Robust und beliebt
Obwohl der Bedarf an Hafer kontinuierlich steigt, schlug sich das im Anbauumfang 2022 in Baden-Württemberg nicht nieder.
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Gegenüber dem Vorjahr ist die Haferfläche in Baden-Württemberg spürbar um 10 Prozent gesunken und erreichte zur Ernte etwa 18.400 ha. Auch die Vermehrungsfläche reduzierte sich von 570 ha 2021 auf 450 ha. Mit den Hafererträgen kann man dagegen landesweit mehr als zufrieden sein. Durchschnittlich wurden 57 dt/ha geerntet, was deutlich über dem langjährigen Mittel von 49 dt/ha liegt (Quellen: Gemeinsamer Antrag 2022; statistisches Landesamt BW; Saatgutanerkennungsstelle LTZ). Offensichtlich kam der Hafer mit den extremen Wetterbedingungen 2022 gut zurecht.
Die Prüfstandorte Baden-Württemberg werden mit den Standorten der angrenzenden Bundesländer Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz auf der Basis der reduzierten Variante - Verzicht auf Fungizide und Wachstumsregler - verrechnet, da die Haferversuche in Baden-Württemberg nur einfaktoriell angelegt sind.
Frühe Aussaat, ungewöhnlich frühe Ernte
Der Hafer für die Landessortenversuche wurde 2022 bereits früh Anfang März ausgesät, der letzte von zwölf Versuchen Ende März in Markersreuth (Bayern). Der Feldaufgang erfolgte aufgrund der sonnigen, aber anhaltend kühlen und trockenen Witterung erst etwa drei Wochen später. An den meisten Standorten reichte die Wasserversorgung knapp aus für eine gleichmäßige Vegetation. Die Ernte war wegen hitzebedingter schneller Abreife ungewöhnlich früh. Zum Teil war das Stroh zum Erntezeitpunkt noch grün. Anfang August waren alle Versuche beerntet. Vereinzelt gab es Lager und stärkeres Halmknicken. Insgesamt waren die Bestände gesund. An drei Standorten gab es Infektionen mit dem Gelbverzwergungsvirus, die sich nicht ertragsrelevant auswirkten.
Der Durchschnittsertrag über alle Standorte lag 2022 mit 73 dt/ha etwas höher als im Vorjahr (70 dt/ha). Mit Ausnahme von Krauchenwies zeigten sich die baden-württembergischen Standort sehr ertragsstark. Tailfingen erntete hervorragende 98 dt/ha über alle Sorten. Der Ertrag in Döggingen lag mit 84 dt/ha fast 20 dt/ha über dem Ernteergebnis von 2021. Frühes Lager, Auswuchs und Unwetter in Krauchenwies bedingten den verhältnismäßig geringen Durchschnittsertrag von 69 dt/ ha. Das schwächste Ergebnis wurde am oberbayerischen Standort Straßmoos mit 48 dt/ha erzielt. Hier litten die Haferversuche extrem unter Trockenheit und Hitze. Die notreifen Parzellen wurden bereits am 14. Juli 2022 beerntet.
Apollon ist nach wie vor die bedeutendste Hafersorte in Baden-Württemberg, auch wenn sich die Vermehrungsfläche vom Vorjahr mit 275 ha um 40 Prozent auf 160 ha 2022 reduziert hat. Die Vermehrungsflächen von Lion mit 115 ha deuten darauf hin, dass sich die Sorte 2023 in der Praxis weiter etablieren wird.
Sortenbeschreibungen Sommerhafer 2022
Der langjährig geprüfte Hafer Apollon wurde bereits 2014 zugelassen. Mittlerweile liegen die mehrjährigen Kornerträge unter dem Durchschnitt. 2022 überrascht die Sorte am Standort Eiselau mit 103 Prozent relativ als ertragsstärkstes Prüfglied. Der langwüchsige Hafer ist strohstabil im Hinblick auf Stand- und Knickfestigkeit. Apollon zeichnet sich auch 2022 durch eine sehr gute Sortierung aus. Die Tausendkornmasse (TKM) ist hoch eingestuft (BSL 8). Die Anfälligkeit für Mehltau sollte beachtet werden. In Baden-Württemberg ist Apollon nach wie vor die wichtigste Sorte im Praxisanbau.
