Mindestlohn bleibt Thema
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) will beim Mindestlohn keine Ausnahme für die Landwirtschaft. Sie fordert strengere Überwachung der Standards für Saisonarbeitskräfte.
von age, Redaktion erschienen am 31.03.2025Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) weist die Kritik an einer möglichen Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro zurück. Zudem seien Forderungen nach einer Ausnahmeregelung für Landwirtschaft und Gartenbau „total daneben“, sagte Bundesvorstandsmitglied Harald Schaum am Mittwoch (25.3.) in einem Pressegespräch. Zudem führte der stellvertretende Gewerkschaftschef verfassungsrechtliche Probleme einer solchen Ausnahme an. „Für uns stehen die 15 Euro außer Frage“, so Schaum zu der entsprechenden Aussage im Sondierungspapier von Union und SPD. Befürchtungen, ein höherer Mindestlohn führe zu einem weiteren Rückgang des Sonderkulturanbaus in Deutschland, hält er für unbegründet. Die gleichen Stimmen habe es bei Einführung des gesetzlichen Mindestlohns gegeben.
Nicht einverstanden ist der Gewerkschafter mit der Ankündigung im Sondierungspapier, das Arbeitszeitgesetz zu flexibilisieren. „Eine Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit lehnen wir strikt ab.“ Schaum warnte vor gravierenden Folgen für Arbeitssicherheit der Saisonbeschäftigten in der Landwirtschaft, sollte dieser Schritt tatsächlich erfolgen. „Arbeitszeiten von 16 Stunden und mehr am Tag werden mit steigenden Unfallzahlen einhergehen“, befürchtet Schaum.
Defizite festgestellt
Den von der Initiative Faire Landarbeit vorgelegten Jahresbericht 2024 „Saisonarbeit in der Landwirtschaft“ wertet Schaum als Beleg, dass es bei der Unterbringung und der Bezahlung nach wie vor erhebliche Defizite gebe. Zwar habe sich die Situation in den vergangenen beiden Jahren teilweise verbessert. Dies ändere jedoch nichts am politischen Handlungsbedarf. Der Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA), Hans-Benno Wichert, wies darauf hin, dass es sich bei dem Bericht nicht um eine repräsentative Studie handele. Die beschriebenen Einzelfälle seien bedauerlich und müssten geahndet werden. Sie ließen jedoch keine Rückschlüsse auf die gesamte Branche zu.
Neben der Sicherstellung des Mindestlohns und einer täglichen Höchstarbeitszeit fordert die IG BAU, dass die Arbeitgeber die Kosten für die Unterkünfte der Saisonarbeitskräfte übernehmen müssten. In manchen Fällen verlangten die Landwirte bis zu 50 Prozent des Nettolohns für Mehrbettzimmer. Zudem müssten Mindeststandards für Unterkünfte eingehalten und kontrolliert werden. Reguliert werden müsse die Vermittlung von Saisonbeschäftigten nach Deutschland. Für Vermittlung dürften keine Gebühren verlangt werden. Die IG BAU bekräftigt ihre Forderung, Saisonbeschäftigten den vollen Krankenversicherungsschutz zu gewähren. Eine private Gruppenversicherung für kurzfristig Beschäftigte reiche nicht aus. Schließlich müsse die Gewerkschaft künftig Verstöße gegen die soziale Konditionalität in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) melden dürfen.
Kontakt mit 3100 Saisonbeschäftigten
Den Fokus legt der aktuelle Jahresbericht zur Saisonarbeit auf das Thema „Miete und Unterkünfte“. Danach haben die Unterkünfte im vergangenen Jahr zwischen 18 und 21 Euro pro Tag für Bett und Mahlzeit gekostet. Die Mieten seien gegenüber dem Vorjahr um 2 bis 3 Euro gestiegen. Die gesetzlich vorgeschriebenen sogenannten Sachbezugswerte, also die Grenzen, die die Lohnabzüge dämpfen sollen, würden in Einzelfällen um bis zu knapp 350 Euro überschritten. Dies sei möglich, indem die Unterkünfte in einer Art Immobiliengesellschaft ausgelagert würden. So könnten die Mieten nicht vom Lohn direkt abzogen werden und müssten separat bezahlt werden. Die seien dann aber so hoch, dass im Endeffekt nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn eingehalten werde.
Das zweite große Problem ist laut IG BAU, dass die Unterkünfte oftmals in einem verheerenden Zustand seien. Die Rede ist von ungedämmten Metallcontainern, abgenutzten Möbeln und durchgelegenen Matratzen. Die viel zu wenigen sanitären Anlagen seien nicht selten marode. Verstöße gegen die Normen der Arbeitsstättenregeln sind der Gewerkschaft zufolge an der Tagesordnung.
Nach eigenen Angaben ging die Initiative Faire Landarbeit im Jahr 2024 mit ihren Teams im gesamten Bundesgebiet 40 Mal aufs Feld. Dabei habe man mit etwa 3.100 Saisonbeschäftigten in direktem Kontakt gestanden. Die Initiative Faire Landarbeit ist ein Bündnis der gewerkschaftsnahen Beratungsstellen Faire Mobilität, dem Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen (EVW) und dem Beratungsnetzwerk „Gute Arbeit“ von Arbeit und Leben, der IG BAU, kirchlichen Beratungsstellen sowie des PECO-Instituts. Seit dem Jahr 2018 erscheint regelmäßig der Jahresbericht zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft.
Laut Wichert geben beispielsweise die geschilderten Fälle keinen Anlass, für kurzfristig beschäftigte Saisonarbeitskräfte eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht einzuführen. Die Beschäftigten seien durch die gesetzliche Unfallversicherung und private Gruppenversicherungen bei Erkrankungen und Unfällen ausreichend abgesichert. Die Versicherungen seien auf die Bedürfnisse der Saisonkräfte ausgerichtet und umfassten neben der vollständigen Kostenübernahme einer ärztlichen Behandlung auch die Kosten eines Rücktransports in die Heimat.
Überschreiten der Sachbezugswerte zulässig
Nicht gerechtfertigt ist dem Arbeitgeberpräsidenten zufolge die pauschale Kritik an den Kosten für die Unterkunft der Saisonbeschäftigten. Beispielsweise sei rechtlich und sachlich nicht zu beanstanden, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Betrag für eine Unterkunft vereinbarten, der über dem entsprechenden Sachbezugswert liege. Nach Angaben von Wichert beruhen höhere und steigende Mieten regelmäßig auf höheren Kosten der Arbeitgeber für die Unterkünfte, insbesondere infolge steigender Nebenkosten.
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