Milchwirtschaft setzt auf neue Verfahren
Nachdem ein gemeinsames Zusammenkommen im vergangenen Jahr coronabedingt ausfallen musste, trafen sich die Mitglieder des Milchprüfrings Baden-Württemberg und des Milchwirtschaftlichen Vereins am 20. September in Merklingen zu ihrer Jahresversammlung.
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Corona hat die Molkereien vor riesige Herausforderungen gestellt. Der Wegfall des Großverbraucherbereichs und des Exports auf der einen und Hamsterkäufe gefolgt von Kaufzurückhaltung auf der anderen Seite erforderten jede Menge Mut und Flexibilität. "Unseren Molkereien ist es durch vielfältige Maßnahmen gelungen, die Verarbeitung der Milch und die Versorgung der Verbraucher sicherzustellen,“ meinte Manfred Olbrich, der Vorstandsvorsitzende der beiden Vereine, rückblickend auf das vergangene Jahr. Die Vereinsarbeit bezeichnete er als erfolgreich. Alle Untersuchungen konnten zeitgerecht durchgeführt werden und die Einführung der neue Rohmilchgüteverordnung zum 1. Juli dieses Jahres sei reibungslos gelaufen. „Insgesamt sind wir ohne Schrammen in die neue Rohmilchgüterverordnung gekommen“, freute sich auch der Geschäftsführer der beiden Vereine, Dr. Markus Albrecht.
Zusammenarbeit hat sich bewährt
Olbrich lobte die gute Zusammenarbeit der beiden Vereine, die Partnerschaft mit dem LKV Baden-Württemberg und die gute Vernetzung in die anderen Bundesländer, insbesondere nach Bayern.
Blick auf die Vereinsarbeit
Beim Milchwirtschaftlichen Verein Baden-Württemberg e.V konnten die Dienstleistungen zur Arbeitssicherheit und Hygieneschulungen weiter durchgeführt werden. Bei den Hygieneschulungen gab es zu Pandemiebeginn kurzzeitig sogar einen regelrechten Hype. Die Öffentlichkeitsarbeit mit Verbraucherschulungen und Schulmilchveranstaltungen hingegen waren im Coronajahr kaum noch möglich. Weiterbildungsmaßnahmen zur Energieeffizienz wurden ins Netz verlegt. Geprägt war die Arbeit des Vereins von der Tierwohldiskussion, hier war man im Namen der Mitglieder auch auf Bundesebene aktiv. Dabei ging es um die Ausgestaltung der Kriterien für die einzelnen Haltungsformen und die Durchsetzung süddeutscher Interessen.
Neugründung von Genocell
Gemeinsam mit den Kontrollverbänden aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen habe man die neue Gesellschaft LKV Genocell GmbH gegründet, die in diesen Tagen an den Start gehe. Das Geschäftsmodell ist, dass man über DNA-Analyse aus einer Sammelprobe den Zellgehalt der Einzeltiere ermitteln kann. Hier ist der Milchprüfring Laborpartner. Die Analytik dazu wurde bereits im Juli 2020 in Betrieb genommen und getestet. Bei der Traditionsfirma AIM (Analytik in Milch GmbH) zur Herstellung von Hemmstofftests ist der Milchwirtschaftliche Verein seit 2003 Mitgesellschafter. Im Zuge der neuen Rohmilchgüterverordnung habe diese Firma an Bedeutung gewonnen.
Der Beitragssatz für die Mitgliedschaft im Verein in Höhe von 0,03 Cent pro kg angelieferter Milch bleibt konstant.
Milchprüfring: Die Molkereien hatten an insgesamt 18 Standorten eine Anlieferungsmenge von 2,146 Mrd. kg, das waren 0,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Dahinter stehen 5219 Milchviehbetriebe (minus 4,4 Prozent) und 320.852 Milchkühe (minus 3,1 Prozent). Dr. Albrecht rechnet damit, dass 2021 die Zahl der Betriebe in Baden-Württemberg weiter zurückgehen wird.
Die Untersuchungen finden im Zentrallabor in Kirchheim statt, mit Ausnahme der Hemmstoffuntersuchungen, diese werden an den sechs Außenstellen in den Labors der größeren Molkereien durchgeführt. Mit der neuen Verordnung ist der Test sensibler geworden, so Albrecht. Die Zahl der Untersuchungen insgesamt ging beim Milchprüfring um 2,6 Prozent auf 22,8 Mio. Untersuchungen pro Jahr zurück. Vom Volumen her gesehen sind 50 Prozent der Untersuchungen im Bereich Milchgüte, 20 Prozent im Bereich Mikrobiologie, Trächtigkeitsnachweis und Rückstandsanalytik. Etwa 30 Prozent sind Milchleistungsproben. Diese MLP-Proben seien ebenfalls rückläufig, allerdings gebe es hier eine Erweiterung der Analytik und Beratungsleistungen. Bei den Anlagen schreite die Automatisierung weiter voran. Bei der Rückstandsanalytik habe der Milchprüfring für alle seine Labors die Akkreditierung. Hier soll es künftig zusätzliche Angebote geben. Mithilfe von Genmarkern zum Beispiel sollen Keime noch schneller und günstiger entdeckt werden. Hier ist man in einem Forschungsnetzwerk mit anderen Bundesländern verknüpft. Der Gebührensatz für den Milchprüfring beträgt 0,15 Cent pro kg Milch.
