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Volker Escher setzt auf Striegeln

Weniger Chemie in der Praxis

Volker Escher aus Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) testet auf seinem Ackerbaubetrieb Alternativen zum chemisch-synthetischen Pflanzenschutz. Der Landwirtschaftsmeister bekämpft dabei Unkraut vor allem mechanisch mit Striegel und Hacke. Zudem testet er die Verringerung von Fungiziden und Wachstumsreglern im Getreide. Über seine Erfahrungen berichtete er auf der Pflanzenbaulichen Vortragstagung.

von Heiner Krehl erschienen am 05.12.2025
Wirkung der Einnetzung von Kartoffeln 2025 auf dem Betrieb Escher – An den beiden satter grünen Flächen in der Mitte lag jeweils ein Netz auf. © Tom Terbrüggen, LTZ Augustenberg
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Zur Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuer Verfahren im Pflanzenbau ist die Nutzung des technischen Fortschritts in der landwirtschaftlichen Praxis entscheidend. Das hatten sowohl Dr. Wilfried Hermann, Leiter der Versuchsstation Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim, als auch Ministerialdirigent Konrad Rühl vom Landwirtschaftsministerium zu Beginn der Pflanzenbaulichen Vortragstagung am 20. November 2025 in Sindelfingen (Landkreis Böblingen) betont.

Theorie braucht die Umsetzung in der Praxis

Betrieb Volker Escher

Betriebsleiter: Volker Escher, 47 Jahre. Landwirtschaftsmeister, Wirtschafter des Landbaus, Kreisrat, Gemeinderat und Ortschaftsrat.Standort: Hegnach, Teilort von Waiblingen (Rems-Murr-Kreis). Ca. 35 % der Flächen liegen im Fauna-Flora-Habitat (FFH)- und Landschaftsschutz (LS)- Gebiet. Bodenpunkte von 38 bis 95. Tolle Böden, aber auch „Stundenböden“ mit viel Tonanteil.Betriebsorganisation: Reiner Ackerbaubetrieb mit Direktvermarktung und vielfältiger Fruchtfolge: Winterweizen, Dinkel, Emmer, Einkorn, Gelbmehlweizen, Sommergerste, Körnermais, Raps, Kartoffeln.Biodiversität: Blühstreifen seit über 20 Jahren mit der Stadt Waiblingen; Rebhuhn-Blühflächen als Deckung und Futtervorrat. „Lichtacker“ im Winterweizen mit dem Landschaftserhaltungsverband (LEV) Rems-Murr sowie wissenschaftlicher Begleitung durch die Universität Hohenheim. Erfasst werden dabei die Segetalflora (Ackerbegleit-, Ackerwildkräuter), wichtige Laufkäferarten, Ertrag und Qualität. Pflanzenschutz: Seit 2021 Demonstrationsbetrieb zur Pflanzenschutzmittelreduktion.

Sommergerste ohne Herbizide funktioniert

In der Sommergerste verzichtet Escher ganz auf Herbizide und sät so früh wie möglich im Februar/März aus, wenn oft im Keimblattstadium der Unkräuter ziemlich ideale Bodenverhältnisse herrschen. Allerdings können manchmal Nachtfröste und zu große Bodenfeuchte das Striegeln erschweren oder verzögern. Blindstriegeln erfolgt meist etwa ein bis zwei Wochen nach der Saat, je nachdem, wie schnell die Samen keimen. Danach wird im April/Mai nochmals ein- bis zweimal gestriegelt. Diese Art der Bewirtschaftung hat durch die schnelle Bestockung in den vergangenen Jahren „ganz gut geklappt“, bilanziert der Landwirt.

Unkraut im Wintergetreide folgt dem Klimawandel

Beim Wintergetreide ist das Striegeln im Herbst fast nicht möglich, wenn der Boden nicht schüttfähig ist und er durch Regen und Tau nicht mehr abtrocknet. Im Februar, wenn man eventuell mit dem Striegel fahren könnte, sind der Ackerfuchsschwanz und Ehrenpreis zu groß zum Striegeln.

„Ungras und Unkraut wachsen den ganzen Winter durch. Infolge des Klimawandels haben wir keine Vegetationsruhe im Wintergetreide mehr.“ Volker Escher, Landwirtschaftsmeister

„Das Wetter ist eine mega Herausforderung. Häufig gibt es nur sehr kurze Zeitfenster für die einzelnen Arbeitsgänge. Oft ist es zu nass im späten Herbst und frühen Frühjahr und Nachtfröste erschweren die Feldarbeiten auch noch“, beschreibt Escher die enorme Abhängigkeit vom Wetter.

