Erste deutsche Chia-Sorte erhält Sortenschutz
Vom Exoten zum regionalen Superfood: Der Chia-Anbau in Deutschland würde die Ökobilanz des beliebten Lebensmittels verbessern. Nun hat das Bundessortenamt die erste deutsche Chia-Sorte „Juana“ von der Universität Hohenheim in Stuttgart geschützt. Damit ist der Weg frei für den gewerbsmäßigen Anbau des Superfoods in hiesigen Breiten. Gesucht sind nun Saatzuchtfirmen, die „Juana“ in ihr Programm aufnehmen und Landwirten zur Verfügung stellen wollen.
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Nicht umsonst tragen sie den Beinamen „Gold der Azteken“: Die Samen der Chia-Pflanze (Salvia hispanica L.) gewannen in den letzten Jahren in Europa sehr stark an Popularität und sind fast überall in den Supermarktregalen zu finden.
Der regionale Anbau der Chiapflanze auf deutschen Äckern soll nun dazu beitragen, die Umweltbelastung durch Pestizide und Kohlendioxid deutlich zu reduzieren. Dann könnte die einheimische Bevölkerung in Südamerika eines ihrer Grundnahrungsmittel auch wieder verstärkt selber nutzen.
Anbau von Superfood ökologisch oft problematisch
Doch noch immer stammen die Chia-Samen in deutschen Supermarktregalen zum größten Teil aus Südamerika – nicht unbedingt zum Vorteil für Mensch und Umwelt: Der Transport um die halbe Welt führt zu einem enormen Kohlendioxid-Ausstoß. Um die erhöhte Nachfrage befriedigen und den Ertrag steigern zu können, setzen zudem die lokalen Landwirte in Südamerika vermehrt Pestizide ein.
Ursache der hohen Nachfrage ist das gestiegene Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher und die damit verbundene Nachfrage nach so genannten funktionellen Lebensmitteln und „Superfoods“, denen gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben werden. Tatsächlich weisen Chia-Samen einen hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Omega-3 und Omega-6) in einem ernährungsphysiologisch günstigen Verhältnis sowie einen außergewöhnlichen hohen Gehalt an Ballaststoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien auf.
„Mit der Nachfrage steigt auch der Preis, so dass sich die lokale Bevölkerung ein Produkt nicht mehr leisten kann, das eigentlich zu ihren Grundnahrungsmitteln gehört“, weist apl. Prof. Dr. Graeff-Hönninger, Leiterin der Arbeitsgruppe Anbausysteme und Modellierung; auf ein weiteres Problem hin. „Darum ist der Anbau in Deutschland auch so wichtig“, fährt sie fort. „Wir schaffen damit attraktive Produkte und auch neue Einnahmequellen für die hiesigen Landwirte.“
Die Suche nach dem passenden genetischen Material
Lange Zeit galt dies jedoch als unmöglich, denn Chia ist eine so genannte Kurztagspflanze. Das heißt, um blühen und Samen ausbilden zu können, dürfen die Tage eine bestimmte Länge nicht überschreiten. Das ist in Deutschland erst im Herbst der Fall. „Die Pflanzen sind jedoch sehr kälteempfindlich und erfrieren im Herbst, bevor sie überhaupt Samen bilden können“, erklärt die Expertin.
Gemeinsam mit Dr. Volker Hahn von der Landessaatzuchtanstalt in Hohenheim haben sich die Pflanzenexpertinnen schon 2015 im Rahmen des durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Projekts „BioÖkonomie Chia-Chain ? Erzeugung von Chia unter deutschen Bedingungen“ auf die Suche nach geeigneten Sorten gemacht.
„Um Chia in unserem kälteren Klima anbauen zu können, mussten wir nach Sorten suchen, die an unsere Tageslängengegebenheiten in den wärmeren Sommermonaten angepasst sind. Nur auf diese Weise kann sowohl der Anspruch von Chia an die Tageslänge als auch an die Temperatur erfüllt werden. Es war gut möglich, dass eine Sorte aus Mexiko nicht für uns geeignet war, während eine aus Bolivien genau unseren Anforderungen entsprach. Die Suche nach entsprechend geeignetem genetischen Material war der erste Schritt für einen Anbau in Deutschland“, erklärt Samantha Jo Grimes, Projektbearbeiterin und Doktorandin am Institut für Kulturpflanzenwissenschaften.
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Interessierte Saatzuchtfirmen bitte melden
Die systematische Suche führte letztlich auch zum Erfolg: „Es ist uns gelungen, aus einer Vielzahl an Samen verschiedener Herkünfte eine Sorte zu selektieren, die auch unter Langtagbedingungen, wie bei uns im Sommer, zur Blüte kommt. Für den regionalen Anbau der frostempfindlichen Chiapflanze unter deutschen Klimabedingungen heißt das, dass das Risiko entsprechender Ernteverluste durch Frost kaum noch existent ist.“
Parallel zu den letzten Anbauversuchen meldeten Dr. Volker Hahn, Simone Graeff-Hönninger und Samantha Jo Grimes die neue Sorte zur Sortenprüfung beim Bundessortenamt an. Im März 2021 hat das Bundessortenamt die Chia-Sorte „Juana“ freigegeben.
Die Forschenden suchen nun noch Saatzuchtfirmen, die die Sorte in ihr Programm aufnehmen und Landwirten zur Verfügung stellen wollen. Sie werden gebeten, sich bei Dr. Volker Hahn zu melden.
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