Biosicherheit bremst Erreger aus
Ein Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland hätte schwerwiegende Folgen für die hiesige Schweineerzeugung. Von der Ferkelproduktion bis zur Fleischvermarktung wären alle Erzeugungsstufen von den Auswirkungen der Seuche betroffen. Umso wichtiger sind vorbeugende Maßnahmen, um sich auf den Seuchenfall vorzubereiten – ein Ergebnis des ersten von drei Online-Seminaren zur ASP-Vorsorge.
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Die jüngsten Entwicklungen an der deutsch-polnischen Grenze, gerade mal zehn Kilometer von Brandenburg entfernt, hatten jüngst für Unruhe gesorgt und Ängste bei den Schweinehaltern geschürt. Dort hatten sich mehrere Wildschweine mit dem Erreger der Afrikanischen Schweinepest infiziert. Seit Wochen beherrschen Meldungen wie diese die Schlagzeilen. Das Virus rückt näher an Deutschland heran und die Gefahr einer Einschleppung in die hiesigen Wildschweinbestände wird von Experten als unverändert hoch und vor allem schwer einschätzbar eingestuft.
Gefragt sind Sicherheitskonzepte. Angefangen von der verstärkten Beobachtung der Wildschweinbestände in den betroffenen Regionen und den Appellen, nicht mit Lebensmitteln aus diesen Ländern nach Deutschland einzureisen oder sie hierzulande wegzuwerfen bis hin zu den Diskussionen um den Bau von Zäunen an den als riskant eingeschätzten Grenzgebieten. Was aber können Schweinehalter tun, um ihre Tiere – ungeachtet von Wildschweinzügen und weggeworfenen Lebensmitteln – vor der Einschleppung des Virus in ihre Bestände zu schützen? Die Antwort auf diese Frage ließ auf dem ersten der drei Online-Seminare zur Afrikanischen Schweinepest, die vom Stuttgarter Agrarministerium (MLR), dem Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV) und dem Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) initiiert worden waren, nicht lange auf sich warten: Biosicherheit und nochmals Biosicherheit.
Gesetzliche Vorgaben und Empfehlungen
Um den Betrieb vor einer Einschleppung des gefährlichen Schweinepest-Erregers zu schützen, sollten Schweinehalter ihre Tierbestände abschirmen. Welche Sicherheitsmaßnahmen das im Einzelfall sind und sein sollten, ist laut Dr. Nicole Hülskötter von der Task Force Tierseuchenbekämpfung in Baden-Württemberg im Tiergesundheitsgesetz und in der Schweinehaltungshygieneverordnung des Bundes festgelegt. Hinzukommt die Verordnung 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 zu Tierseuchen und zur Änderung und Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit („Tiergesundheitsrecht“) sowie die Desinfektionsmittelrichtlinien des BMEL bei anzeigepflichtigen Tierseuchen.
Gemäß den Vorgaben des Tiergesundheitsgesetzes (TierGesG) müssen Tierhalter „dafür Sorge tragen, dass Tierseuchen weder in ihren Bestand eingeschleppt noch aus ihren Beständen verschleppt werden“. Gleichzeitig sind sie laut Gesetz angehalten, sich über die Übertragbarkeit von anzeigepflichtigen Tierseuchen zu informieren und Vorbereitungen zu treffen, falls die Seuche ausbricht.
Interne und externe Faktoren beeinflussen Biosicherheitsmaßnahmen
„Die Biosicherheit umfasst dabei alle getroffenen Maßnahmen, die das Einschleppungsrisiko und die Ausbreitung der Infektionserreger in den Betrieben minimieren, damit die Tiere gesund bleiben“, machte die Tierärztin am Regierungspräsidium Tübingen vor den 150 Zuhörern an diesem Donnerstagabend deutlich. Im Fokus der Sicherheitsmaßnahmen stünden deshalb möglichst wenig leidende, stattdessen leistungsfähige und gesunde Tiere. Nur so ließen sich die ansonsten erwarteten hohen wirtschaftlichen Verluste auf den Schweinebetrieben verhindern. Am besten funktioniere das, wenn sich Schweinehalter im Vorfeld Gedanken über ihr individuelles Biosicherheitskonzept für den Betrieb machten und sich die folgenden Fragen stellten:
- Welche Gefahren gibt es für meinen Betrieb?