Bei Kartoffeln zeigt sich die Wetterabhängigkeit besonders

Der Landwirt stellt bei der Herbizidbehandlung in Kartoffeln zwei Varianten vor. In der Variante „Minus 20 % Herbizid“ herrschen für das Bodenherbizid ideale Voraussetzungen, wenn es nach der Ausbringung öfters regnet. Als Ergebnis steht fast kein Unkraut im Kartoffelbestand. In der Variante „Ohne Herbizid mit Hacke“ wirken sich die unterschiedlichen Wetter- und Bodenbedingungen sehr stark aus. Mal ist es zum Striegeln zu feucht, mal der Boden in der oberen Schicht zu hart und nicht schüttfähig, mal sind die Unkräuter für die Maschinenhacke zu groß, sodass der Landwirte die Hacke selbst in die Hand nehmen muss – mit entsprechendem Zeitaufwand. Mit dem Aufhäufeln macht Escher bisher stets gute Erfahrungen. Je nach Witterungsverlauf und Bodenstruktur steigt der Unkrautdruck etwa zu Sommerbeginn, zum Beispiel durch Weißen Gänsefuß („Melde“) oder Kluten erschweren die Rodung. Als Ergebnis gab es seit 2021 stets mehr grüne Kartoffeln als bei der Variante „Minus 20 % Herbizid“.

Netze schützen gut vor Zikaden, bringen aber hohe Kosten

Gute Erfahrungen hat der Landwirtschaftsmeister in diesem Jahr mit der Einnetzung von Kartoffeln zum Schutz vor Zikaden gemacht. „Die Wachstumsbedingungen waren gut und unter dem Netz gab es keinen Ertragsrückgang“, freut er sich. „Aber hohe Anschaffungskosten für das Netz von rund 5.000 Euro je Hektar und hoher Arbeitsaufwand trüben die Ertragsrechnung kräftig. Zudem wird die Krautfäule in nassen Jahren zur Herausforderung“, schildert Escher die andere Seite des Netz-Einsatzes. Die Demonstrationsversuche zur Einnetzung von Kartoffeln zum Schutz vor Zikaden werden vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg wissenschaftlich betreut. Volker Escher stellte die bisherigen Ergebnisse erstmals in Sindelfingen vor. Wie Julian Zachmann vom Sachgebiet Pflanzenschutzmittelreduktion des LTZ Augustenberg gegenüber BWagrar mitteilt, liefen die Versuche – neben Waiblingen – auch in Heilbronn. Dort waren in diesem Jahr 3,5 Hektar Kartoffeln unter Netz gelegt worden.

Im Körnermais ist Blindstriegeln Pflicht

Beim Körnermais zeigt sich der Landwirt ebenfalls sehr innovations- und versuchsfreudig. Hier sammelt er Erfahrungen mit vier Varianten: 1. Vorauflauf mit Herbizidanwendung von 0,2 l/ha und Hacken2. Bandspritzung mit Hacken3. Blindstriegeln, Striegeln und Hacken4. Striegeln und Hacken Die Varianten mit Hacken und Striegeln funktionieren gut. „Pflicht ist dabei aber Blindstriegeln“, weiß Escher. Ist Blindstriegeln witterungsbedingt nicht möglich, wird das Unkraut bis zum möglichen Striegeln zu groß und der Einsatz von Herbiziden wird notwendig.

Geduld und Mut sind Pflicht

• Das Wetter muss mitmachen. • Feucht für Bodenherbizide ideal. • Trocken für Hacken und Striegeln gut. • Technik muss sofort greifbar sein. • Geduld und Mut ist Pflicht. • Striegeln in Sommergerste funktioniert gut: schnelle Vegetation und Bodenbedeckung. • Striegeln in Mais klappt, wenn Blindstriegeln zeitlich passt. • Bei Kartoffeln zu klären: mit breiterem Striegel, weniger Fahrspuren und dadurch weniger Kluten und grüne Kartoffeln? • Wintergetreide sollte im Herbst/Winter das 1. Mal gestriegelt werden, wenn die Unkräuter noch klein sind. • Striegel hat – je nach Witterungsverlauf - Vorteile durch Mineralisation, Luft im Boden und keinem Herbizid-Stress für die Pflanzen.

