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Tierseuche

ASP: „Biosicherheit hat oberste Priorität“

Den ersten ASP-Fall in Baden-Württemberg gab es Anfang August 2024, als bei einem krank erlegten Wildschwein in der Nähe von Hemsbach (Rhein-Neckar-Kreis) das Virus nachgewiesen wurde. Vergangene Woche hat das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) nun bei einem zweiten Wildschwein ASPV-Genome nachgewiesen. Das Tier wurde nördlich der A6 bei Mannheim tot aufgefunden. Unterdessen häufen sich im benachbarten Hessen und Rheinland-Pfalz die ASP-Nachweise bei Wildschweinen. Wie sich die Betriebe im Land vor einem Eintrag der Seuche schützen können, haben wir Dr. Agnes Richter, Fachtierärztin für Schweine und Standortkoordinatorin beim Tiergesundheitsdienst (TGD) Stuttgart, gefragt.

von Petra Ast, Redaktion BWagrar, Stuttgart Quelle Petra Ast, Redaktion BWagrar, Stuttgart erschienen am 12.03.2025
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In der Nähe von Mannheim wurde vergangene Woche ein mit ASP-infiziertes Wildschwein tot aufgefunden.
In der Nähe von Mannheim wurde vergangene Woche ein mit ASP-infiziertes Wildschwein tot aufgefunden. © Silvia Rueß
Zur Person
Dr. Agnes Richter
Fachtierärztin für Schweine, Standortkoordinatorin Tiergesundheitsdienst (TGD) Stuttgart
BWagrar: Frau Dr. Richter, Sie beobachten mit Sorge die hohe Zahl ASP-positiver Wildschweine und einiger ASP-positiver Hausschweinebestände in Rheinland-Pfalz und Hessen. Nun hat sich ein zweites Wildschwein in der Nähe von Mannheim mit den Viren infiziert. Wie groß ist das Risiko, dass sich dadurch auch hierzulande Hausschweine infizieren? Richter: Bei dem aktuellen positiven Fall in Baden-Württemberg handelt es sich um ein bekanntes Ausbruchsgeschehen rund um Lampertheim, das bisher auf der hessischen Landesseite lief. Tatsächlich war es nur eine Frage der Zeit, bis der erste Fall es wieder über die Landesgrenze nach Baden-Württemberg schafft, da der ASP-Druck in Hessen mit über 1300 positiven Wildschweinen aktuell sehr hoch ist. Die Gefahr für eine Ansteckung bei Hausschweinen ist für alle Betriebe in den Restriktionszonen am höchsten. Hier sollten vor allem mit Beginn der Arbeiten auf den Feldern erhöhte Biosicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Alle anderen Betriebe sollten sich grundsätzlich über die Biosicherheit in ihrem Betrieb Gedanken machen und vorhandene Schwachstellen dringend ausbessern. BWagrar: Wie können sich die Betriebe in Baden-Württemberg vor einem ASP-Eintrag in ihre Bestände schützen? Richter: Eine gute Biosicherheit ist die wirksamste Maßnahme, um einen Eintrag von ASP in den eigenen Schweinebestand zu verhindern. Dabei ist das, was wir als Schwarz-Weiß-Trennung bezeichnen, wichtig, also die möglichst lückenlose Abgrenzung der Tierhaltung gegenüber der Außenwelt. Dazu zählen Maßnahmen wie eine wildschweinsichere Einfriedung der Haltungsbereiche, Futter- und Mistlager sowie Verladerampen, eine durchdachte Hygieneschleuse oder eine Umkleidemöglichkeit mit klarer Schwarz-Weiß-Trennung, ein sicheres Kadaverlager und ein geregelter Personen- und Fahrzeugverkehr auf dem Betriebsgelände. Hier denke ich vor allem an den Radlader zum Entmisten, das TBA-Fahrzeug oder sonstige Gerätschaften, die mit den Schweinen in Kontakt kommen. Natürlich können ASP-Viren direkt von Tier zu Tier übertragen werden. Die indirekte Übertragung spielt aber eine weitaus wichtigere Rolle beim Eintrag in Hauschweinebestände. ASP-Viren bleiben in der Umwelt über Monate bis Jahre infektiös. Es besteht also die Gefahr, dass über Schuhe, Kleider, Geräte und Fahrzeuge, die zum Beispiel Kontakt zu infizierter Erde hatten, das ASP-Virus in die Hausschweinebestände eingetragen wird. Davor kann nur eine strikte Schwarz-Weiß-Trennung schützen. Der Übertragungsweg über infizierte Wurst- und Fleischwaren hat in Deutschland vermutlich schon einige Ausbrüche verursacht. In unbehandeltem rohem oder geräuchertem Schweinefleisch kann das ASP-Virus über Monate infektiös bleiben. Daher dürfen diese Lebensmittel auf gar keinen Fall zu den Schweinen gelangen und es ist wichtig, alle Personen auf einem Betrieb, die Kontakt zu den Schweinen haben könnten, darüber aufzuklären. Für eine Infektion über das Maul (orale