- Wie bewerte ich das daraus entstehende Risiko?
- Wie manage ich die tatsächlich bestehenden Risiken (Abstellen oder auf ein Mindestmaß reduzieren)?
- Wie klar und verständlich kommuniziere ich mit Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden über diese Risiken?
- Bin ich bereit, die gemachte Risikoanalyse regelmäßig zu überprüfen?
Welche Biosicherheitsmaßnahmen im Einzelfall schließlich umgesetzt werden, hängt für die Expertin für Tierseuchen davon ab, wie der jeweilige Betrieb aufgestellt ist. Kauft er beispielsweise Tiere von anderen Betrieben, Auktionen oder Ausstellungen zu? Werden die Schweine in einem geschlossenen oder extensiven System gehalten? Wie nah sind weitere tierhaltende Betriebe? Nutzt der Betriebsleiter Maschinen mit Berufskollegen? Wie viele Personen verkehren regelmäßig auf dem Betrieb? Und: Wie groß ist der Bestand und wie viele Tiere werden dort gehalten? Je nachdem, wie die Antworten ausfallen, sollten oder können mehr oder weniger Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Hinzu kommen laut Hülskötter sogenannte externe Faktoren, wie beispielsweise das aktuelle Risiko für einen Seuchenausbruch.
Kritischer Blick auf die Betriebsroutine
Damit die Biosicherheitsmaßnahmen den gewünschten Erfolg bringen, sollten Schweinehalter den potenziellen Erreger kennen, wissen, wie er übertragen wird, wie lange der Virus in der Umwelt überlebt, welche Dosis für eine Infektion nötig ist und wie es um den eigenen Betrieb und die dort vorherrschenden Routinen bestellt ist. Ein Denn eines steht für die Tierärztin am Tübinger Regierungspräsidium fest: „Für die Umsetzung sind Disziplin und Konsequenz nötig. Ansonsten nützen Ihnen die ganzen Kenntnisse nichts“, rief sie den Zuhörern des Online-Seminars zu. Schließlich sei der Infektionsdruck enorm hoch. Zwei Beispiele: Der Erreger der Afrikanischen Schweinepest überlebt auf dem Waldboden 250 Tage und ein infiziertes Schwein atmet laut Hülskötter pro Stunde eine Million Viren aus.
Welche Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, hängt dabei zuvorderst von der Betriebsgröße ab. Grundlage hierfür ist die erste Stufe der Schweinehaltungshygiene-Verordnung, die für alle schweinehaltenden Betriebe gilt. Die zweite Stufe ist für Betriebe mit 20 bis 700 Mastschweinen, drei bis 150 Zuchtsauen und drei bis 100 Zuchtsauen zusammen mit anderen Schweinen vorgesehen. Die dritte Stufe richtet sich an Betriebe mit mehr als 700 Mastschweinen, über 150 Zuchtsauen oder mehr als 150 Zuchtsauen, die zusammen mit anderen Schweinen gehalten werden. Für Freilandhaltungen gelten dazuhin besondere Regeln. Ungeachtet der jeweiligen Tierzahlen, rät Hülskötter auch kleineren Betrieben dazu, die empfohlenen, höheren Hygienestandards einzuhalten. „Mit betriebseigenen Overalls, Stiefeln und einem Handwaschbecken im Vorraum des Stalles können annähernd 100 Prozent der Krankheitserreger vom Betrieb ferngehalten werden“, machte die Referentin deutlich.
Für die Basisanforderungen in Stufe eins der Schweinehaltungshygienever-ordnung sind ansonsten lediglich Schilder „Wertvoller Schweinebestand – Unbefugtes Betreten beziehungsweise Füttern in Freilandhaltungen“ vorgeschrieben und die Möglichkeit, die Schuhe beziehungsweise Stiefel mit fließendem Wasser zu reinigen. Zudem sollten die Schweine nicht ausbrechen beziehungsweise andere Tiere in den Stall oder die Freilandhaltung eindringen können. Keine Frage, dass Futter und Einstreu wildschweinsicher gelagert werden sollten. Erst in Stufe zwei sind betriebseigene Overalls, wahlweise Einwegschutzkleidung und eine Umkleidemöglichkeit im Stall vorgesehen.
