
Krähenschäden außer Kontrolle
Auf Einladung der Kreisbauernverbände und des Landesbauernverbandes trafen sich an mehreren Terminen Politiker, Jäger und Behörden bei betroffenen Landwirten, um Lösungsmöglichkeiten für die Krähenschäden in der Landwirtschaft zu diskutieren.
von Lydia Autenrieth, Dr. Dominik Modrzejewski erschienen am 05.02.2025Wenn im Frühjahr die Aussaat beginnt, steigt die Anspannung bei vielen Landwirten. Immer größer wird die Sorge, hohe Ertragsausfälle durch Saat- und Rabenkrähen in Kauf nehmen zu müssen. Aufgrund der in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich ansteigenden Krähenpopulationen beklagen immer mehr Landwirte in weiten Teilen Baden-Württembergs Schäden im vier- bis fünfstelligen Bereich. Entschädigungen für diese Ausfälle gibt es keine.
Da es bislang keine zentrale Erfassung der Krähenschäden gibt, haben auch im vergangenen Jahr 2024 die Landesbauernverbände in Baden-Württemberg wieder Schäden der landwirtschaftlichen Betriebe gesammelt. Bei den mehr als 100 eingegangenen Schadensmeldungen wurden die Regionen Heilbronn/Ludwigsburg, Rhein-Neckar/Karlsruhe, Biberach/Sigmaringen, Stuttgart/Esslingen sowie die Rheinebene zwischen Karlsruhe und Freiburg als Hotspots der Krähenproblematik identifiziert. Insgesamt 14 Landtagsabgeordnete aus den Fraktionen der CDU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP folgten der Einladung der Kreisbauernverbände und des Landesbauernverbandes. Ergänzt wurde die Runde um betroffene Landwirte, Jäger und Behördenvertreter. Die fünf Vorort-Termine fanden zwischen November 2024 und Januar 2025 bei betroffenen Landwirten statt.
Lydia Autenrieth und Dr. Dominik Modrzejewski vom Landesbauernverband in Baden-Württemberg erläuterten die Schadensmeldungen. Krähen in Schwärmen von bis zu 200 Vögeln fallen demnach auf Felder ein. Das Schadbild umfasst herausgerissene Keimlinge und Jungpflanzen in zahlreichen Kulturen wie Mais, Kohl oder Salat. Betroffen sind auch erntereife Früchte. Angepickt werden Erdbeeren, Äpfel, Kürbisse und Melonen, die anschließend nicht mehr vermarktungsfähig sind. Die Schadenshöhen je Betrieb und Jahr belaufen sich auf bis zu 30.000 Euro in Ackerkulturen und 75.000 Euro in Sonderkulturen. Hinzu kommen indirekte Schäden durch angepickte Bewässerungsschläuche, teils mehrfache Nachsaat und damit verbundener zusätzlicher Aufwand aufgrund der heterogenen Bestände.
Bestand der Saatkrähen wächst
Wesentlicher Grund für die immer größer werdenden Schäden ist der Anstieg der Saatkrähenpopulation im Land. Laut der roten Liste der Brutvogelarten des LUBW wurde die Saatkrähe Anfang der 1980er-Jahre mit einem landesweiten Brutpaarbestand von etwa 500 noch als stark gefährdet eingestuft. Der Anstieg der Population auf 5000 Brutpaare in den darauffolgenden Jahren führte dazu, dass die Saatkrähe seit 2005 in Baden-Württemberg als „nicht gefährdet“ eingestuft wird. Die letzten Erhebungen im Zeitraum von 2012 bis 2016 zeigen einen weiteren Anstieg auf fast 10.000 Brutpaare. Nach Angaben der geschädigten Landwirte stieg die Zahl der Saatkrähen auch in den vergangenen zehn Jahren, in denen keine Daten mehr veröffentlicht wurden, weiter an. So explodierte beispielsweise im Raum Stuttgart die Anzahl der Brutpaare von einem Brutpaar im Jahr 2005 auf mehr als 400 im Jahr 2024. Trotz dieser Populationszunahme hat sich am strengen Schutzstatus der Saatkrähe bis heute nichts geändert.
Ergänzt wurden die Ausführungen aus dem LBV durch Berichte betroffener Landwirte. Die Landwirte Tobias Schmitt aus Hockenheim und Daniel Schumacher aus Köngen berichteten von massiven finanziellen Schäden im Gemüsebau. Im Salat verursachen die direkten Schäden durch ausgerissene Setzlinge oder angepickte erntereife Salatköpfe finanzielle Schäden. Hinzu kommen die strengen Lieferverträge mit dem Lebensmitteleinzelhandel: Wenn sich nur in zwei gelieferten Kisten angepickte Salatköpfe befinden, kommen ganze LKW-Ladungen an Ware auf die Höfe zurück. Auch drohe die Auslistung, wenn die Krähen ganze Salatfelder zerstören und deshalb vertraglich vereinbarte Mengen nicht geliefert werden können.
