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Bauerntag Heilbronn-Ludwigsburg

Hitzige Diskussion über Pflanzenschutz

Agrarpolitik und besonders Pflanzenschutz bewegen die Gemüter. So kam es zu einer lebhaften, teils hitzigen Diskussion beim Bauerntag Heilbronn-Ludwigsburg am Freitag, 15. Februar 2019, in der Turn- und Festhalle Schwieberdingen (Landkreis Ludwigsburg). Referiert hatten Karsten Schmal, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), und Reinhold Gall, Mitglied des Landtags (MdL)von der SPD.
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Reinhold Gall MdL (links) spricht zur Zukunft des Pflanzenschutzes, Vizepräsident Karsten Schmal (rechts) vom Deutschen Bauernverband (DBV) zur Agrarpolitik. Da ist beim Bauerntag in Schwiederdingen für Gesprächsstoff gesorgt, freut sich Vorsitzender Eberhard Zucker.
Reinhold Gall MdL (links) spricht zur Zukunft des Pflanzenschutzes, Vizepräsident Karsten Schmal (rechts) vom Deutschen Bauernverband (DBV) zur Agrarpolitik. Da ist beim Bauerntag in Schwiederdingen für Gesprächsstoff gesorgt, freut sich Vorsitzender Eberhard Zucker.Krehl
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Schwieberdingen (Landkreis Ludwigsburg), 15. Februar 2019

Bauerntag Heilbronn-Ludwigsburg

Reinhold Gall für konstruktiven Dialog beim Pflanzenschutz – Karsten Schmal fordert Klarheit über die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)

 


Fünf Minuten vor 16 Uhr. Zweieinhalb Stunden Bauerntag haben die Zuhörer hinter sich. Ein undankbarer Zeitpunkt für ein sensibles Thema. Reinhold Gall spürt es. Tapferen Schrittes erklimmt er die Bühne. Über die Zukunft des Pflanzenschutzes soll der frühere Innenminister von der SPD reden. Das Neumitglied des Landtags-Ausschusses für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz schreitet zum Mikrofon. Mit lauter Stimme legt Gall zum Pflanzenschutz los, bei dem viele Bauern den Zeiger bereits fünf vor Zwölf stehen sehen.

 

Wachsende Kluft

Gall sieht beim Pflanzenschutz unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen. Das sei schwierig, eine differenzierte Haltung einzunehmen. Der SPD-Mann will es dennoch tun. Er sieht die Kluft zwischen den Interessen der Verbraucher der Landwirte gerade bei diesem Thema größer werden. Er spricht von „Vertrauenskrise“ und beobachtet das Verhalten beim Einkauf: „Die Kritik am Pflanzenschutz nimmt zu, nicht dagegen der Preis, den die Landwirte für ihre Produkte brauchen.“

Den Spiegel vorhalten

Es sei wichtig, den Menschen zurückzuspiegeln, was jeder für den Naturschutz tun kann, für Artenvielfalt, beispielsweise durch entsprechende Anlage der Vorgärten. Für Insektenschutz sei nicht allein die Landwirtschaft verantwortlich. Zumal die Landwirte selbst hohes Interesse an einer intakten Umwelt, an der Vielfalt der Arten hätten. Vielmehr gebe es zahlreiche andere Einflussfaktoren wie beispielsweise die Lichtverschmutzung.

Für konstruktiven Dialog

„Wir brauchen bei solchen Themen die Diskussion, jedoch untereinander eine andere, nicht verletzende Rhetorik“, spricht sich Gall für konstruktiven Dialog und Meinungsvielfalt aus. Es sei jedoch nicht nur hier, um Wohlgefallen auszulösen: „Trotz aller Schwierigkeiten müssen wir den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verringern“, bezieht er Position. Allerdings gelte es, den Landwirten ausreichend Zeit zu lassen, um ihre Betriebe an Reduktionsstrategien anzupassen. Er wolle sich dabei „am Machbaren“ orientieren, verspricht der Landtagsabgeordnete.

Den Gemeinden billigt er zu, „das auf ihren Flächen selbst zu realisieren, was sie von anderen einfordern“, kommt er auf kommunale Auflagen in Pachtverträgen zu sprechen. Aber das solle bei Neuverpachtungen und nicht bei laufenden Verträgen geschehen. Solche Äußerungen gefallen nicht jedem in der Turn- und Festhalle Schwieberdingen. So wird die Diskussion sehr lebhaft und teils emotional.

Auf gemeinsame Werte besinnen

„In stürmischen Zeiten“ sieht Friedlinde Gurr-Hirsch die Landwirtschaft angesichts der Diskussionen um Insektenschwund, Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in Bayern und Zulassungen im Pflanzenschutz, aber „auch politisch gesehen“. Die Staatssekretärin verweist auf die bevorstehenden Europa- und Kommunalwahlen und ermuntert die Landwirtinnen und Landwirte, zu kandidieren. Landwirtschaftlicher Sachverstand sei in jedem Gemeinderat wichtig.

Nicht weniger wichtig sei die Bedeutung Europas für unsere Sicherheit, Freiheit und eine prosperierende Wirtschaft. Deshalb gelte es, „Europa zu stärken, an Europa festzuhalten und sich auf gemeinsame Werte zu besinnen“.