In Stufe drei sollten die Ställe in Abteilungen untergliedert, Zucht- und Mastschweine getrennt aufgestallt und andere Tiere von den Schweinen separiert werden. Neu eingestallte Schweine sollten mindestens drei Wochen in einem Isolierstall untergebracht werden, der Betrieb mit verschließbaren Toren versehen und ein befestigter Platz oder Rampe für das Ver- und Entladen der Schweine installiert werden. Rampe und/oder Platz müssen gereinigt und desinfiziert werden können.
Der Betrieb benötigt in der Nähe des Stalles einen Umkleideraum, der als Schleuse genutzt und gereinigt und desinfiziert werden kann. Die abgelegte Straßenkleidung und stalleigene Schutzkleidung müssen, so sehen es die Vorgaben vor, getrennt voneinander aufbewahrt werden können. Das betrifft auch die Schuhe. Um sie zu reinigen, ist ein Wasseranschluss nötig – genauso wie ein Waschbecken, um sich die Hände zu reinigen. Ein Bündel an Maßnahmen, das einen überfordern könne, finanziell und angesichts der Zeit und Arbeit, die solche Sicherheitsmaßnahmen erforderten, wie die Tierärztin einräumte. Aber, das machte sie an diesem Abend mehrfach deutlich: „Es geht um Ihren Betrieb. Dem Erreger der ASP ist man nicht hilflos ausgeliefert.“
Checklisten zur Risikoabschätzung
Um potenzielle Infektionsketten zu unterbrechen, rät die Tierärztin dazu, sich einen genauen Plan von seinem Betrieb zu machen: Wer fährt täglich wo entlang? Lassen sich diese Wegstrecken eventuell ändern? Wo parken betriebsfremde Personen ihr Auto? Auf oder vor dem Betrieb? Letzteres dürfte das Risiko für eine Einschleppung erheblich absenken, wie Hülskötter deutlich machte. Wie es um das Risiko für den eigenen Betrieb bestellt ist, lässt sich mit einer Checkliste des FLI https://www.openagrar.de/servlets/MCRFileNodeServlet/
openagrar_derivate_00014697/Checkliste-ASP-2018-07-20.pdf), der Risikoampel der Uni Vechta (https://risikoampel.uni-vechta.de/plugins.php/
aisurveyplugin/asp/survey/experts?disease_id=2 ) oder dem Biocheck der Universität Gent (www.biocheck.ugent.be) überprüfen.
Die Risikoampel der Uni Vechta stuft den Betrieb, nachdem der Fragebogen ausgefüllt worden ist, in eine Klasse mit mehr oder weniger größerem Handlungsbedarf ein und gibt Tipps, wie sich die Gefahr einer Einschleppung des Erregers in den Bestand künftig reduzieren lässt.
Zeit und Disziplin nötig
„Sie als Tierhalter sind der Einzige, der seinen Bestand schützen kann“, stellte die Tierärztin schließlich nach gut anderthalb Stunden Online-Seminar fest. Einen absoluten Schutz gebe es nicht, aber dort wo man Einfluss nehmen könne, sollte man ihn wahrnehmen und entsprechende Biosicherheitsmaßnahmen umsetzen. Aus gutem Grund: Viele der empfohlenen Maßnahmen seien ohne großen finanziellen Aufwand umsetzbar. Sie erforderten aber laut Hülskötter Zeit und Disziplin.
Auf die Frage, ob sie für ihren Betrieb ein Biosicherheitskonzept entwickelt haben, antworteten übrigens 42 Prozent der befragten 120 Teilnehmer des Online-Seminars mit ja, 58 Prozent der Teilnehmer haben solche Sicherheitsmaßnahmen auf ihren Betrieben bisher nicht auf den Weg gebracht. Womöglich ändert sich das bald.
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