,1) hat die Sorte eine mittlere Blattgesundheit. Hervorzuheben ist die höchste TKM mit 56 ?g und – aufgrund der hervorragenden Sortierung (98 %) – der hohe Vollgerstenertrag von 93 dt/ha (BSL 9). In den Brauqualitäten liegt die Gerste laut BSL leicht hinter KWS Somerset.
KWS Faro ist derzeit noch die einzige mehrzeilige Wintergerste, die auf Braueignung geprüft ist. Ein- und mehrjährig ist die Sorte in beiden Varianten mit deutlichem Abstand die ertragsstärkste. KWS Faro schiebt die Ähren früh, ist standfest (2,8) und hat eine gute Ährenstabilität (2,5). Bei den Blattkrankheiten zeigt die Sorte 2022 einen stärkeren Befall mit Ramularia (5,3) und Zwergrost (2,8). Bemerkenswert ist der hohe Vollgerstenanteil von 97 dt/ha. Die TKM ist mit 45 g relativ niedrig. Die Braueigenschaften sind laut BSL und Kleinmälzungsergebnisse als durchschnittlich einzustufen.
Das Ertragspotential von KWS Liga ist in beiden Varianten leicht unterdurchschnittlich einzustufen. Die Sorte ist langstrohig mit einer mittleren Stroh- und Ährenstabilität. Mit Ausnahme einer stärkeren Anfälligkeit für Rhynchosporium (3,8) ist KWS Liga durchschnittlich blattgesund. Bei Ramularia zeigte die Sorte im Jahr 2022 wenig Befall (3,9). Der Vollgerstenertrag liegt mit 88 ?dt/ha im unteren Bereich. Laut BSL hat die Sorte gute Malz- und Brauparameter.
KWS Somerset ist aufgrund ihrer sehr guten Malz- und Brauqualitäten die Nummer eins der Winterbraugersten. In Hinsicht auf Ertrag platziert sich die Sorte ein- und mehrjährig im unteren Mittelfeld. Standfestigkeit, Halm- und Ährenstabilität sind durchschnittlich, die Toleranzen bei Ramularia (3,5) und Netzflecken (2,9) sind gut. Eine Top-Kornsortierung (98 %) und ein sicherer Vollgerstenanteil (91 dt/ha) zeichnen die Sorte aus. KWS Somerset ist die Bezugssorte des BSA für die Einstufung kommender Winterbraugersten.
Lyberac ist die Winterbraugerste mit dem höchsten Malzextraktgehalt (BSL 5) und einer hohen TKM (54 ?g). Standfestigkeit (5,1), Halm- (5,3) und Ährenstabilität (3,6) sowie Blattgesundheit, vor allem bei Mehltau, sollten rechtzeitig abgesichert werden. In der behandelten Varianten kommt die Sorte auf einen durchschnittlichen Ertrag. Mit einem Hektolitergewicht von 70 kg wird die gute Einstufung in der BSL (7) bestätigt. Lyberac hat gute Brauqualitäten, allerdings ist die Viskosität, wie bei KWS Faro, sehr hoch.
Die neue EU-Sorte Suez EU wurde von der Sortenkommission nach zweijähriger Prüfung zur Aufnahme in die LSV 21/22 empfohlen. Die Winterbraugerste ist kurzwüchsig, standfest (2,3), hat eine gute Halm- (4,3) und Ährenstabilität (2,6) sowie eine ausgewogene Blattgesundheit. 2022 und mehrjährig erreicht Suez im Ertrag das Mittelfeld. Der Vollgerstenertrag liegt 2022 bei 88 dt/ha. Laut Züchter hat Suez sehr gute Malz- und Braueigenschaften und ist von der Brauindustrie bereits als Winterbraugerste akzeptiert.
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