Kein gutes Jahr für Hafer
Kaum ein anderes Getreide litt 2023 so unter den ungünstigen Witterungsbedingungen wie Hafer. Hier die Ergebnisse der Landessortenversuche vom vergangenen Jahr.
- Veröffentlicht am

Eine verzögerte Aussaat, Trockenheit, eine späte Ernte und unbefriedigende Qualitäten kennzeichneten das Haferjahr 2023. Entsprechend enttäuschend fiel in der Praxis in Baden-Württemberg der Durchschnittsertrag mit 42 dt/ha (2022 55 dt/ha) aus. Erfreulicherweise war 2023 im Anbauumfang nur ein leichter Rückgang (minus zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr) auf 18.050 ha zu verzeichnen. Dagegen reduzierte sich die Vermehrungsfläche um 20 Prozent auf 360 ha (Zahlenquellen: Gemeinsamer Antrag 2023; statistisches Landesamt BW; Saatgutanerkennungsstelle LTZ).
Die LSV Baden-Württemberg werden über den Großraum Süddeutschland mit den Standorten aus Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz verrechnet. Seit 2023 werden die baden-württembergischen Haferversuche in Anlehnung an die Wertprüfungen wieder zweifaktoriell angelegt. Das heißt, in V1 werden keine Fungizide eingesetzt, in V2 findet die ortsübliche, integrierte Behandlung statt. Auch Hessen fährt zwei Intensitäten. Dagegen verzichten Bayern und Rheinland-Pfalz auf Fungizidbehandlungen. Wachstumsregler werden je nach Bedarf beziehungsweise in lagergefährdeten Beständen verhalten eingesetzt. Die einjährigen Verrechnungen basieren deshalb auf zehn Versuchen in V1 und fünf in V2.
Die Aussaat zog sich
Witterungsbedingt erfolgte die Aussaat deutlich später als ortsüblich und zog sich über die zehn Standorte vom 17 März (Köfering/Bayern) bis zum 21. April (Eichhof/Hessen). Am baden-württembergischen Höhenstandort St. Johann war eine Aussaat nicht mehr möglich.
Die Auflaufbedingungen waren, auch wegen unzureichender Bodenbearbeitung, an den meisten Standorten schlecht. Nach dem nassen und kalten Frühjahr folgte eine mehrwöchige Trocken- und Hitzeperiode, die sich vor allem in der Kornfüllungsphase negativ auswirkte. Die Bestände blieben kurz im Wuchs mit mäßigen Bestockungstrieben, die Abreife erfolgte zügig. Durch die anhaltenden Regenfälle verzögerte sich die Ernte um durchschnittlich zwei Wochen. Folgen waren zum Teil massiver Aus- und Zwiewuchs. Stärkeres Lager und Halmknicken gab es nur vereinzelt. Der Standort Boxberg wurde zur Ernte Opfer langanhaltender Regenfälle. Die Bestände gingen ins Lager und waren nicht mehr zu beernten. Ein weiterer Ausfall war der Standort Döggingen: Der Versuch war zu inhomogen, die Bestände kümmerlich mit Schadschwellen überschreitendem Befall von Getreidehähnchen. Insgesamt blieben die Versuche bis auf wenige Ausnahmen (Haferröte) gesund. Große Probleme verursachten mancherorts hingegen die Fraßschäden des Getreidehähnchens.
BW: Neun Spelzhafer in der Prüfung
2023 standen in Baden-Württemberg neun Spelzhafersorten in der Prüfung, einschließlich der landesweit bedeutendsten Hafersorte Apollon sowie den Neuzulassungen Karl und Asterion. Der Durchschnittsertrag über alle Standorte erreichte mit 57 dt/ha in V1 ein deutlich geringeres Ertragsniveau als im Vorjahr (73 dt/ha). Ertragsstärkste Standorte waren Krauchenwies mit 72 dt/ ha und Köfering (BY) mit 71 dt/ha. Hier waren die Bedingungen von der Saat bis zur Ernte gut, und es konnten höhere Erträge als 2022 erzielt werden. Schlechte Voraussetzungen für eine gute Ernte hatten Nomborn (Rheinland-Pfalz) mit 22 dt/ha (2022: 70 dt/ha) und Eichhof (Hessen) mit 35 dt/ha (2022: 71 dt/ha).
Die Qualitäten waren 2023 aufgrund der Frühsommerhitze und der schlechten Erntebedingungen mehr als unbefriedigend. Die Mindestanforderungen beim Hektolitergewicht von 50 bis 55 kg/hl, entscheidendes Qualitätskriterium bei der Vermarktung, konnte mit durchschnittlich 47 kg/hl keine der geprüften Sorten erfüllen. Die für Schälmühlen wichtige Sortierung (90 Prozent über 2,0 mm) wurde im Mittel mit 90,4 Prozent (2022: 96 Prozent) nur knapp, aber nicht von allen Prüfsorten, erreicht. Der Spelzanteil lag mit 34 Prozent (2022: 27 Prozent) sehr hoch.
