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Fachtagung für Milchviehhalter in Amtzell

Mehr Wertschöpfung nötig

Mehr Tierwohl und eine bessere Tiergesundheit standen auf der Fachtagung für Milchviehhalter am 26. Januar 2018 im Mittelpunkt. Eingeladen hatte das Landratsamt Ravensburg unter der Leitung von Albrecht Siegel nach Amtzell unweit von Wangen im Allgäu. Am Vormittag gab Dr. Peter Zieger von der amerikanischen Futtermittelfirma Diamond V. wertvolle Tipps zur besseren Futteraufnahme und -verwertung. Tierarzt Dr. Frank Bootz aus Ostrach berichtete in seinem Vortrag, wie man im Milchviehstall präventiv arbeiten und durch eine gute Diagnostik den Medikamenteneinsatz minimieren kann.
 

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Albrecht Siegel, Leiter Landwirtschaftsamt Ravensburg, hier im Bild mit Referentin Dr. Julia Stubenbord, Tierschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, die die Betriebe auf den neuesten Stand in Sachen Anbindehaltung brachte.
Albrecht Siegel, Leiter Landwirtschaftsamt Ravensburg, hier im Bild mit Referentin Dr. Julia Stubenbord, Tierschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, die die Betriebe auf den neuesten Stand in Sachen Anbindehaltung brachte.Borlinghaus
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In der Diskussionsrunde, moderiert von Richard Riester von der LEL, gaben fünf Molkereivertreter ihre Einschätzungen, wie es mit der Milch in Süddeutschland weitergehen könnte. Einig war man sich, dass durch eine weitere Differenzierung des Marktes die Wertschöpfung erhöht werden kann. Wie das konkret am besten funktioniert, darüber gingen die Meinungen durchaus auseinander.

Der Handel macht Druck

„Der Markt wird heute längst nicht mehr von der Politik gemacht. Vielmehr bestimmen Weltmarkt, Handel und Verbraucher wo es bei der Milch lang geht“, erlebt Reinhold Stangl von der Molkerei Gropper aus Bissingen. Sein Beispiel dazu: Pünktlich zur Grünen Woche hätten NGOs einem Soja- und Getreideimporteur vorgeworfen, durch Futtermitteleinfuhren für die Abholzung der Regenwälder mitverantwortlich zu sein. „Am nächsten Tag haben wir als Molkerei ein Fax auf dem Tisch liegen, in dem wir vom Handel aufgefordert werden, nachzuprüfen, von wem unsere Erzeuger ihr Sojaschrot beziehen. So läuft das heute,“ erzählt Stangl.

Gropper Spezialist für Handelsmarken

Die Molkerei Gropper sieht sich selbst als Spezialist für Handelsmarken. Sie verarbeitet 260 Mio. kg konventionell erzeugte Milch und 80 Mio. kg Biomilch von rund 900 Milcherzeugern. Ein Schwerpunkt sind u. a. kalte Kaffee-Milch-Mix-Getränke. „Tierwohl und Tierschutz sind bei uns seit Jahren ein Thema“, sagt Stangl. Alle Erzeuger lieferten GVO-freie Milch und seien auf QM-Milch zertifiziert. Gropper ist nach eigenen Angaben die erste Molkerei, die ein Teil ihrer Produkte mit dem Deutschen Tierschutz-Label auszeichnet. Für Biomilcherzeuger, die an diesem Programm teilnehmen, gibt es einen Zuschlag von sechs Cent pro kg, für konventionell erzeugte Milch liegt dieser Zuschlag bei vier Cent. „Wir nutzen das Zeichen und versuchen auf einem gesättigten Markt Marktanteile zu gewinnen“, so Stangl. Gestartet sei man mit 20 Mio. kg Milch, heuer seien es bereits 50 Mio. kg. „Wir bauen das dieses Jahr weiter aus. Es gibt Verbraucher, die sich das ganz bewusst leisten.“

