
Geplant gegen Virus-Vektoren vorgehen
Nach wie werden eher vereinzelt in den wärmeren Gebieten Schilf-Glasflügelzikaden nachgewiesen. In Kalenderwoche 21 ist jedoch in einigen Gebieten eine Behandlung gegen Glasflügelzikaden entsprechend der Notfallgenehmigungen freigegeben worden.
von Dr. Jonathan Mühleisen, Pflanzenschutzdienst am Regierungspräsidium Stuttgart erschienen am 19.05.2025Eine Behandlung mit Insektiziden gegen Glasflügelzikaden als Bakterienvektoren wird laut ISIP-Meldung vom 23. Mai 2025 für die Rheinebene, den Kraichgau, das Strohgäu, das Heckengäu, am Stromberg, das Unterland und den Raum Backnang/Waiblingen entsprechend den Notfallgenehmigungen freigegeben. Vermutlich wird es in den folgenden Tagen und Wochen Stück für Stück weitere Warndienstaufrufe geben, differenziert nach Höhenlage beziehungsweise Auftreten der Zikaden.
Die sehr erfolgreichen versuchsweisen Behandlungen mit Insektizidmischungen (Pyrethroid + Acetamiprid) im vergangenen Jahr erfolgten erst in der zweiten Juniwoche. In diesem Jahr ist es zwar deutlich trockener als 2024, allerdings haben die kühlen Nachttemperaturen die Entwicklung auch stark gebremst. Daher ist noch offen, wie schnell die Zikaden zunehmen werden. In jedem Fall sollten sich Rüben-, Kartoffel- und Gemüseanbauer in den betroffenen Gebieten mit den anstehenden Bekämpfungsmaßnahmen beschäftigen und vorbereiten.
Wichtiger Hinweis zu Notfallzulassungen
Sämtliche Notfallzulassungen gegen Glasflügelzikaden als Bakterienvektoren haben die Anwendungsbestimmung „Anwendung nur, wenn die Notwendigkeit der Bekämpfungsmaßnahme durch einen amtlichen Warndiensthinweis der zuständigen Behörde belegt ist.“ Das bedeutet, dass der Einsatz nur dann zulässig ist, wenn ein entsprechender amtlicher Warndiensthinweis erfolgt ist. Das Vorgehen ist in Baden-Württemberg wie folgt geplant:
- Es findet ein umfangreiches Monitoring auf Zikaden in Zuckerrüben, Kartoffeln und Gemüse durch den amtlichen Pflanzenschutz unterstützt durch Landwirte statt.
- Mindestens zweimal pro Woche werden die Klebetafeln untersucht und die Ergebnisse diskutiert. Von amtlicher Seite wird jeweils dienstags und freitags entschieden, ob für ein bestimmtes Gebiet ein amtlicher Warndienstaufruf zur Behandlung gegen Glasflügelzikaden als Vektoren von SBR/Stoblur erfolgt oder nicht. Der amtliche Warndienstaufruf erfolgt durch das örtlich zuständige Landwirtschaftsamt und kann den ganzen Landkreis oder Teile des Landkreises umfassen.
- In Gebieten, in denen in den vergangen beiden Jahren größere Schäden entstanden sind oder für dieses Jahr möglich sind („Hot-Spot-Regionen“), wird der amtliche Warndienstaufruf die vollständige Nutzung der Notfallzulassungen ermöglichen, einschließlich Sivanto Prime auf nicht-drainierten Flächen.
- In Gebieten, in denen in den vergangen beiden Jahren noch keine größeren Schäden durch SBR und Stolbur entstanden sind („Übergangsregionen“), wird der Warndienstaufruf ebenfalls die Nutzung der Notfallzulassungen weitgehend ermöglichen, um eine Ausbreitung der Krankheiten zu verhindern. Hinweis: In den Übergangsregionen darf grundsätzlich kein Sivanto Prime eingesetzt werden.
