
Locker und lässig durch den Stall
Weich, rutschsicher, sauber und neuerdings mit weniger Emissionen: Komfortable Laufgänge fördern das Tierwohl und verbessern die Wirtschaftlichkeit. Wie die tier- und umweltfreundlichen Gummiauflagen in der Praxis funktionieren, zeigt das Beispiel eines neu gebauten Boxenlaufstalles in der Nähe von Pfronten im Allgäu.
von Petra Ast, Redaktion BWagrar, Stuttgart Quelle Petra Ast, Redaktion BWagrar, Stuttgart erschienen am 02.07.2025„Wir hatten eine genaue Vorstellung von unserem neuen Boxenlaufstall. Wir wollten ein automatisches Melksystem, Tiefboxen und einen Laufhof. Unseren Kühen sollte es gut gehen“, sagt und erinnert sich Anna Kleinhans an diesem strahlenden Junivormittag an die Pläne, die sie und ihre Familie für ihren Neubau hatten. Eigentlich alles ganz normal, könnte man meinen. Doch es sollte anders kommen, wie die 29-jährige Agrartechnikerin den auf Einladung des Stallmattenherstellers Kraiburg angereisten Agrarjournalisten erklärt. Denn der neue Außenklimastall mit Panoramablick für die 80 Kühe würde, das zeigten die Berechnungen der zuständigen Behörden, zu dicht an ein FFH-Gebiet angrenzen. Die Gefahr, dass Emissionen aus dem neu gebauten Außenklimastall und dem Laufhof in das sensible Gebiet eindringen könnten, wurde als bauhemmend eingestuft. Anna Kleinhans und ihr Ehemann Kevin Kleinhans erhielten die Auflage, ein Emissionsgutachten erstellen zu lassen und angesichts der zu erwartenden Ergebnisse Maßnahmen zu ergreifen, mit denen vor allem der Ausstoß von Ammoniak (NH3) eingedämmt werden konnte.
Weniger Ammoniak-Emissionen
Für den geplanten Laufhof bedeutete das, dass der Auslauf kleiner dimensioniert, in südlichere Richtung, und genau 100 Meter entfernt von den geschützten FFH-Flächen gebaut werden musste. Und: Die Emissionsvorgaben von unter 0,1 Kilogramm NH3 pro Kuh und Jahr, die für FFH-Gebiete gelten, mussten eingehalten werden. Das ging nur mit einem emissionsmindernden Bodenbelag und war, wie sich die junge Bäuerin erinnert, Voraussetzung für die Baugenehmigung. Zwar hätten sie ohnehin vorgehabt, Gummimatten über die Vollspaltenböden im Stall zu verlegen, nun mussten es jedoch spezielle Matten mit einem Gefälle sein, von denen der Harn der Tiere schneller abläuft, die Fläche trockener bleibt und dadurch weniger Ammoniak entsteht. Zusätzlich, so die Vorgabe, müssten die Matten regelmäßig mit einem Entmistungsroboter befahren werden, um Kot und Harn rasch abzuschieben.
Fündig wurde die junge Familie schließlich beim Gummiwerk Kraiburg im bayerischen Tittmoning. Dort war solch eine Spaltenauflage zur Emissionsminderung mit Gefälle und variabler Schlitzauflage kurze Zeit zuvor entwickelt worden. Zwar noch ohne wissenschaftlichen Nachweis für die Emissionsminderung, „aber mit vielen positiven Hinweisen darauf, dass weniger Emissionen nach draußen dringen“, wie Jürg Wiesendanger, Teamleiter im Vertrieb bei Kraiburg, den Teilnehmern des Pressetermins darlegte. Dass die Matte mit ihrem dreiprozentigen Gefälle von der Mattenmitte zu den Rändern die Ammoniakfreisetzung reduziert, liegt laut Wiesendanger an der schnellen Ableitung des Urins zum nächsten Schlitz. „Kot und Harn werden rasch getrennt und die Flüssigkeiten zügig abgeleitet“, machte der Mattenexperte deutlich. Hinzukommt, dass durch den reduzierten Schlitzanteil der Gasaustausch mit dem Güllekeller beschränkt wird.