EMBA verhandelt über Menge und Preis

Marcel Renz, EMBA, ist überzeugt, dass Tierwohl und Tiergesundheit weiterhin zentrale Themen in der Milchwirtschaft sein werden. Die EMBA erprobt seit einigen Jahren ein A-, B-Preismodell. Begleitet von der LAZBW in Aulendorf und der FH-Nürtingen haben die EMBA-Betriebe in Sachen Tierwohl schon einiges auf die Beine gestellt. „Wir müssen uns mit den Molkereien auf bestimmte Mengen einigen“, sagt Renz. Das könne man nicht zentral steuern, sondern müsse jede Erzeugergemeinschaft mit seiner Molkerei aushandeln, meinte Renz mit Blick bestmögliche Mengenbegrenzungen am Milchmarkt. Derzeit sieht er folgendes Problem: Die Landwirte melken Vollgas weiter, während die Marktsignale längst auf „weniger Milch“ stehen. Diese Marktsignale müsste man viel besser vermitteln und mehr Gefühl dafür bekommen, was der Markt verlangt.

Starke Marken von Hochland

Die Molkerei Hochland SE, Heimenkirch, hat weltweit etwa 4400 Mitarbeiter und ist in sieben Ländern mit zwölf Werken aktiv, berichtet Norbert Holzer von Hochland. Der Käsehersteller ist bekannt für seine Marken wie unter anderem Almette, Gervais oder Gründländer.“ Wir sind ein Marken-Unternehmen. Marke heißt Wert und Wertschöpfung“, meint Holzer. Er sieht für Süddeutschland im Thema Nachhaltigkeit eine große Chance. Von einer 20.000 Liter-Kuh hält er wenig. Denn das reine Mengenwachstum könne man künftig industriemäßig im Labor oder in einer Fabrik erzeugen ohne echte Tiere, Stichwort: Fleischproduktion in der Petrischale. „Wir müssen erkennen, dass wir heute schon zum Teil Grenzen überschritten haben. Was wir brauchen, ist Wertschöpfung“, mahnte Holzer.

Leupolz: Kleine Molkerei breit aufgestellt

Wo die Milchwirtschaft hin will, darüber macht sich auch Michael Welte Gedanken. Er ist Geschäftsführer der Allgäuer Emmentalerkäserei Leupolz. Die Genossenschaft hat 148 Milchlieferanten mit 45 Mio. kg Milch. Davon 8,0 Mio. kg Biomilch. Die konvetionell erzeugte Milch teilt sich auf in Standardmilch und in Emmentaler-Heumilch. Seit vergangenem Jahr haben die Leupolzer eine eigene regionale Marke. „Nur Marke allein bringt nichts, ebenso wenig wie nur Bio“, ist Welte überzeugt. Er sichert sich ab und sagt: „Bio läuft hervorragend. Aber was passiert, wenn es in Deutschland gesamtwirtschaftlich mal nicht mehr so gut geht? Vor dieser Frage habe ich sehr viel Respekt“. Er plädiert für einen guten Mix im Portfolio, nach dem Motto: „Das eine tun und das andere nicht lassen.“

Uneinigkeit über Markenpolitik

Jakob Niedermaier, Vorsitzender der MEG-Wasserburg und Gründer der „sternfair Milch“ (MVS Milchvermaktungs- GmbH) wirft Gropper eine aggressive Handelsmarkenpolitik vor. Der Verbraucher bekäme dadurch den Eindruck, die Handelsmarken seien höherwertig als die althergebrachten und über Jahrzehnte aufgebauten echten Marken der normalen Molkereien und darüber hinaus auch noch günstiger. So werde der desaströse Wettbewerb weiter angeheizt, was langfristig nur zu Lasten der Bauern gehe. „Das wird uns noch große Probleme bereiten“, ist sich Niedermaier sicher.

