Auf der Suche nach dem Virus
Seit einer Woche herrscht im Rhein-Neckar-Kreis Ausnahmezustand. Mit dem Fund eines Wildschweins, dass sich mit Afrikanischer Schweinepest infiziert hat, ist der Krisenstab zur Verhinderung der Ausbreitung der tödlichen Tierseuche zusammengetreten und seither fleißig dabei alle vorgesehenen Maßnahmen umzusetzen.
von Silvia Rueß erschienen am 16.08.2024Milu kann es kaum erwarten. Seit wenigen Minuten hat ihr Frauchen die Schleppleine angebracht. Ein sicheres Zeichen für die fünfjährige Dackeldame, dass die Arbeit ruft. Gemeinsam mit ihrer Besitzerin Sandra Rapp und Uwe Deißler, dessen Hündin Rosa gerade Pause hat, geht es los in den Wald. Deißler hat den Blick fest auf dem GPS-Gerät und Sandra Rapp auf ihrem Tier, das freudig voran läuft. Die Nase von Milu ist eng am Boden. Die frisch aufgewühlte Erde einer Wildschweinrotte die vor nicht all zu langer Zeit die kleine Senke am Bach aufgesucht hat, hat der Dackel sofort im Visier. Akribisch wird jeder Zentimeter abgeschnüffelt. Für einen kurzen Moment zeigt sie an, entscheidet dann aber, dass hier weder Kadaver noch ein krankes Schwein liegen.
Danach sucht das Dreier-Team; nach kranken Tieren, die im Wald vor sich hin siechen, weil sie von der Afrikanischen Schweinepest (ASP) befallen sind oder auch nach Kadavern. Beides ist ein potenzieller Herd, der zur Ausbreitung der ASP im Land beitragen würde.
„Wir sind aktuell seuchenfrei“, ist Landwirtschaftsminister Peter Hauk überzeugt, der an diesem Freitagvormittag zum Vor-Ort-Termin der Hundestaffel gekommen ist. Seit mehr als sieben Tagen wurde von den eingesetzten Drohnenteams, den Hundegespannen sowie vielen aktiven Jägerinnen und Jägern kein weiteres infiziertes Tier im Rhein-Neckar-Kreis gefunden. Dabei wurde das Gebiet vor wenigen Tagen zur Sperrzone erklärt. Anfang August hatte ein Jäger ein krankes Wildschwein erlegt und zur Beprobung verbracht. Nach rund 24 Stunden war bestätigt, dass damit es das erste Wildschwein in Baden-Württemberg ist, dass an ASP erkrankt war. Das Virus war aus dem benachbarten Hessen in den Rhein-Neckar-Kreis gelangt.
Seither wurden die Maßnahmen angezogen. Die Landesregierung Baden-Württemberg hat sich bereits seit Jahren intensiv auf einen Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest vorbereitet. Dazu hat das MLR einen Maßnahmenplan zur Vorbeugung und Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) festgelegt. So entsteht aktuell rund um die ausgerufenen Sperrzonen ein Elektro-Schutzzaun, ebenso zum Nachbar-Bundesland Hessen, in dem die Seuche bereits in Hausschweinebeständen grassiert. Der Zaun soll die Seuchenausbreitung verlangsamen und im besten Fall verhindern, indem die Wildschweine in ihrer Bewegung eingeschränkt werden. Seit rund einer Woche sind die Mitarbeiter von ForstBW beauftragt die Zäune zu bauen. Auch viele Ehrenamtliche helfen mit, wie das Technische Hilfswerk. Minister Hauk hofft, dass sich zur regelmäßigen Überprüfung weitere Ehrenamtliche finden lassen, wie beispielsweise die Freiwilligen Feuerwehren vor Ort.

Ehrenamtlich engagieren sich auch auch Uwe Deißler und Sandra Rapp mit ihren Hunden. Deißler ist Berufssoldat außer Dienst und Jäger aus Isny im Allgäu. Seit rund einer Woche ist er in Suchteams des TCRH (Training Center Retten und Helfen GmbH) aus Mosbach unterwegs. Hier hat Hündin Rosa die Ausbildung zum ASP-Kadaversuchhund absolviert und eigentlich der wichtigere Teil des Gespanns. Ihre feine Nase wittert die Wildschweine und freut sich, den ganzen Tag mit ihrem Herrchen im Wald verbringen zu können. Beide Hundebesitzer bestätigen: Die Hunde haben die größte Freude, wenn sie etwas finden. Das sei eine solche Belohnung, dass sogar Leckerchen uninteressant werden. Bis zu zehn Stunden ist ein Hundesuchteam am Tag im Einsatz. Deißler und Rapp sind in den acht Tagen, die sie nun vor Ort sind an vier Tagen unterwegs gewesen. Bei 30 Grad Hitze und im Bergland der Kurpfalz. Hund und Herrchen sind am Abend müde. Jeder Einsatz endet mit der Desinfektion von Fahrzeugen, Kleidung, Hund und Halter.
Deißler, der in seiner Heimat im Allgäu mehr als 50 Hektar Wald sein Revier nennt wird alles tun, um die Seuche nicht von hier nach dort zu bringen. „Meine Kleidung, die ich hier trage, wird den heimischen Wald nie sehen“, ist er sich sicher. Es wäre auch für ihn als Jäger eine Katastrophe, wenn sich die Seuche weiter verbreitet. Die Gewissheit, dass sein Einsatz hier dazu beiträgt dies zu verhindern, motiviert ihn jeden Tag neu. Und vielleicht auch ein bisschen, wie zu sehen ist, welche Freude die Hunde an ihrem Einsatz haben.
Vier oder fünf Kadaver finden Sandra Rapp und Milu pro Einsatz. Dazu noch jede Menge Knochen. Milu führt jedes Mal einen Freudentanz auf. Sandra Rapp ist zwiegespalten. Jedes tote Schwein birge das Risiko, dass es positiv getestet ist. Damit die Hunde im UNterholz nicht verloren gehen, sind sie mit GPS-Trackern um den Hals ausgestattet. So kann man sie jederzeit orten. Die Suchgebiete sind genau eingeteilt und jeden Tag neu besprochen von der ASP-Einsatzleitung.
Wird ein totes Tier gefunden, dann kommt eine spezielle Task-Force zum Einsatz, die den Kadaver sowie den umliegenden Boden entfernen. Zusätzlich wird die Fundstelle großräumig desinfiziert. Das Virus ist hartnäckig und kann mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre im Waldboden bestehen bleiben. Offene Flächen werden mit Drohnen beflogen, die mit Wärmebildkameras ausgestattet sind. Damit sollen erkrankte Tiere geortet werden. In dichten Waldgebieten stößt man mit den Drohnen allerdings an Grenzen – da braucht es die Hundespürnasen.
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