1Landwirt Markus Läpple, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg berichtete beim Vorort-Termin auf dem Betrieb der Familie Kiemle in Bietigheim-Bissingen von seinen Schäden im Kohl. Die Krähen ziehen die frisch gepflanzten Setzlinge aus dem Boden und picken Löcher in den erntereifen Kohl. Dieser ist dann nicht nur für die Direktvermarktung nicht mehr geeignet, auch für die Verarbeitung kann er aufgrund der möglichen Keimbelastung nicht mehr verwendet werden.
Dominic Grethler, Vorsitzender im Verband baden-württembergischer Saatgutvermehrer, erklärte, dass die Schäden im Saatmais durch die unterschiedlichen Saatzeitpunkte der Vater- und Mutterlinien gravierend sind. Gerade wenn die Vaterlinien-Jungpflanzen von den Krähen rausgerissen werden, drohen aufgrund der fehlenden Bestäubung Totalausfälle. Eine Nachsaat sei – anders als im klassischen Maisanbau – aufgrund der abgestimmten Befruchtungszeiten nicht möglich. Verschärft wird die Problematik durch den drohenden Wegfall der Maisbeizung mit Korit in naher Zukunft. Aufgrund der hohen Krähenpopulationen in den Saatmaisgebieten sei eine erfolgreiche Saatmaisvermehrung dann nicht mehr möglich.
Maissaat einfach ausgepickt
Diese schmerzhafte Erfahrung musste der ehemalige Bio-Milchviehhalter Martin Magg aus Laupheim bereits erleben, da die Beizung mit Korit im Ökolandbau verboten ist und Alternativen wie die Beizung mit Chilipulver keine Wirkung gegen Krähen zeigen. Als einer der wenigen Biolandwirte in der Region konnte er anders als die konventionellen Kollegen sein Maissaatgut nicht beizen, mit der Folge, dass Schwärme von Saatkrähen die gesamte Aussaat vernichteten. Auch zweimaliges Nachsäen half nichts, da die Krähen auch diese Körner wieder aus der Erde holten. Eine Abschussgenehmigung im Einzelfall wurde Magg untersagt und alle alternativen Abwehrversuche wie Flatterbänder, Vogelscheuche oder eine tiefere Aussaat waren wirkungslos. Als einzige Konsequenz blieb nur die Rückumstellung auf konventionelle Landwirtschaft und die Ernüchterung, dass „Bio“ bei ihm an der Natur gescheitert sei.
Thematisiert wurden auch erprobte Abwehrmaßnahmen zur Verhinderung der Krähenschäden. Vogelscheuchen, Reflektoren, Hagelnetze über Sonderkulturen und ackerbauliche Maßnahmen wie tiefere und spätere Aussaat sind alle wirkungslos. Als einzige effektive Vergrämungsmaßnahme wurde die Bejagung durch Jäger identifiziert. Allerdings wird das Antragsverfahren als langwierig und – wie das Beispiel in Laupheim zeigt – die Genehmigung von den unteren Naturschutzbehörden in manchen Regionen als willkürlich beschrieben. Hinzu komme das Problem, dass erst nach erteilter Genehmigung Saatkrähen bejagt werden können. Bis diese vorliege, sei der Schaden jedoch häufig schon eingetreten. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Jäger und Behörden ist von zentraler Bedeutung. Gerade in Sonderkulturen ist das derzeitige Einzelgenehmigungsverfahren nicht zielführend. Salat werde beispielsweise zwischen Februar und November im Abstand von vier bis fünf Wochen regelmäßig gepflanzt. Eine einmalige Abschussgenehmigung helfe da nicht weiter.