Immer mehr Milch für Handelsmarken

Reinhold Stangl von Gropper sieht das anders. Bester Gegenbeweis sind für ihn die überdurchschnittlichen Auszahlungspreise bei Gropper: „Wir sind bei konventionell unter den Top-10 in Deutschland und bei Bio liegen wir auf dem 2. Platz,“ sagt Stangl. Fakt sei, dass selbst Molkereien mit starken Marken nur ein Teil ihrer Milchmenge tatsächlich über die Marken verarbeiten und verkaufen. Im Schnitt fließen auch hier 60 Prozent der Milch „nur“ in eine Handelsmarke. In Deutschland sei der LEH so stark, dass er zunehmend seine eigenen Marken durchsetze. Einige Markenhersteller hätten es seiner Erfahrung nach versäumt, die Entwicklung mit den Handelsmarken zu mitzugehen. Stangl ist stolz auf das Programm „Ein-Gutes-Stück-Heimat in Bayern, mit dem man bereits 2008 rund 1,5 Cent Zuschlag für die Landwirte herausholen konnte und aktuell auf die 4 Cent Zuschlag für das Tierschutz-Zeichen. „Unsere Milcherzeuger finden das gut und sagen, wir müssen schauen, dass wir die ersten sind, die da mitmachen, denn früher oder später setzt sich das überall durch,“ ist Stangl überzeugt. Er sagt aber auch: „Es dürfen von den Erzeugern nur Kriterien verlangt werden, die auch in der Praxis umsetzbar sind. Dazu müsse man miteinander reden. Und: „Bei uns sitzen die Milcherzeuger bei der Milchpreisgestaltung mit am Tisch.

Wieviel Tierwohl können die Betriebe leisten

Laut Norbert Holzer haben die Markenhersteller den Boom bei den Handelsmarken keinesfalls verschlafen. Doch gegenüber kurzfristigen Differenzierungen und einer Label-Flut ist Holzer skeptisch. Gefragt sei vielmehr eine Lösung für die ganze Branche. „Ich halte nichts davon, dem Handel ein Label als Tierschutz-Label anzubieten, das von vorne herein 60 Prozent der bayerischen Bauern ausschließt. Das ist das falsche Signal“, sagt Holzer. So würde der Eindruck erweckt: „Die können ja, wenn sie nur wollen“. Doch Fakt sei, dass die „Premiumklasse“ nur wenige Betriebe erreichen. Holzer schätzt den Anteil auf maximal 20 Prozent. Tierwohl stehe für ihn in einem größeren Kontext. „Uns geht es um Lösungen, die unsere Bauern mitnehmen und nicht um ein weiteres Anheizen des Strukturwandels.“
Laut Reinhold Stangl hätten 60 Prozent der Gropper-Lieferanten einen Laufhof (85 Prozent der Milchmenge), 40 Prozent halten ihre Tiere noch in Anbindehaltung (15 Prozent der Milchmenge). Einige davon wollen 2018 einen Laufstall bauen und würden dann auch die Premiumklasse erreichen können. „Wir entwickeln diese Konzepte immer gemeinsam mit unseren Milcherzeugern“, so Stangl.

Erzeugte Milch muss vermarktet werden

Und wer übernimmt die Verantwortung, wenn zu viel Milch kommt? Wer trägt das Risiko, wenn ein Teil der Milch nur noch über den Spotmarkt vermarktet werden kann und wie lässt sich der Markt vor zu viel Milch schützen? Festpreisgarantien für bestimmte Milchmengen seien derzeit bei immer mehr Molkereien im Gespräch. „Was mit den restlichen Mengen passiert, davon hört man wenig“, kritisiert Michael Welte. Es gebe auch schon erste Molkereien, die nur Großbetriebe aufnehmen und kleinere Betriebe, wenn sie nicht auf der Route liegen, nicht mehr anfahren. „Mit unseren Strukturen im Allgäu und mit unserem Genossenschaftsgedanken passt das nicht zusammen“, betont Welte. Umgekehrt könne es passieren, dass ein Milcherzeuger, der heute 1,5 Mio. kg liefert, ab nächstem Jahr 2,5 Mio. kg liefern möchte. „Auch darauf brauchen wir als Molkerei eine Antwort“, so Welte.

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