Reduktionsprogramm kommt

Die Wiederzulassung von Glyphosat begrüßt Gurr-Hirsch. Das sei wichtig unter anderem für den pfluglosen Anbau im Kraichtal und die Unterstockbehandlung im Weinbau. Dennoch: „Wenn in Deutschland auf über 30 Prozent der Fläche Glyphosat angewandt wird, ist das zu viel. Da ist ein Reduktionsprogramm nötig, das alle betrifft, auch beispielsweise die Deutsche Bahn und die Kommunen“.

Das Land fördere alternative Pflanzenschutz-Methoden und betreibe „Forschungsvorhaben mit Verve“, versichert die Staatssekretärin. „Weniger ist mehr“ müsse künftig im Pflanzenschutz der Leitspruch sein. Der Minister werde in Kürze ein Reduktionsprogramm für chemischen Pflanzenschutz vorstellen, kündigt sie an. Solange allerdings keine Alternativen praxisreif seien, wäre „die Forderung auf dauerhaften Verzicht von chemischen Pflanzenschutzmitteln nicht sachgerecht“.

Ich will – Mach du mal

Forderungen bei zahlreichen gesellschaftlichen Themen laufen oft nach dem Motto „Ich will – aber mach du mal“, meint Eberhard Zucker. Dabei vermisst der Vorsitzende des Bauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg das Bedenken der möglichen Auswirkungen und spricht auftretende Zielkonflikte an.

  • So wollen viele mehr Wohnungen, direkt Betroffene wehren sich jedoch gegen Verdichtungen im Innenbereich.
  • Viele wollen ihren Arbeitsplatz in der Nähe des Wohnortes, lehnen jedoch neue Gewerbegebiete ab.

So steigt der Druck auf Flächen im Außenbereich, gibt Zucker zu bedenken. Wenn die Betroffenen frühzeitig in den Entscheidungsprozess eingeschaltet werden, hält der Kreisvorsitzende Lösungen bei städtebaulichen Abrundungen von Ortsrandlagen, der Umwandlung von Gewerbebrachen und Verdichtungen im Innenbereich durchaus für möglich.

Einfluss auf die Umwelt

Die Landwirtschaft sei zu Veränderungen bereit, versichert Zucker. Er appelliert an die Mitbürger, sich auch selbst zu hinterfragen, den Einfluss von Lebensgewohnheiten auf die Umwelt zu sehen und ihre Lebensweise zu überdenken. Dabei will er „uns Landwirte nicht ausnehmen; auch wir müssen immer wieder unsere Produktionsweisen überdenken und uns weiterentwickeln. Natürlich hat auch die Landwirtschaft großen Einfluss auf unsere Umwelt. Dieser Verantwortung wollen und müssen wir uns stellen“, betont Zucker.

Kein Zweifel lässt der Bauernverband-Vorsitzende an der Notwendigkeit, die Landwirte für ihre Leistungen entsprechend zu honorieren: „ Mehr Artenschutz, mehr Ökologie geht nur mit mehr öffentlichen Geldern“. Angesichts der damit verbundenen Bürokratie und Vorgaben befürchtet er den Ausstieg von Berufskollegen.

Zucker fordert die Bauerntags-Teilnehmer auf, sich der Diskussion zu stellen: „Wenn uns dies gelingt und der Verbraucher seinen Worten auch Taten folgen lässt, dass ihm Nahrungsmittel wirklich etwas wert sind, dann sehe ich der Zukunft mit all ihren Herausforderungen positiv entgegen“.

Agrarpolitik öfters uneinheitlich

Angesichts der sich abzeichnenden weiteren Verzögerungen bei der Entscheidung über die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU fordert Karsten Schmal, „rechtzeitig Klarheit herzustellen und gegebenenfalls Übergangsregelungen zu schaffen.“

Der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV) bedauert die enormen Unterschiede bereits heute in der Agrarpolitik innerhalb der EU. Da die EU-Kommission plane, zukünftig den Mitgliedsstaaten noch mehr Spielraum in der Ausgestaltung der Agrarpolitik zu lassen, seien noch größere Wettbewerbsverzerrungen als bereits bisher schon zu befürchten. So gäbe es schon heute in 19 EU-Staaten gekoppelte Zahlungen.

Für die Teilnahme an Umweltschutzprogrammen fordert Schmal finanziellen Ausgleich. Maßnahmen für die ländliche Entwicklung müssten unbürokratisch machbar sein, fordert er. Es dürfe keine weiteren Förderungsverzerrungen und Umverteilungen aus der Ersten Säule geben. Die Mittel der zweiten Säule müssten sich auf die Landwirtschaft konzentrieren.

Für neue Herausforderungen neue Mittel

Der DBV-Vizepräsident spricht sich deutlich für die Priorität von Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Bewirtschaftung aus. Für neue Herausforderungen fordert er neue Finanzmittel.

Schmal glaubt nicht mehr daran, dass Entscheidungen über die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik noch vor der Europawahl im Mai fallen. Er hält es für wahrscheinlich, dass deshalb für 2020/21 Übergangsregelungen zur GAP kommen und der neue GAP-Strategieplan ab etwa 2023/24 steht.

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