Aufnahme) reichen schon sehr geringe Virusmengen aus. Auch Fliegen und Stechmücken werden als Eintragsquelle für ASP diskutiert. Hier besteht noch viel Forschungsbedarf, aber nach aktuellem Wissenstand kann dieser Übertragungsweg nicht ganz ausgeschlossen werden. Die Lederzecke, die als Vektor in Afrika bekannt ist, kommt bei uns zum Glück nicht vor. BWagrar: Was ist die aktuell wichtigste vorbeugende Maßnahme? Richter: Neben einer guten Biosicherheit sollten die Landwirte Lagerkapazitäten für Stroh und Heu für mindestens sechs Monate und für Getreide für 30 Tage schaffen. Diese Lagerzeiten werden vorgeschrieben, wenn die Ernte in Restriktionszonen durchgeführt werden muss. Für viele Betriebe ist diese Lagerkapazität kein Problem, aber besonders für neue Haltungssysteme mit Stroheinstreu kann das eine Herausforderung sein. In den aktuellen Restriktionszonen wurde die Ernte erst nach der Kontrolle auf Wildschweinkadaver, zum Beispiel durch Drohnen, erlaubt. Für den einen oder anderen ist es deshalb sinnvoll, den Kontakt zu Drohnenpiloten für den Ernstfall frühzeitig herzustellen. Wenn eine Ertragsausfallversicherung besteht, sollten die Vertragsdetails kontrolliert werden: Was wird alles übernommen? Sollte oder kann der Umfang der Versicherung noch angepasst werden? Wer keine Versicherung hat, kann sich auch jetzt noch über die Möglichkeiten und Kosten dafür informieren. Für die Entschädigung durch die Tierseuchenkasse ist entscheidend, dass allen Melde- und Zahlungspflichten nachgekommen wurde: Sind die aktuellen Tierzahlen gemeldet? Hat sich der Tierbestand geändert? Schweinehalter in den Restriktionszonen und in den Landkreisen, die an Hessen angrenzen, müssen am ASP-Früherkennungsprogramm für Hausschweinebestände teilnehmen, damit ein Eintrag schnell erkannt wird. Dafür werden wöchentlich verendete oder getötete Hausschweine beprobt und kostenlos auf das ASP-Virus bei den staatlichen Untersuchungsämtern untersucht. Das ist nicht nur für die überwachende Behörde interessant und wichtig, sondern kann auch für die teilnehmenden Betriebe von Vorteil sein. Im Fall von Restriktionszonen sind diese Betriebe einen Schritt weiter, um Schweine verbringen zu dürfen. Das ist für viele Landwirte die größte Sorge, dass sie nicht ausstallen können und dann schnell massive Platz- und meistens auch Gesundheitsprobleme in ihren Ställen bekommen. Aber es bleibt dabei, die wichtigste Maßnahme ist, die Biosicherheit hochzufahren. BWagrar: Zum Schutz vor Einschleppung der ASP in Hausschweinebestände bieten die baden-württembergischen Tiergesundheitsdienste seit August 2021 eine kostenlose Biosicherheitsberatung an? Worum geht es dabei? Richter: Bei der Beratung begehen wir gemeinsam mit dem Landwirt den gesamten Betrieb und konzentrieren uns dabei besonders auf die schon erwähnte Schwarz-Weiß-Trennung, die Einfriedung und den Personen- und Fahrzeugverkehr auf dem Betriebsgelände. Wir versuchen gemeinsam die Schwachstellen zu ermitteln und praxistaugliche Veränderungen zu überlegen. Dazu haben wir eine Checkliste mit einem Ampelsystem erstellt, die alle rechtlich wichtigen Verordnungen abdeckt, aber auch unsere Erfahrungen aus den vergangenen Jahren und fachlich sinnvolle Punkte, die über das Gesetzliche hinausgehen, berücksichtigen. So sehen die Betriebsleiter auf einen Blick, in welchem Bereich sie noch nachbessern müssen. Zudem informieren wir die Landwirte darüber, welche Gesetze im Seuchenfall gelten. Das sind nicht nur die nationalen Gesetze, wie zum Beispiel die SchwHaltHygVO, sondern auch EU-Verordnungen, wie die DVO (EU) 2023/594, die verschärfte Regelungen hinsichtlich der Biosicherheit für das Verbringen von Schweinen aus den Sperrzonen vorsieht. Uns ist am wichtigsten, die Tierhalter für möglichen Eintragsquellen von Tierseuchen auf ihrem eigenen Betrieb zu sensibilisieren und praxistaugliche Lösungen zu finden. Dabei geht es nicht um das einfache Umsetzen der gesetzlichen Vorschriften, die Maßnahmen müssen auch Sinn machen. Zum Beispiel arbeiten viele mit Desinfektionsmatten, die im Eingangsbereich zur Tierhaltung bereitliegen. Rein rechtlich ist eine Desinfektionsmöglichkeit vorgeschrieben, damit haben die Landwirte also auf dem Papier alles richtig gemacht. Diese Matten bieten aber nur dann