Extremjahr mit viel Lager
Während sich die Winterroggenfläche ausgedehnt hat, ging der Anbau von Wintertriticale zurück. Starkregen und Sturmböen führten im Jahresverlauf zu Problemen und verzögerten die Ernte.
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Gewinner bei den Wintergetreiden 2023 im Flächenumfang ist der Winterroggen. Mit 10.900 ha landesweit kann die Kultur ein deutliches Plus von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verbuchen. Die ersten Ertragsprognosen sind nicht so schlecht wie befürchtet und gehen von einer durchschnittlichen Ernte von 50 dt/ha aus. Damit liegt der Kornertrag etwa 5 dt/ha über dem von 2022, aber weiterhin deutlich unter dem langjährigen Mittel von 54 dt/ha. Sorgen machen sich Praktiker und der Handel vor allem um mögliche Qualitätsverluste durch die anhaltenden Niederschläge zur Erntezeit. Es wird massiv mit Auswuchs und niedrigen Fallzahlen gerechnet.
Der Anbauumfang von Wintertriticale in Baden-Württemberg hat mit 22.600 ha etwa 15 Prozent an Fläche eingebüßt (2022: 26.400 ha). Bisherige Schätzungen gehen von einem Durchschnittsertrag um die 67,5 dt/ha aus (Daten Umfang und Erträge vom Statistischen Landesamt).
Winterroggen und -triticale werden in den Landessortenversuchen (LSV) zweifaktoriell geprüft: in Variante 2 kommen, angelehnt an die Vorgaben des integrierten Pflanzenschutzes, Fungizide und Wachstumsregler zum Einsatz, in der reduzierten Variante (V1) wird auf diese Pflanzenschutzmaßnahmen verzichtet.
Mix aus Lager, Auswuchs, Ährenknicken und Halmbruch
Die Aussaatbedingungen waren optimal. Der überwiegende Teil der Sorten ging in gutem Zustand in den Winter. Nach den milden Temperaturen zu Jahresbeginn und vielen Niederschlägen entwickelten sich die Bestände mit der einsetzenden warmen Witterung und einer zeitigen Andüngung sehr gut. Eventuelle Lücken wurden durch eine kräftige Bestockung rasch geschlossen. Das anfangs sortenspezifische Lager wurde aber aufgrund von Starkregen und Sturmböen in vielen Beständen zum Totallager. Zudem verzögerte sich die Ernte witterungsbedingt im Schnitt um zehn bis 14 Tage. Feuchte und mehr Niederschläge führten zu Auswuchs im Lagergetreide. Die noch nicht beernteten Parzellen in Boxberg fielen diesen Umständen zum Opfer.
Die Mixtur aus Lager, Auswuchs, Ährenknicken und Halmbruch, ausgefallenen Körnern und auch massivem Mäusefraß machten eine Verrechnung der Winterroggen- und Triticalen-LSV nicht mehr möglich. Die Wachstumsbeobachtungen fließen in die Auswertungen mit ein.
Roggen: Zehn Standorte aus vier Bundesländern für die Verrechnung
Die LSV Winterroggen 2023 wurden über zehn Standorte länderübergreifend mit Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz verrechnet. Der Durchschnittsertrag lag bei 89 dt/ha in V1 und 99 dt/ha in V2. Das schwächste Ergebnis wurde in Rheinstetten-Forchheim mit 43 dt/ha verbucht. Spitzenreiter war wider Erwarten der Standort Kupferzell: Das hier angewendete Vorauflaufherbizid hatte sortenspezifisch und sichtbar phytotoxische Wirkung auf den Versuch. Durch den wüchsigen Winter und eine etwas erhöhte Andüngung im Frühjahr konnte sich der Bestand erholen und optimal entwickeln.
