Spannung am Milchmarkt
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Warum sind die Butterpreise so hoch? Wo geht das Milchfett hin und was passiert, wenn die EU ihre Magermilchpulverbestände wieder in den Markt bringt? Grund für die hohen Butterpreise ist eine vergleichbar schwache Produktion bei einer gleichzeitig stark angezogenen Nachfrage nach Milchfett, berichtete Monika Wohlfarth in Kempten. Einen Schub für den Preisanstieg der Butter ergab sich aus den niedrigen Beständen an Butter in der privaten Lagerhaltung zum Jahreswechsel. Die Industrie war nicht langfristig eingedeckt, weil ihr die Preise schon Ende 2016 zu hoch waren. Hinzu kommt, dass Fett immer mehr in den Produkten der Weißen Linie und im Käse eingesetzt wird. Beliebter werden auch die Milchstreichfette. Insgesamt ist Fett gefragt mit Blick auf die Gesundheit und die Natürlichkeit, wohin gegen Palmöl als Alternative zum Milchfett derzeit aus Umwelt- und Klimaschutzgründen eher ein schlechtes Image genießt. Zudem sinken die Butterimporte der EU und auch in den USA wird mehr Butter im Foodservice verarbeitet.
Der Markt läuft weiter auseinander
Erste Reaktionen auf die hohen Fettpreise bleiben nicht aus. Noch halte die Industrie am Milchfett weiter fest, aber die Exporte gingen bereits zurück. Auch im LEH nehme der Verkauf an Butter ab. Sollten sich die Eiweißverwertungen nicht verbessern, wird der Markt unter Druck geraten, sobald die gute Fettverwertung nachlässt. Wann dies der Fall sein könnte, ließ Monika Wohlfarth offen. So bleibt derzeit vor allem Magermilchpulver (MMP) das große Sorgenkind in einem sonst erfreulichen Markt. Vollmilchpulver ist stark exportabhängig, hier gibt es eine starke Konkurrenz aus Neuseeland. Die Preise hätten sich nicht so erholt wie erhofft, deshalb sei VMP auch nur begrenzt attraktiv im Verhältnis zur MMP-Verwertung. Molkenpulver habe sich positiv entwickelt, wenngleich die Tendenzen im Moment etwas schwächer seien.
So umriss Monika Wohlfarth die Lage am Milchmarkt:
- Milchanlieferung: Positiv sei, dass die Milchanlieferung 2016 in Deutschland erstmals seit zehn Jahren zurückging, um 0,7 Prozent. Und auch EU-weit ist sie nur um 0,2 Prozent gestiegen. Es gibt gute Gründe, dass diese moderaten Tendenzen die nächsten Monate so bleiben. Der Milchkuhbestand ist um 1,4 Prozent gesunken, es war vielerorts zu trocken für gute Futterqualitäten.
- Welthandel: Im Gegensatz zu früheren Prognosen nimmt die internationale Nachfrage seit einigen Jahren kaum noch zu.
- EU-Binnenmarkt: Hier wächst vor allem der Käsebereich. Wobei innerhalb der Gemeinschaft in einigen Ländern ein Trend zur Abschottung gegenüber deutschen Produkten zu beobachten ist. Besondere Herausforderung sind zunehmende Anforderungen von Seiten des LEH, wie die Umstellung auf GVO-freie Milch sowie Maßnahmen für mehr Tierwohl. Unterm Strich alles Punkte, die die Produktionskosten erhöhen.
- Bestände: Die Interventionsbestände an Magermilchpulver (350.000 t) liegen auf dem höchsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten, plus über 60.000 t in der privaten Lagerhaltung. Das ist eine Hypothek aus den vergangenen Jahren die den Markt weiter belastet. Anders bei Butter: Hier ist die private Lagerhaltung niedrig (Intervention gibt es hier nicht).
- Milchpreise: Sie sind 2016 auf den tiefsten Stand seit 2009 gefallen. Die Unterschiede in der Fett- und Eiweißbewertung haben zugenommen. Dies hat sich in den vergangenen Monaten weiter verschärft. Fett ist drei Mal so hoch bewertet wie Eiweiß. Die aktuelle Erholung der Erzeugerpreise beruhe auf der hohen Fett- und Käseverwertung. Der Rohstoffwert liegt derzeit bei 38 Cent. Die Eiweißverwertung über Magermilchpulver hingegen leistet für den Preisanstieg keinen Beitrag.
- Politik: Sie hat sich 2016 wieder verstärkt in den Markt eingemischt. Es gab Hilfsmaßnahmen von der EU und der Bundesregierung. Private Lagerhaltung wurde fortgesetzt, Interventionsobergrenzen wurde erhöht sowie Finanzhilfen, die teilweise an die Mengendisziplin geknüpft waren.