Die Relativerträge von Delfin liegen über die Prüfstandorte 2022 weit auseinander: 104 Prozent in Krauchenwies, 96 Prozent in Eiselau. Insgesamt erreicht die Sorte einen Durchschnittsertrag von 98 Prozent relativ. Mehrjährig liegen die Kornerträge höher. Die Sorte besitzt eine gute Standfestigkeit und eine sehr gute Halmstabilität. Bei Mehltautoleranz ist Delfin in der BSL mit der Bestnote 1 beurteilt. Schwachpunkt von Delfin ist eine ungleichmäßige Korn- und Strohabreife. Mit der BSL-Einstufung von 3 bei Spelzenanteil und 4 bei Anteil nicht entspelzter Körner eignet sich Delfin vorrangig für die Futternutzung.
Der frühreife Hafer Fritz gehört 2022 zu den ertragsstärksten Prüfsorten. Mit Ausnahme von Eiselau (98 Prozent) erreicht Fritz mit 102?Prozent ein hohes Ertragsniveau. Mehrjährig bleiben die Erträge überdurchschnittlich. Die Sortierleistung ist sehr gut. Deutliche Probleme gibt es mit der Standfestigkeit und Halmstabilität. Korn- und Strohabreife erfolgen relativ gleichmäßig.
Lion hat sich bundes- und landesweit als zweitwichtigste Hafersorte etabliert. Ein- und mehrjährig kommt die Sorte auf ein leicht unterdurchschnittliches Ertragsniveau. Lion überzeugt als sehr standfest und halmstabil mit der besten Agronomie. Die geringe Mehltauresistenz spielt 2022 in den LSV keine Rolle, sollte aber beachtet werden. Lion eignet sich wegen des außergewöhnlich geringen Spelzanteils (BSL 1) und der guten Entspelzbarkeit (2) optimal für die Schälhaferproduktion.
Magellan gehört zu den ertragsstärksten Hafersorten: mit 102 Prozent relativ im Jahr 2022 und 103 Prozent relativ mehrjährig sind die Kornerträge beachtlich. Die Sorte ist langwüchsig mit einer durchschnittlichen Standfestigkeit und Halmstabilität. Die Sortierung ist etwas schwächer als das Versuchsmittel. Das hohe Hektoliter(hl)-Gewicht liegt auf dem Niveau der Sorte Max. In der BSL ist der Spelzenanteil mit 3 und der Anteil nicht entspelzter Körner mit 4 eingestuft.
Max bleibt bundesweit die am häufigsten angebaute Hafersorte. 2022 präsentiert sich Max über die Prüfstandorte relativ harmonisch und kommt auf ein durchschnittliches Ertragsniveau. Der früh abreifende Hafer punktet mit einem hohen hl-Gewicht, einem geringen Spelzenanteil und einer gleichmäßigen Korn- und Strohabreife. Trotz kurzem Wuchs ist das erhöhte Lagerrisiko zu beachten. Auch bei der Halmstabilität zeigen sich Schwächen. Max findet Verwendung als Schäl- und Futterhafer.
Die Neuzulassung Platin bringt es ein- und mehrjährig auf einen Relativertrag von 101 Prozent. In Krauchenwies präsentiert sich die Sorte 2022 mit 105 Prozent als ertragsstärkster Hafer. Die agronomischen Eigenschaften wie Stand- und Halmstabilität sind gut bis durchschnittlich, die Korn-Stroh-Abreife gleichmäßig. Dem früh abreifenden Hafer wird eine gute Mehltauresistenz und ein geringer Spelzanteil bescheinigt.
Rex fällt 2022 durch seine heterogenen Ertragsleistungen auf: Am bayerischen Standort Markersreuth ist Rex mit 109 Prozent relativ die ertragsstärkste Sorte. In Krauchenwies kommt der Hafer auf gerade mal 93 Prozent relativ. Insgesamt bleibt die Ertragsleistung, auch mehrjährig, leicht unterdurchschnittlich. Rex besticht durch eine sehr gute Sortierung, eine gute Mehltauresistenz (BSL 4) und einen geringen Spelzenanteil. Negativ sind die hohe Lageranfälligkeit und die starke Neigung zu Halmknicken. Wegen des hohen Anteils nicht entspelzbarer Körner (BSL 6) dient der Hafer vorrangig zur Futternutzung.
Empfehlungssorten 2023: Apollon, Delfin, Lion, Max
Den Versuchsbericht Hafer 2022 und weitere Informationen zu Hafer finden Sie unter www.ltz-augustenberg.de.
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