Die Ernte erfolgte an fast allen Standorten bei trockenem Wetter mit guten Bedingungen. Dominierende Blattkrankheiten waren Rhynchosporium und Braunrost. Mutterkorn war 2023 nicht erkennbar und nicht messbar. Hektoliter (HL)-Gewicht (75 kg) und Tausendkornmasse TKM (29 g) liegen deutlich unter Vorjahresniveau. Gespannt sein darf man auf die Fallzahlen und Rohproteinwerte. Sobald die Ergebnisse vorliegen, werden sie auf der Homepage des LTZ Augustenberg veröffentlicht.
Triticale: Vier Standorte fließenin die Verrechnung ein
Bei den LSV Wintertriticale 2023 konnte über vier von fünf Standorten verrechnet werden. Die Kornerträge mit durchschnittlich 105 dt/ha (V1) bzw. 118 dt/ha (V2) waren über alle Standorte sehr hoch. In Krauchenwies wurde mit 125 dt/ha (V2) der ertragsstärkste Versuch gedroschen. Wie bei den Winterroggen wirkte sich die Herbizidanwendung in Kupferzell stark ausdünnend auf den Bestand aus, was aber die Frühjahrswitterung und zeitige Düngung gut kompensieren konnten. Durch die feuchte und kalte Witterung setzte in einigen Sorten ein früher Rynchosporium- und Mehltaubefall ein. Anfällige Sorten bekamen früh erste Gelbrostpusteln. In Eiselau und Krauchenwies trat verstärkt Blattseptoria auf. Braunrost und Mutterkorn konnten nicht festgestellt werden. Wie bei Winterroggen auch, waren zur Ernte fast alle Parzellen im Lager.
Winterroggen Süddeutschland:Sortenbeschreibungen
KWS Receptor EU erreicht ein- und mehrjährig zuverlässig hohe Erträge und zählt zu den ertragsstärksten Prüfkandidaten. Leichte Schwächen zeigen sich bei der Standfestigkeit. 2023 überzeugt die Sorte mit der besten Rhynchosporiumtoleranz und dem höchsten HL-Gewicht. Die ungünstige Einstufung in der BSL(7) bei Braunrostanfälligkeit kann 2023 nicht bestätigt werden.
Die EU-Sorte KWS Serafino kann ihr Ertragspotential 2023 mit 98 Prozent (V1) und 97 Prozent (V2) relativ nicht ganz ausspielen. Mehrjährig liegt das Leistungsniveau leicht unter dem Durchschnitt. 2023 zeigt sich eine überdurchschnittliche Braunrostanfälligkeit. Bei Mutterkorn ist der Roggen in der BSL (3) sehr gut eingestuft. Mit ihren hohen Amylogrammwerten laut BSL eignet sich die Sorte hervorragend als Backroggen.
KWS Tayo bestätigt 2023 seine Ertragsstärke mit insgesamt 102 Prozent relativ (V1 und V2). Auch mehrjährig wird der Roggen der hohen Einstufung in der BSL (8/9) gerecht. Die Sorte ist sehr standfest und durchschnittlich blattgesund. KWS Tayo ist ein typischer Brotroggen mit sehr hohen Amylogrammwerten laut BSL (9/9) und einem großen Korn.
KWS Tutor ist ein- und mehrjährig der ertragsschwächste Prüfkandidat. Standfestigkeit und Braunrosttoleranz sind 2023 leicht unterdurchschnittlich. In der BSL ist die Mutterkornabwehr mit (3) sehr gut bewertet. Das HL-Gewicht ist 2023 relativ niedrig.
Piano (nicht orthogonal geprüft, im Z-Saatgut sind zehn Prozent Populationsroggen eingemischt) zeigt sich in diesem extremen Jahr ertragsfreudiger als 2022. Auf dem sandigen Standort Rheinstetten-Forchheim liegt der Relativertrag der Sorte bei 112 Prozent und damit an der Spitze. Mehrjährig kommt Piano nicht über 98 Prozent Relativertrag hinaus. Die Sorte hat eine gute Strohstabilität und Braunrosttoleranz. Laut Einstufung der BSL ist Piano ein typischer Brotroggen mit hohen Fallzahl- und Amylogrammwerten.