Wie der Vorsitzende der Kemptener Börse, Heinz Hahn, berichtete, arbeite man daran, die Notierungen weiter zu optimieren. So wird gerade die Aussagekraft bei der Notierung von Butter in Verbraucherpackungen diskutiert. Über 50 Prozent der in Deutschland hergestellten Butter wird über die Börse mit ihren Meldern und Molkereien abgebildet. Außerdem liege ein Antrag auf Prüfung der Einführung einer Preisfeststellung oder eines Preisindex für Laktose vor. „Nichts ist so beständig wie der Wandel“, meinte Hahn. Neu gegründet wurde in Bayern der Verein „milch.bayern. e.V.“ Gesichert scheint weiterhin die Finanzierung der Börse mit Umlagemitteln. „Dies ist ein klarer Vertrauensbeweis und Ausdruck der Wertschätzung für die Verantwortlichen und Mitarbeiter unseres Vereins“, freute sich Hahn. Von den Gesamteinnahmen der Börse in Höhe von jährlich rund 280.000 Euro kommen entsprechend der Milchmengen in den Ländern 44.000 Euro aus Baden-Württemberg, 191.000 Euro aus Bayern und 26.000 Euro aus Sachsen, erläuterte Geschäftsführer Clemens Rück in seinem Bericht.
Stimmung an der Börse ist zuversichtlich
Die Milchwirtschaft in Süddeutschland habe beste Voraussetzung, um die Herausforderungen in der Zukunft zu bestehen. Gefragt sei weiterhin eine hohe Anpassungsfähigkeit, wenn der Welthandel immer wieder ausgebremst wird und es je nach politischer Lage zu Verschiebungen in den Absatzmärkten kommt. Nach den aktuellen Notierungen, die an der Börse jeden Mittwoch vorgenommen werden, erholen sich derzeit die Preise. Eine insgesamt erfreuliche Tendenz, die die kommenden Monate weiter anhalten dürfte. Das Schlusswort hielt Dr. Markus Albrecht, stellvertretender Vorsitzender der Börse und Geschäftsführer des Milchwirtschaftlichen Vereins Baden-Württemberg e.V.
Neue Milchreferentin in Baden-Württemberg
Unter den Grußwort Rednern war aus Baden-Württemberg Annette Meißner angereist. Sie ist seit Januar 2017 die neue Milchreferentin des Stuttgarter Landwirtschaftsministeriums (MLR). Zuvor war sie im Bereich Betriebswirtschaft und Landtechnik tätig, wie sie sagte und habe sich dort mit der Förderung von Investitionen beschäftigt. Herausforderungen für die Milchbauern sieht sie in den zunehmenden Preisschwankungen, einer Überprüfung der Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Molkereien und einem schrumpfenden Agrarhaushalt in Zusammenhang mit dem Brexit. Hinzu kämen immer höhere Anforderungen der Gesellschaft und des Handels an die Milchbranche. Sie lobte die Arbeit der Börse als Notierungsstelle, die bereits international Bedeutung erlangt habe. „Es ist wirklich eine feine Sache, wenn man einfach ins Internet gehen kann und sich schnell informieren kann, wie aktuell die Preise sind“, meinte Meißner.
Regionalkampagne für die Milchbauern in Baden-Württemberg
Während der schwierigen Lage am Milchmarkt im Sommer 2016 habe der Stuttgarter Landwirtschaftsminister Peter Hauk einen 10-Punkteplan aufgestellt. Dazu gehöre der ständige Dialog mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH), wie zum Beispiel Gespräche mit der Rewe- und Edeka-Geschäftsleitung. Überprüft werden auch die Förderprogramme und Beratung, über die die Betriebe unter anderem beim Ausstieg aus der Anbindehaltung begleitet werden. Wichtig ist die Erschließung der regionalen Absatzmärkte unter anderen auch mit Spezialitäten wie der Heumilch. Danach sollen die Verbraucher mehr für regionale Produkte begeistert werden. Dies war auch das Ziel des Landeswettbewerbs Milch „Vielfalt – Genuss –Verantwortung“. Diesem Auftakt im Herbst 2016 folgt jetzt eine breitangelegte Regionalkampagne mit dem Titel „Natürlich. Von Daheim“. Ziel ist es, den Wert von Lebensmitteln und den Menschen, die diese Produkte herstellen, in den Mittelpunkt zu stellen. Offizieller Start der Kampagne ist der 8. August 2017 in Ravensburg, mehr unter http://www.von-daheim.de
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