- In Gebieten, in denen in den vergangen beiden Jahren noch keine Schäden durch SBR und Stolbur entstanden sind und für dieses Jahr auch nicht erwartet werden („Grenzregionen“), sind in Zuckerrüben und Kartoffeln keine Insektizidmaßnahmen vorgesehen. Pflanzkartoffeln werden wegen der Nulltoleranz bezüglich Stolbur gesondert eingestuft. Pflanzkartoffelvermehrer werden hier separat vom Landwirtschaftsamt zum möglichen Einsatz informiert.
- Der amtliche Warndienstaufruf stellt lediglich eine Freigabe dar. Es besteht keine Pflicht, die Notfallzulassungen zu nutzen beziehungsweise Bestände zu behandeln. Auch bei Freigabe bleibt es die Entscheidung des Bewirtschafters, ob und in welchem Umfang die Notfallzulassungen genutzt werden.
- Die Anwendungsbestimmungen der Notfallzulassungen (zum Beispiel Auflagen zu Gewässerabständen, Drainage-Auflagen, Bienenschutzauflagen) müssen zwingend beachtet werden. Auch bei einem Warndienstaufruf wird nicht jeder Schlag mit jedem Mittel beziehungsweise einer Mischung behandelt werden können, da teilweise Einschränkungen („Anwendungsbestimmungen“) wegen Drainage oder blühenden Unkräutern bestehen. Bei Unsicherheit bezüglich der Anwendungsbestimmungen fragen Sie gerne direkt bei den Pflanzenschutzberatern an den Landratsämtern nach.
- Da der Flugbeginn der Zikaden je nach Höhenlage, Nord- oder Südhang und so weiter lokal unterschiedlich sein kann, sollte im Bestand beziehungsweise in der Gemarkung geschaut werden, ob Zikaden bereits vorhanden sind. Der amtliche Warndienstaufruf für ein Gebiet bedeutet nicht, dass auf jeder Rüben-, Kartoffel- und Gemüsefläche bereits Zikaden vorhanden sind. Gegebenenfalls kann es deshalb sinnvoll sein, zum Beispiel „kühlere“ Flächen erst einige Tage nach dem Warndienstaufruf zu behandeln.
- Der Warndienstaufruf des Landratsamts enthält auch Informationen, wo Zikaden nachgewiesen wurden und wo ggf. noch nicht. Auch unter https://www.isip.de/mein-isip/aktuelles/ackerbau/zuckerrueben/schilf-glasfluegelzikade finden Sie die aktuellen Monitoringdaten.
- Bitte sprechen Sie Imker an, wenn Bienenvölker in der Nähe von entsprechenden Feldern aufgestellt wurden. Bienengefährliche Pflanzenschutzmittel (das heißt Sivanto Prime, bzw. Insektizidmischungen) dürfen in einem Umkreis von 60 m um einen Bienenstand innerhalb der Zeit des täglichen Bienenflugs nur mit Zustimmung des Imkers angewandt werden. Die Imkerverbände wurden über die Maßnahmen gegen die Glasflügelzikaden in Zuckerrüben und Kartoffeln von amtlicher Seite allgemein informiert.
- Der amtliche Pflanzenschutzdienst wird die Anwendungen und Einhaltung der Anwendungsbestimmungen intensiv kontrollieren, einschließlich der Beprobung von Spritzflüssigkeiten bei der Anwendung.
Notfallzulassungen für Zuckerrübe und Kartoffel
Für Zuckerrüben (Übersicht in Tabelle 1) und Kartoffeln (Übersicht in Tabelle 2) sind Notfallzulassungen bereits verfügbar, für Freilandgemüse werden sie zeitnah erwartet. Die vollständigen Notfallzulassungen mit allen Anwendungsbestimmungen sind online abrufbar unter https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/01_ZugelPSM/02_Notfallzulassungen/psm_ZugelPSM_notfallzulassungen_node.html
Unverbindliche Vorschläge
Die Spritzfolge und Tankmischungen dürfen die Landwirte – wie bei zugelassenen Pflanzenschutzmitteln – auch im Falle der Notfallzulassungen eigenständig festlegen. Von amtlicher Seite gibt es lediglich Empfehlungen oder Vorschläge, die jedoch nicht verbindlich sind. Gültig ist das, was in den Notfallzulassungen festgelegt wurde.