Praktische Fähigkeiten bestimmen den Betriebserfolg

Über Digitalisierung im Ackerbau, was sie wert ist und was sie den Anwender kostet, sprach unerwartet offen und deutlich Michael Horsch, selbst mit seiner Familie Bewirtschafter landwirtschaftlicher Betriebe. Zugleich betonte der Geschäftsführer der Horsch-Maschinen GmbH in Schwandorf (Regierungsbezirk Oberpfalz/Bayern), wie wichtig die Kenntnisse, praktischen Fähigkeiten und Erfahrungen der Landwirte für den Betriebserfolg sind. An zahlreichen Beispielen aus der Entwicklung und Anwendung von Landmaschinen in der Praxis zeigt Horsch auf, wie mit „Hausverstand“, wie er den „gesunden Menschenverstand“ nennt, Herausforderungen angegangen und Probleme gelöst werden können. Auf Grundlage von langjährigen Auswertungen aus seinem Betrieb zeigt er auf, wie wichtig der genaue Blick auf dem Acker, die Kenntnis des Bodens und praktische Fähigkeiten für den Betriebserfolg sind.

„Lasst uns den Hausverstand nutzen, dann haben wir Zukunft!“ Michael Horsch, Landmaschinenhersteller und Landwirt

Beim Spot-Spraying beispielsweise bringt es wenig, mit Kameras auf der Pflanzenschutzspritze gezielt Pflanzen behandeln zu können. Denn allein der „Hausverstand“ sagt einem, dass so platzierte Kameras das Unkraut hinter den Nutzpflanzen nicht erkennen können. Jedoch mit Drohne ist von oben aus der Luft möglich. Resistenzen treten oft in größeren Betrieben mit relativ wenig Kulturen auf. Was in der Pflanzenschutztechnik zur Aufgabe führt, mehr Wasser mit immer größerer Geschwindigkeit und in immer größeren Tanks auszubringen – mit entsprechend höheren Kosten. Auch das sagt einem schon der „Hausverstand“. Als optimaler Reihenabstand gelten bei Getreide eher 25 statt 12,5 cm, weiß der Praktiker Horsch. Denn beim geringeren Abstand beginne die Ungleichheit schon vor dem Spitzen des Getreides, weil nämlich die vordere Säschar-Reihe besser als die aus Platzgründen nach hinten versetzte Reihe mit fortschreitender Vegetation besser dasteht. Denn die versetzte Reihe werde von der vorderen „etwas zu gehäufelt“. Neue, spezielle Schartechnik könne da Abhilfe schaffen.

Von Digitalisierungs-Wahnsinn und Facharbeitern

Von aktuellem „Digitalisierungs-Wahnsinn“ sprich Horsch im Zusammenhang mit dem gigantischen Börsenwert der großen Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley, deren Börsenkapitalisierung das Geld nicht wert seien, weil sie dafür zu wenig Leistung erbringen würden. Ein Unternehmen mit einem Börsenwert von heute vier Billionen Euro sollte einen entsprechenden Wert für den Anwender seiner Produkte und Dienstleistungen erbringen. Doch Horsch ist das nicht der Fall: „Nur dass wir mit unseren 9.000 Mitarbeitern im Landmaschinenbetrieb arbeiten können, müssen wir jährlich immer höhere zweistellige Millionen-Beträge diesen Wegelagerern zahlen. Da steckt zu wenig Leistung dahinter“, redet er sich in Rage. Ganz allein steht Horsch da nicht. Manche Börsenexperten sprechen bereits von einer „KI-Blase“, weil sie die Aktienkurse und hohe Börsenkapitalisierung der Tech-Riesen, die Milliarden US-Dollar in die Künstliche Intelligenz (KI) investieren, für übertrieben halten. In den 1950er Jahren hätten Wissenschaftler gesagt, technischer Fortschritt bringe mehr Arbeitsplätze mit sich – und nicht weniger, weiß der Horsch-Geschäftsführer. „Heute, in Zeiten der KI, geht die technische Revolution eher in die andere Richtung“, befürchtet Michael Horsch zunehmenden Stellenabbau, insbesondere von Computerarbeitsplätzen. Für qualifizierte Facharbeiter sieht er jedoch auch in Zukunft sehr gute Beschäftigungschancen.

Lanze für den Facharbeiter

Bildschirm-Arbeitsplätze, oft mit Akademikern besetzt, braucht Horsch mit zunehmender Anwendung von KI immer weniger, ja baut sie ab. Facharbeiter dagegen, die in der Werkstatt geschickt schrauben – und im Übrigen eine gute fachliche Ausbildung brauchen – seien verstärkt gefragt. Heute beginne der viel zitierte „Facharbeitermangel“ schon oft nach der 4. Klasse. Viele Eltern drängten ihre Kinder auch mit bescheidenen Noten aufs Gymnasium. „Wir brauchen jedoch hervorragend ausgebildete Facharbeiter“, unterstreicht Horsch. Um dieses Berufsbild mache er sich für die Zukunft keine Sorge.

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