SU Cossani (nicht orthogonal geprüft, zehn Prozent Populationsroggen im Z-Saatgut) präsentiert sich 2023 ertragsstärker als im Vorjahr. Am Standort Rheinstetten-Forchheim hinterlässt die Sorte mit 107 Prozent relativ einen guten Eindruck. Mehrjährig liegen die Ertragsleistungen konstant bei 98 Prozent (V1) und bei 97 Prozent (V2) relativ. SU Cossani ist strohstabil und zeigt 2023 den geringsten Braunrostbefall trotz der Einstufung in der BSL mit 6.
SU Karlsson (zehn Prozent Populationsroggen im Z-Saatgut) ist die einzige Neuzulassung 2023 und in der BSL (8/8) beim Ertrag sehr gut bewertet. Dies kann der Roggen mit 100 Prozent relativ (V1) und 98 Prozent relativ (V2) in diesem Jahr nicht ganz bestätigen und muss sein Leistungspotenzial mehrjährig noch unter Beweis stellen. Die Lageranfälligkeit ist 2023 leicht überdurchschnittlich. SU Karlsson punktet mit guten Krankheitstoleranzen gegenüber Rhynchosporium und Braunrost.
SU Perspectiv EU bestätigt 2023 und mehrjährig die Einstufung in der BSL (8/8) als Hochleistungssorte mit weit überdurchschnittlichen Kornerträgen. Der kurzstrohige Roggen zeigt sich in diesem Jahr, trotz sehr guter Einstufung in der BSL (3), lageranfällig. SU Perspectiv hat ein ausgeglichenes Toleranzprofil. Das HL-Gewicht ist 2023 überdurchschnittlich hoch.
Wintertriticale Baden-Württemberg: Sortenbeschreibungen
Die Sorte Belcanto bestätigt auch in diesem Jahr ihre sehr gute Blattgesundheit und Strohstabilität. Die Ertragsleistung erreicht gute 101 Prozent relativ in V1. In der integrierten Stufe ist die Sorte mit 94 Prozent relativ Schlusslicht unter den Prüfkandidaten. Mehrjährig liegt das Ertragsniveau über die Anbaugebiete hinweg leicht unter dem Durchschnitt. Beim HL-Gewicht liegt die Sorte Belcanto allerdings an der Spitze.
Cedrico bleibt 2023 im Kornertrag in beiden Varianten im unteren Mittelfeld. Mehrjährig präsentiert sich die Sorte ertragsfreudiger. Die kurzwüchsige Triticale kann eine gute Standfestigkeit vorweisen und bleibt bei Gelbrost und Rhynchosporium unauffällig. Schwachpunkt der Sorte ist die stärkere Anfälligkeit für Mehltau. Positiv ist die sehr gute Fusariumtoleranz laut BSL (3).
Charme erzielt 2023 mit Ausnahme vom Standort Döggingen sehr hohe Kornerträge. In der reduzierten Variante liegt der Relativertrag bei sehr guten 104 Prozent. Auch mehrjährig bestätigt sich die Einschätzung in der BSL (8/7). Die Sorte zeigt 2023 Lagertendenzen, Gelbrost- und Mehltautoleranz sind gut, bei Rhynchosporiumbefall liegt die Triticale über dem Versuchsmittel. Charme überzeugt außerdem mit einem ausgezeichneten HL-Gewicht.
Lombardo liegt beim Ertrag 2023 im Mittelfeld. Gemäß den mehrjährigen Ergebnissen ist die Sorte in V2 ertragsstärker einzuschätzen. Bei Standfestigkeit, Gelbrost- und Rhynchosporiumtoleranz zeigt Lombardo leichte Schwächen. Die Braunrostanfälligkeit ist laut BSL (7) im Auge zu behalten. Lombardo besitzt eine ausgezeichnete Winterhärte (BSL 2).