Unterschiedlicher Schutzstatus
Nach Ausführungen aus den Reihen der Jäger werde der Zeit- und Kostenaufwand der Jäger den Landwirten zuliebe in Kauf genommen. Von Pöbeleien und Anzeigen durch Spaziergänger bleiben die Jäger jedoch nicht verschont. Besonders problematisch ist, dass die Jäger aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen ein hohes Risiko eingehen, wenn sie Landwirten bei der Bekämpfung der Krähenvögel helfen. Aufgrund des unterschiedlichen Schutzstatus der Saat- und Rabenkrähe kann es zu massiven Problemen kommen. Die Saatkrähe unterliegt in Deutschland dem Naturschutzrecht und darf nur nach vorheriger Genehmigung im Einzelfall durch die untere Naturschutzbehörde bejagt werden. Die Rabenkrähe unterliegt dem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz. Sie kann ohne gesonderte Genehmigung vom 1. August bis 15. Februar außerhalb von Naturschutzgebieten und Naturdenkmalen bejagt werden. Eine große Herausforderung besteht darin, wenn Mischschwärme, also Saat- und Rabenkrähen, auf den Feldern sind. Wird ohne vorherige Genehmigung versehentlich eine Saatkrähe geschossen, ist dies strafbar und kann den Verlust des Waffenscheins zur Folge haben.
Bei mehreren Treffen machten Vertreter der Jäger deutlich, dass die Populationsgröße der Saatkrähe mittlerweile so groß ist, dass das Problem durch einzelne Abschüsse nicht mehr gelöst werden kann. Als langfristig effektive Maßnahme müsse der Bestand insgesamt reduziert werden. Auch wurde beschrieben, dass es durch die starke Vermehrung der Krähenvögel vermehrt zur Verdrängung von Bodenbrütern und Angriffe auf Niederwild komme.
Lösungsmöglichkeiten gefordert
Abschließend wurden Lösungsmöglichkeiten diskutiert, die auf Landesebene umgesetzt werden können. Die zentrale Forderung an die Politik lautet, dass Schäden verhindert werden müssen. Lösungen müssten so ausgestaltet werden, dass die Bejagung rechtssicher und ohne Risiko für die Jägerschaft ausgeführt werden kann und der bürokratische Aufwand auf ein Minimum reduziert wird.
Eine Lösung wäre es, den Schutzstatus der Saatkrähe herabzusetzen. Dies müsste auf Bundesebene erfolgen. Ein Antrag der CSU-Fraktion fand im Jahr 2022 keine Mehrheit. Auf Landesebene besteht für die Rabenkrähe die Möglichkeit, die Schonzeit zu verkürzen oder ganz aufzuheben. Zur Schadabwehr der Saatkrähe könnte eine Allgemeinverfügung oder eine Rechtsverordnung erlassen werden.
Eine Allgemeinverfügung, wie sie im Jahr 2024 erstmals im Ortenaukreis erlassen wurde, hat ebenso wie eine Rechtsverordnung die Vorteile, dass nicht mehr jeder Abschuss beantragt und genehmigt werden muss. So können Schäden effektiv verhindert werden, da eine Bejagung umgehend möglich ist, wenn die Krähen über die Saat herfallen. Für die Behörden reduziert sich der Verwaltungsaufwand und dem Jäger droht nicht mehr der Entzug des Waffenscheins, wenn sie im Falle von Mischschwärmen zufällig eine Saatkrähe erlegen. Allgemeinverfügungen können relativ schnell umgesetzt werden, da sie kein Gesetzgebungsverfahren durchlaufen müssen, sondern durch die unteren Naturschutzbehörden erlassen werden können. Der Nachteil gegenüber einer Rechtsverordnung besteht jedoch darin, dass sie regional beschränkt ist und keine landesweite einheitliche Regelung darstellt. Auch im Ortenaukreis gab es Landwirte, die trotz gültiger Allgemeinverfügung Schäden erlitten. Dies lag daran, dass ihre Gemarkungen nicht innerhalb des Gebiets der Allgemeinverfügung lagen.
Bei den Landwirten besteht die Sorge, dass nicht alle unteren Naturschutzbehörden eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen, obwohl es aufgrund der landwirtschaftlichen Schäden dringend nötig wäre. Deshalb war die klare Forderung, das Erlassen von Allgemeinverfügungen. Dies wäre ein erster Schritt, der bereits für das Anbaujahr 2025 umgesetzt werden muss. Die mittelfristige Lösung besteht in einer landesweiten Rechtsverordnung. Sowohl die Umsetzung der Allgemeinverfügung als auch der Rechtsverordnung muss so ausgestaltet sein, dass sie für die Jäger unbürokratisch umgesetzt werden kann. In der Allgemeinverfügung im Ortenaukreis muss jeder Abschuss am selben Tag gemeldet werden. Dies sei ein unzumutbarerer Aufwand, der zukünftig anders geregelt werden sollte.
Die Vertreter aller Parteien zeigten sich betroffen über die Schäden. Man war sich einig, dass zeitnah Lösungen gefunden werden müssen, um landwirtschaftliche Schäden künftig zu verhindern. Sie sicherten den betroffenen Landwirten zu, das Thema in die politischen Gremien mitzunehmen und Lösungen erarbeiten zu wollen.
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