Prüfsortiment 2023
Der bereits 2014 zugelassene Hafer Apollon (nicht orthogonal) besticht in erster Linie durch seine Qualitäten: charakteristisch sind die sehr guten Kornsortierungen, ein hohes hl-Gewicht und eine hohe TKM. Mit den neueren Sorten kann Apollon ertraglich nicht ganz mithalten und kommt mehrjährig auf unterdurchschnittliche Leistungen. 2023 überrascht die Sorte, wie schon 2022, in Eiselau mit 104 Prozent (V1) beziehungsweise 105 Prozent (V2) als zweitstärkster Prüfkandidat. Der langwüchsige Hafer neigt trotz stärkerer Reifeverzögerung zu Lager, hat aber stabile Halme. Bei der Bestandesführung ist die erhöhte Mehltauanfälligkeit zu beachten.
Asterion ist eine Neuzulassung mit einer hervorragenden Mehltauresistenz, guten Halmstabilität und durchschnittlichen Standfestigkeit. Stärkere Verzögerungen gibt es bei der Strohabreife. Die Sorte hinterlässt 2023 über die Standorte und Varianten einen homogenen Eindruck, kann aber die Ertragserwartungen laut BSL (7/7) im ersten Prüfjahr nicht erfüllen. Mehrjährig muss sich das Ertragsvermögen der Sorte noch zeigen. Bei hl-Gewicht, Sortierung und Spelzanteil liegt Asterion über dem Versuchsmittel.
Delfin verbindet eine gute Standfestigkeit mit einer geringen Neigung zum Halmknicken und einer ausgezeichneten Resistenz gegen Mehltau. Eine stark ungleichmäßige Korn- und Strohabreife (BSL 7) zeigte sich 2023 nicht. Ein- und mehrjährig schwanken die Erträge um das Versuchsmittel. Mit der BSL-Einstufung von 3 beim Spelzenanteil und 4 beim Anteil nicht entspelzter Körner eignet sich Delfin vorrangig für die Futternutzung.
Fritz ist ein frühreifer Hafer, der sich besonders für leichtere Standorte wie zum Beispiel Eichhof (Hessen) empfiehlt: Mit 114 Prozent (V1) beziehungsweise 115 Prozent (V2) liegt die Sorte 2023 hier mit weitem Abstand an der Spitze. Ein- und mehrjährig sind die Erträge überdurchschnittlich. Sortierleistung, TKM und hl-Gewicht sind gut bis sehr gut. Wesentliche Nachteile der Sorte sind die mangelhafte Standfestigkeit (BSL 8) und die geringe Halmstabilität (BSL 7), die 2023 allerdings nur verhalten auftraten.
Die Neuzulassung Karl kombiniert hohe Kornleistung mit guten Qualitätseigenschaften: weit überdurchschnittliche Erträge an fast allen Prüfstandorten, mittleres bis hohes hl-Gewicht, geringer Spelzenanteil und gute Entspelzbarkeit der Körner. Hinzu kommt eine hervorragende Resistenz gegen Mehltau. Die stärkere Lageranfälligkeit sollte im Auge behalten werden. Zur besseren Beurteilung der Sorte müssen die mehrjährigen Ergebnisse abgewartet werden.
Lion kann 2023 in der unbehandelten Variante mit einem insgesamt überdurchschnittlichen Ertragsniveau aufwarten, präsentiert sich aber über die Prüfstandorte unbeständig. Mehrjährig liegen die Erträge leicht unter dem Durchschnitt. Lion erhält eine sehr gute Bewertung in den Merkmalen Spelzanteil und Anteil nicht entspelzter Körner. Die Neigung zu Lager und Halmknicken ist mittel. Lion zählt zu den Sorten mit einer starken Mehltauanfälligkeit, die in den LSV Baden-Württemberg selten von Bedeutung ist. Qualitativ liegt der Hafer 2023 im Mittel.
Magellan erzielt mehrjährig mit 102 Prozent (V1) relativ ein beachtliches Ergebnis. 2023 bewegt sich die Sorte, bis auf wenige Ausnahmen, im unterdurchschnittlichen Bereich. Magellan ist langwüchsig bei einer durchschnittlichen Standfestigkeit und Halmstabilität. In den Sortierungen liefert die Sorte 2023 die niedrigsten Werte. Das hl-Gewicht liegt im Mittelfeld.
Max, Zulassung 2008, bleibt bundesweit die am häufigsten angebaute Hafersorte. Im Prüfsortiment ist Max seit Jahren eine der beständigsten und ertragsstabilsten Sorten. Ertraglich platziert sich der Hafer ein- und mehrjährig im unteren Drittel. Neben der Frühreife und der gleichmäßigen Korn- und Strohabreife ist vor allem das hohe hl-Gewicht hervorzuheben. Das TKM und die Sortierungen sind unterdurchschnittlich, der Spelzanteil ist 2023 trotz guter BSL-Einstufung (2) hoch. Schwächen zeigt Max bei der Strohstabilität.
Platin erreicht 2023 nicht das Vorjahresniveau und kommt auf lediglich 98 Prozent Relativertrag in der unbehandelten Variante. In V2 und mehrjährig ist die Sorte leistungsstärker einzuschätzen. Die agronomischen Eigenschaften Standfestigkeit und Halmstabilität der frühreifen Sorte sind gut bis durchschnittlich, die Korn-Stroh-Abreife erfolgt gleichmäßig. Hl-Gewicht und Sortierung sind gutes Mittelmaß, die Schäleigenschaft ist relativ gut. Die Mehltauanfälligkeit ist laut BSL (3) gering.
Empfehlungssorten Baden-Württemberg 2023: Apollon auslaufend, Max auslaufend, Lion, Fritz regional (schwächere, sandige Standorte).
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.