Bei der Milchprüfing GmbH ist die Zahl der Audits auf 4608 gestiegen. Zertifiziert wird auf QM-Milch, QZBW, QS für Mastbetriebe, Regionalfenster und VLOG. Neuerdings ist die GmbH auch als Ökokontrollstelle zugelassen. Die verschiedenen Haltungsformen sieht Albrecht als neue Herausforderungen für den Zertifizierungsbereich.
Tierwohldiskussion im Fokus
„Bei der zunehmenden Tierwohldiskussion überholt der Handel alle. Er verfolgt die Auslobung von Haltungsformen mit einer großen Dynamik und nimmt ein Vermarktungsverbot von Milch aus ganzjähriger Anbindehaltung in Kauf“, kritisierte Olbrich bereits in seinem Eingangsstatement. Dies werde den Strukturwandel beschleunigen und eine flächendeckende Landwirtschaft immer schwerer machen, so seine Befürchtung. Olbrich beklagte zudem die Kostensteigerungen sowohl bei den Milchviehhaltern als auch bei den Molkereien, bei gleichzeitig steigenden Anforderungen. Umso mehr sei man auf Unterstützung und Förderung seitens der Politik angewiesen.
Plädoyer für die Milchwirtschaft im Süden
Agrarminister Peter Hauk hob in seinem Grußwort die Bedeutung des Grünlands und der Milchwirtschaft auch im Sinne des Umwelt- und Naturschutzes hervor. Er bedankte sich für die sichere Versorgung mit Milch und Milchprodukten während der Corona-Pandemie. „Das war nicht selbstverständlich“, so Hauk.
Mit Blick auf die kommenden Jahre bestünde die Herausforderung für die kleinstrukturierte Milchwirtschaft im Süden, sich gut gegen die größeren Strukturen im Norden der Republik zu behaupten. „Unsere Strukturen sollen mürbe gemacht werden, um den Kuchen in Deutschland neu zu verteilen“, warnte Hauk. Für die Milchwirtschaft komme erschwerend hinzu, dass der Druck vonseiten des LEHs, der gemeinsam mit dem Deutschen Tierschutzbund Tierschutzlabels aufbaue, größer werde. Vor diesem Hintergrund sei die ganzjährige Anbindehaltung gesellschaftlich leider nicht mehr vermittelbar. „Dieser Zug ist abgefahren.“ Die Anbindehaltung mit Weidegang als Kombihaltung sei eine Übergangsform, die man gegenüber dem LEH verteidigen und etablieren müsse. Denn gerade in den extensiven Regionen sei diese Haltungsform noch weit verbreitet.
Landesregierung will Tierhalter unterstützen
"Wer regionale Produkte will, muss den Erzeugern auch verlässliche Rahmenbedingungen bieten“, meinte Hauk in Richtung an den LEH. Die Politik wolle die Entwicklung der Tierhaltung hin zu einer gesellschaftlich akzeptierten tiergerechten Haltungsform weiter begleiten. Hierfür soll es weiter interessante Förderprogramme geben, von denen speziell die Betriebe im Süddeutschland profitieren werden, versprach Hauk und zeigte sich insgesamt mit den Beschlüssen zur neuen GAP „nicht unzufrieden“, wie er es ausdrückte. Die Finanzierung der Programme und der Direktzahlung für die nächsten vier Jahre sei gesichert. In der Investitionsförderung werde man die Umstellung von Anbinde- auf Laufstallhaltung unterstützen, mit maximal 40 Prozent Förderung, so Hauk. Außerdem solle das regionale Kälberkonzept zur Vermeidung langer Tiertransporte unterstützt werden. Beim Umbau der Tierhaltung folgt das Land den Empfehlungen der Borchert-Kommission und beim Qualitätszeichen des Landes will man die Kriterien für die Haltungsstufe II anpassen und perspektivisch ab 2026 in Richtung Haltungsstufe III gehen.
Wahlen in die Gremien
Bei den turnusmäßigen Wahlen wurde Jakob Ramm, Neu-Ulm, als langjähriger Vorstand in beiden Vereinen vom Gremium verabschiedet. Für ihn wählten die Mitglieder seinen Nachfolger bei Milchwerke Schwaben, Dr. Johann Meier, neu in den Vorstand des Milchwirtschaftlichen Vereins. Für die Position des 2. Stellvertretenden Vorsitzenden wählte die Versammlung Josef Vögele, Crailsheim. Wiedergewählt in den Vorstand wurden Karl-Georg Geßler, Tettnang und Erich Härle, Ravensburg. Beim Milchprüfring wurden ebenfalls Karl-Georg Geßler, Heinz Kaiser, Freiburg, Josef Vögele, Crailsheim und Manfred Olbrich, Sindringen, wiedergewählt sowie Dr. Johann Meier neu in den Vorstand gewählt.
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