Für einen ausreichenden Wirkungsgrad sollten nach bisherigem Kenntnisstand, soweit als möglich und zulässig, Mischungen aus systemischen Wirkstoffen (Flupyradifurone, Acetamiprid) und Pyrethroiden (Deltamethrin, Lambda-Cyhalothrin, Esfenvalerat) angewendet werden. Einzelne Insektizide haben im vergangenen Jahr häufig unzureichende Bekämpfungserfolge gezeigt.
Auf drainierten Flächen können aufgrund der Zulassungssituation leider nur zweimal die Mischungen ausgebracht werden. Trotzdem empfiehlt es sich hier, in den Hot-Spot-Gebieten eine dritte Soloanwendung von Danjiri durchzuführen, da die Nymphen und damit der Befall im Folgejahr dadurch gut bekämpft werden.
Es wird grundsätzlich notwendig sein, die Spritzfolge und auch Tankmischungen gegen Glasflügelzikaden in Abhängigkeit der Vorgaben (insbesondere Bienenschutz, Gewässerabstände, Drainage) und im Kontext der anderen Behandlungen (zum Beispiel gegen andere Insekten oder in Mischungen mit Fungiziden) in der jeweiligen Kultur anzupassen. Die Anwendungshäufigkeit je Kultur ist begrenzt (sowohl bei regulären Zulassungen als auch bei den Notfallzulassungen).
Wichtige Hinweise zu Spritzfolgen und Tankmischungen
Wenn zum Beispiel bei einer Blattlausbehandlung in Zuckerrüben bereits einmal Karate Zeon angewendet wurde, darf es gegen Glasflügelzikaden nur noch einmal angewendet werden, da maximal zwei Behandlungen in Zuckerrüben zulässig sind.
Bienengefährliche Pflanzenschutzmittel (wie Sivanto Prime) oder Tankmischungen (B1) dürfen nicht auf blühende oder von Bienen beflogene Pflanzen ausgebracht werden; dies gilt auch für Unkräuter. Demnach müssen Teilflächen mit blühenden Unkräutern, Blühstreifen und auch Feldränder mit blühenden Pflanzen großzügig ausgespart werden.
Mittel oder Mischungen, die lediglich in B2 eingestuft sind, dürfen auch auf blühende Pflanzen ausgebracht werden, allerdings nur zwischen 19 Uhr (Ende des täglichen Bienenfluges) und 23 Uhr.
Pyrethroide verlieren bei hohen Temperaturen (über 25 Grad Celsius) und hohem pH-Wert an Wirkung. Deshalb sollten Pyrethroide vorzugsweise bei niedrigen Temperaturen (nach Möglichkeit bei circa 15 bis 18 Grad Celsius, zum Beispiel am späten Abend) eingesetzt werden. Beim Ansetzen der Spritzbrühe sollte auf einen niedrigen pH-Wert geachtet werden. Regenwasser ist in der Regel bereits leicht sauer. Bei Leitungs- und Brunnenwasser hängt es von der Gegend ab, aber in Baden-Württemberg hat es überwiegend einen hohen pH-Wert, was man an Kalkablagerungen im Haushalt (zum Beispiel im Wasserkocher) leicht erkennen kann. Hier gilt es, den pH-Wert zu senken, zum Beispiel durch Kombination mit pH-Wert senkenden Blattdüngern (zum Beispiel YaraVita Kombiphos, Wuxal Top P) oder gezielte Zugabe von zitronensäurehaltigen Zusatzstoffen (zum Beispiel Crop Chem Zitronensäure, Lebosol-Zitronensäure).