Rutschsichere Laufwege
Anna Kleinhans, das erzählt sie den Pressevertretern an diesem Junivormittag in dem offenen Stall mit Blick auf die nahen Alpen, hätte die emissionsmindernden Matten gerne mit ihrem Ehemann Kevin Kleinhans auf einem Betrieb in Augenschein genommen. Doch das war vor zwei Jahren, kurz nach der Entwicklung des neuen Mattentyps, noch nicht möglich. An praktischen Beispielen fehlte es zu diesem Zeitpunkt. „Wir sagten uns: Wir machen das trotzdem. Wir probieren die Matten aus. Das war im Nachhinein die beste Entscheidung“, sagt die Milchviehhalterin. Indes scheinen sich die 80 Kühe, darunter Fleckvieh-, Holstein- und Braunviehkühe, wohl zu fühlen – ein Ziel des Allgäuer Tierwohlstalles: Die Laufgänge sind trockener und sauberer als in ihrem vorherigen Boxenlaufstall. Ohnehin hätte es von den Genehmigungsbehörden seither keine Nachfragen mehr in punkto Emissionen gegeben. Allerdings, das verhehlt die Landwirtin nicht, werden die Klauen der Kühe auf den Gummimatten dieses Typs weniger abgerieben. Das liegt an der geringer profilierten Oberfläche der emissionsmindernden Matten, wie Wiesendanger hierzu erklärt. Auf die Trittsicherheit und Rutschfestigkeit der so belegten Laufgänge wirke sich das jedoch nicht negativ aus. Eine Aussage, die Anna Kleinhans, jetzt ein gutes Jahr nach dem Bezug des neuen Stalles, untermauert: „Die Kühe laufen weich und sicher über die Gummimatten.“
Ein weiterer Schritt hin zu mehr Kuhkomfort, wie es sich das Ehepaar für die Milchkühe in dem neuen Boxenlaufstall gewünscht hatte. Und wie Dr. Catrin Anker, Produktentwicklerin bei Kraiburg, verdeutlicht, „inzwischen eine Notwendigkeit für die Tiergesundheit“. Kühe sollen, so Anker, weich und rutschsicher auf einem trockenen und sauberen Untergrund laufen können, der effizient entmistet werden kann und möglichst wenig Emissionen verursacht. Moderne Laufgangbeläge, so erläuterte es die Kraiburg-Mitarbeiterin in ihrem Vortrag nach der Stallbesichtigung, müssten die Aktivität der Kühe fördern, ihre Klauen gesund halten, tierwohlgerecht sein und die Anforderungen des Umweltschutzes nach möglichst wenig Emissionen bedienen. Umso mehr seien sie als Unternehmen gefragt, Laufgangbeläge beziehungsweise Gummimatten zu entwickeln, die leicht zu reinigen, trittsicher und selbstentwässernd sind. Denn je weniger feucht und verschmutzt ein Laufgang ist, umso mehr fördert er den Komfort für die Kühe und senkt durch die schnelle Abfuhr von Harn und Kot das Emissionsrisiko. Stichwort: Ammoniak-Ausdünstungen. Seit dem vergangenen Jahr bewirbt das Unternehmen die neu entwickelte Gummimatte „espaFlex“ mit dem zusätzlichen Bonus, emissionsmindernd zu sein. Hierfür gab es auf der jüngsten „EuroTier“ im vergangenen November bei den Innovation Awards eine Silbermedaille.
Anna Kleinhans und ihr Ehemann Kevin Kleinhans bewirtschaften in Pfronten-Obermeilingen (Landkreis Ostallgäu) einen Milchviehbetrieb mit 80 Kühen in einer gemischten Herde. Die durchschnittliche Milchleistung der Fleckvieh-, Braunvieh-, Holstein- und Pinzgauer-Kühe liegt derzeit bei 8000 Kilogramm pro Kuh und Jahr. Zu dem Betrieb gehören 65 Hektar (ha) Grünland sowie 10 ha Weiden. Anna Kleinhans, die eine Ausbildung zur Agrartechnikerin gemacht hat, hat den Betrieb vor zwei Jahren von ihren Eltern übernommen, ihr Vater ist inzwischen bei ihr angestellt. Kevin Kleinhans, der derzeit in Elternzeit ist, wird demnächst wieder in seinem Beruf als Industriemechaniker arbeiten. Für die 29-jährige Bäuerin, die in diesen Tagen ihr drittes Kind erwartet, und ihren 33-jährigen Ehemann stand bei der Planung des Bauvorhabens Tierwohl ganz oben auf der Agenda. „Für uns ist die Langlebigkeit unserer Kühe am wichtigsten“, machte Anna Kleinhans vor den Pressevertretern deutlich. Kühe, denen es gut geht, die lange fit und leistungsfähig sind, sicherten, so die Milchviehhalterin, die Wirtschaftlichkeit des auf 920 Meter Höhe gelegenen Betriebes.
Genauso wie eine effiziente Arbeitsorganisation. Dazu tragen seit dem Bezug des neues Laufstalles ein Melkroboter und ein Entmistungsroboter bei. „Das macht uns flexibler und spart Zeit, die wir stattdessen für die Betreuung der Kühe verwenden können“, erläutert die Bäuerin. Mit dem auf hohe Tierwohlstandards ausgelegten Boxenlaufstall sieht sich die Familie gerüstet für die Zukunft. Denn eines, das wurde an diesem Vormittag gleich mehrfach in den Vordergrund gestellt, dürfte feststehen: Ohne eine möglichst tiergerechte Haltung der Kühe und Rinder wird es in Zukunft nicht mehr gehen. Davon zeugen die Debatten um staatliche Haltungsformen und Tierwohl-Labels, wie sie der Lebensmitteleinzelhandel vorantreibt.
Der Neubau des Laufstalles wurde über die Agrarinvestitionsförderung (AFP) in Bayern mit 25 Prozent, maximal 300.000 Euro, bezuschusst. Insgesamt kostete der in diesem Jahr fertiggestellte Boxenlaufstall 1,5 Millionen Euro – inklusive der neuen Güllegrube, die mit 100.000 Euro zu Buche schlug, sowie der Fotovoltaikanlage und dem Batteriespeicher, die ebenfalls 100.000 Euro kosteten. Im Altgebäude, in dem bisher 50 Milchkühe und die Jungrinder untergebracht waren, werden jetzt die abgetränkten Kälber aufgezogen.
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