einen gewissen Schutz, wenn die Desinfektionslösung frisch und in ausreichender Menge ausgebracht wurde. Außerdem müssen die Schuhe sauber sein, bevor die Matte betreten wird. Einen Einfluss auf die Wirksamkeit der Desinfektionsmittel hat auch die Umgebungstemperatur, besonders bei Kälte wirken viele Mittel schlechter. In solchen Fällen versuchen wir aufzuklären und Empfehlungen zu geben, die wirklich schützen. In jedem Fall bieten wir eine unabhängige Beratung an und stehen gerne allen Schweinehaltern in Baden-Württemberg zur Verfügung. BWagrar: Inzwischen haben sich 122 Schweinebetriebe im Südwesten beraten lassen. Welche Schwachstellen bei der Biosicherheit fallen den Tierärzten bei den Beratungen am häufigsten auf? Richter: Leider können wir bei über 60 Prozent der Betriebe Mängel bei der Biosicherheit feststellen. Die häufigste und kritischste Schwachstelle ist die nicht korrekte Schwarz-Weiß-Trennung. Hier sehen wir oft mangelhafte Hygieneschleusen und Tierhalter, die sich zum Beispiel im Haus umziehen und dann mit ihren Stallschuhen und Kleidern über den nicht eingezäunten Hof laufen. Auch der nicht geregelte Personen- und Fahrzeugverkehr ist bei Betrieben, die verschiedene Stallungen haben und dadurch kreuzende Wege, häufiger ein Problem. Auch die nicht wildschweinsichere Einfriedung von zum Beispiel der Verladerampe und Mistplatte begegnet uns immer wieder. Vereinzelt stellen wir auch fest, dass Waschwasser von der Reinigung- und Desinfektion, beispielsweise vom Kadaverlager oder der Verladerampe, nicht korrekt über die Güllegrube, sondern über die Umwelt abgeleitet wird. Viele Betriebe achten bei ihren Kadaverlagern darauf, dass sie möglichst weit von der Tierhaltung entfernt sind, was gut ist, damit das TBA-Fahrzeug nicht auf den Hof fahren muss. Aber in vielen Fällen wird nicht bedacht, dass auch Nage- und Wildtiere keinen Kontakt zu den Tierkörpern oder Blut, Kot und Harn haben dürfen. Die optimale Kadaverlagerung ist also gar nicht so einfach, und darauf haben viele bisher nicht geachtet. BWagrar: Unabhängig von den nötigen Biosicherheitsmaßnahmen könnte ein Impfstoff gegen ASP das Seuchenrisiko entscheidend eindämmen. Wie steht es um die Entwicklung solch eines Serums? Richter: Leider steht uns in Europa derzeit kein zugelassener und wirksamer Impfstoff gegen die ASP zur Verfügung. Und da das ASP-Virus auch sehr komplex aufgebaut ist und die Fähigkeit hat, dem Immunsystem des Wirtes zu entgehen und somit keine neutralisierenden Antikörper gebildet werden, können wir in den nächsten Jahren voraussichtlich auch mit keinem Impfstoff rechnen. Aktuell sind gentechnisch abgeschwächte ASP-Viren die erfolgversprechendsten Impfstoffkandidaten, die wahrscheinlich dann als Köderimpfstoffe zur oralen Aufnahme bei Wildschweinen eingesetzt werden müssten. Eine Impfung der Hausschweinebestände macht wegen den erheblichen Handelseinschränkungen, den wenigen Ausbrüchen und der guten Bekämpfung beziehungsweise Verhinderung voraussichtlich keinen Sinn. Daher bleibt den Schweinehaltern aktuell nur die Biosicherheit hochzufahren, ihre eigenen Bestände vor einem Eintrag zu schützen und durch ein rechtzeitiges Erkennen der Seuche eine Verschleppung zu verhindern. Die Ausbreitung der Seuche hätte einen erheblichen Einfluss auf unsere baden-württembergischen Schweinebetriebe und muss unbedingt vermieden werden. Zudem führen die betroffenen Behörden durch den Zaunbau, der Kombination aus eingeschränkter und verstärkter Jagd von Schwarzwild, der Kadaversuche, dem Wild- und Hausschweine-Monitoring, dem ASP-Früherkennungsprogramm bei Hausschweinen sowie der Einrichtung von Restriktionszonen mit der Regulation von Tierbewegungen und dem Ackerbau eine  intensive Seuchenbekämpfung in enger Absprache mit Hessen durch.
Biosicherheitsberatung

Die Schweinegesundheitsdienste (SGD) der Tierseuchenkasse (TSK) Baden-Württemberg bieten seit August 2021 eine kostenlose, vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) unterstützte Biosicherheitsberatung für schweinehaltende Betriebe in Baden-Württemberg an. Nähere Informationen zu dem Beratungsangebot gibt es bei den Schweinegesundheitsdiensten Stuttgart, Aulendorf und Freiburg, Internet: www.tsk-bw.de.

 

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