Achtung: Zusatzstoffe, die als Netzmittel gelten (zum Beispiel PHFix forte), dürfen nicht zugemischt werden, da viele Insektizide nicht in Kombination mit Netzmitteln angewendet werden dürfen.
Alle Aufwandmengen sind in Aufwandmenge l/ha oder kg/ha angegeben:
Hotspotregion - nicht-drainierte Flächen: 1. Behandlung: 0,25 Sivanto Prime (bis BBCH 19) + 0,075 Decis forte 2. Behandlung (14 Tage später): 0,25 Caradine 200 + 0,15 Kaiso Sorbie 3. Behandlung (14 Tage später): 0,25 Danjiri + 0,075 Karate Zeon
Hotspotregion - drainierte Flächen: 1. Behandlung: 0,25 Mospilan SG + 0,075 Karate Zeon 2. Behandlung (14 Tage später): 0,25 Danjiri + 0,075 Karate Zeon 3. Behandlung (14 Tage später): 0,25 Danjiri
Übergangsregion - nicht-drainierte Flächen: 1. Behandlung: 0,25 Mospilan SG + 0,075 Decis forte 2. Behandlung (14 Tage später): 0,25 Danjiri + 0,15 Kaiso Sorbie
Übergangsregion - drainierte Flächen: 1. Behandlung: 0,25 Mospilan SG + 0,075 Karate Zeon 2. Behandlung (14 Tage später): 0,25 Danjiri + 0,075 Karate Zeon
Alle Aufwandmengen sind in Aufwandmenge l/ha oder kg/ha angegeben:
Hotspotregion - nicht-drainierte Flächen: 1. Behandlung: 0,25 Carnadine 200 + 0,075 Karate Zeon 2. Behandlung (14 Tage später): 0,5 Sivanto Prime + 0,075 Decis forte 3. Behandlung (14 Tage später): 0,25 Danjiri + 0,3 Sumicidin Alpha EC
Hotspotregion - drainierte Flächen: 1. Behandlung: 0,25 Carnadine 200 + 0,075 Karate Zeon 2. Behandlung (14 Tage später): 0,25 Danjiri + 0,075 Karate Zeon 3. Behandlung (14 Tage später): 0,25 Mospilan SG
Übergangsregion - nicht-drainierte Flächen: 1. Behandlung: 0,25 Carnadine 200 + 0,075 Karate Zeon 2. Behandlung (14 Tage später): 0,5 Sivanto Prime + 0,075 Decis forte
Übergangsregion - drainierte Flächen: 1. Behandlung: 0,25 Carnadine 200 + 0,075 Karate Zeon 2. Behandlung (14 Tage später): 0,25 Danjiri + 0,075 Karate Zeon
Überwachung des Zikadenflugs und Behandlungsstrategien
Letztlich muss der Zikadenflug sowohl in Übergangsregionen als auch in Hotspotregionen überwacht werden, um abschätzen zu können, wie viele Behandlungen tatsächlich notwendig sind. In den Hotspotregionen kann – insbesondere bei einem frühen Beginn des Zikadenflugs – gegebenenfalls auch eine vierte Behandlung notwendig werden. Wenn jedoch die ersten Behandlungen bereits sehr gut wirken und kein weiterer Zuflug von Zikaden erfolgt, genügen eventuell schon zwei Behandlungen. Auch beim Abstand zwischen Spritzungen kann es je nach Witterung und Zikadenflug sinnvoll sein, etwas kürzere oder auch längere Abstände zu wählen.
Bei der Bekämpfung der Glasflügelzikaden als Bakterienvektoren gilt – wie im gesamten Pflanzenschutz – der Grundsatz: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Überflüssige Behandlungen kosten Arbeitszeit und Geld und können negative Einflüsse auf den Naturhaushalt haben. Unterlassene – aber eigentlich benötigte – Behandlungen kosten Ertrag und Wertschöpfung und führen in der Gesamtbetrachtung auch dazu, dass woanders intensiver oder auf mehr Fläche produziert werden muss.
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