Lumaco kommt in der reduzierten Variante 2023 nicht über 96 Prozent relativ hinaus. Behandelt bewegt sich die Sorte im Mittelfeld. Auch mehrjährig wird sie der Einschätzung in der BSL (8/7) nicht ganz gerecht. Lumaco zeichnet sich durch eine hervorragende Mehltau- und Gelbrosttoleranz aus. Trotz guter Einstufung in der BSL (3) liegt der Befall mit Rhynchosporium 2023 deutlich über dem Versuchsdurchschnitt. Ein Manko der langstrohigen Triticale ist die schwache Standfestigkeit. Lumaco hat ein kleines Korn und kommt auf eine niedrige TKM.
Presley präsentiert sich 2023 mit 104 Prozent relativ (V1) und 103 Prozent (V2), auch mehrjährig, insgesamt ertragsstark. Die kurzstrohige, standfeste Sorte besticht durch eine gute Gelb- und Braunrosttoleranz (BSL 2). Die stärkere Mehltauanfälligkeit muss beachtet werden.
Ramdam dominiert 2023 mit 103 Prozent relativ (V1) und 106 Prozent relativ (V2) Kornertrag das Prüfsortiment. Mehrjährig sind die Relativerträge etwas niedriger anzusetzen. Die langstrohige Sorte zeigt sich 2023 ausgesprochen standfest und gelbrosttolerant. Auffällig ist dagegen der starke Mehltaubefall, trotz guter Einstufung in der BSL (4). Ramdam besitzt laut BSL (1) eine herausragende Resistenz gegenüber Braunrost
Rivolt EU zeigt sich 2023 in der behandelten Variante ausgesprochen homogen und generiert 106 Prozent Relativertrag. In V1 ist die Kornleistung mit 98 Prozent relativ schwach. Mehrjährig ist Rivolt in der behandelten Variante die ertragsstärkste Triticale, zeigt aber auch gute Ergebnisse in der unbehandelten Variante. Hervorzuheben sind 2023 die gute Standfestigkeit und der geringe Mehltaubefall. Nachteile hat die Sorte bei Rhynchosporium, Gelbrost und Blattseptoria. Rivolt hat im Prüfsortiment die kürzeste Reifezeit.
Trias EU ist eine neue Prüfsorte, die im Jahr 2023 im Ertrag das Schlusslicht bildet. Die Einstufung in der BSL (8/7) muss die Sorte mehrjährig erst noch belegen. Überzeugen kann Trias mit einer sehr guten Mehltau- und Gelbrosttoleranz. Nicht zu übersehen ist der starke Blattseptoriabefall in Eiselau. Die Sorte neigt zu Lager. Die TKM ist ausgesprochen hoch.
Tributo, eine Neuzulassung, beeindruckt mit einem hervorragenden Resistenzprofil. Entsprechend hoch ist 2023 der Kornertrag mit insgesamt 102 Prozent relativ in V1. An den Standorten Kupferzell und Döggingen liefert die Sorte den höchsten Kornertrag im Sortiment, bleibt dagegen in Krauchenwies und Eiselau weit unter der Einstufung laut BSL (8). Mehrjährig muss die Sorte ihr Ertragspotential noch unter Beweis stellen. Bei der Strohstabilität zeigen sich erhebliche Mängel. Charakteristisch für die Sorte sind das späte Ährenschieben, die späte Reife und die höchste TKM.
Empfehlungssorten für den Anbau 2023/24:
Winterroggen: KWS Receptor EU, KWS Tayo, SU Perspectiv EU.
Wintertriticale: Charme, Presley, Ramdam, Rivolt EU, Belcanto auslaufend.
Detaillierte Einzelortergebnisse sowie die Qualitätsuntersuchungen der Ernte 2023 werden unter www.ltz-augustenberg.de eingestellt.
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