Früh dran sein lohnt sich
In SBR- und Stolbur-Hotspotgebieten steigt das Risiko auch für den Kartoffelanbau deutlich an. Die Erreger befallen neben Zuckerrüben zunehmend auch Kartoffeln und verursachen dort erhebliche Ertrags- und Qualitätsverluste. Da keine direkte Bekämpfung möglich ist, kommt es auf vorbeugende Maßnahmen, befallsfreies Pflanzgut und gezielte Zikadenbekämpfung an.
von Dr. Jonathan Mühleisen, Pflanzenschutzdienst am Regierungspräsidium Stuttgart erschienen am 04.08.2025Das Gamma-Proteobakterium „Candidatus Arsenophonus phytopathogenicus“ ist in Zuckerrüben bekannt als Erreger von SBR (von französisch „Syndrome Basses Richesses“, deutsch: Syndrom der niedrigen Zuckergehalte) und das zellwandfreie Bakterium „Candidatus Phytoplasma solani“ als Erreger der Stolburkrankheit. Beide bakteriellen Krankheitserreger sind nicht auf Zuckerrüben angewiesen, sondern befallen neben verschiedenen Gemüsearten auch Kartoffeln. In Kartoffeln verursachen sie die „Bakterielle Kartoffelknollenwelke“, welche neben Ertragsausfällen auch massive Qualitätsverluste verursacht, die zum wirtschaftlichen Totalausfall führen können.
Schäden an Kartoffeln
Eine Infektion mit den bakteriellen Erregern ist sowohl über das Pflanzgut als auch über Zikaden im Feld möglich. Die Erreger leben und vermehren sich im Leitgewebe (Phloem) der Pflanzen. Mit fortschreitender Krankheit wird der Transport im Leitgewebe immer stärker beeinträchtigt. Dadurch können einerseits die Knollen nicht mehr ausreichend von der Pflanze versorgt werden, und andererseits kann aus den Knollen sogar eine Auslagerung von Inhaltsstoffen zur Versorgung der Pflanze stattfinden.
Die Schadsymptome treten nicht sofort bei der Infektion auf, sondern erst Wochen später und werden mit der Zeit stärker. Typische Krankheitssymptome sind:
- Das Aufrollen der Blattränder nach oben (insbesondere an jüngeren Blättern)
- Rot- oder Gelbverfärbungen bei jüngeren Blättern
- Verstärkte Geiztriebbildung
- Die Bildung von kleinen Luftknollen
- Das vorzeitige Absterben des Blattapparates
- Dauerhaft grüne Stängel in abgestorbenen Beständen (auch wenn mit Quickdown oder Shark behandelt wurde)
- Weiche und gummiartige Knollen
- Ein erhöhter Zuckergehalt in den Knollen
- Ein reduzierter Stärkegehalt in den Knollen
- Fadenkeimigkeit (Bildung von fadenförmig dünnen, aber verhältnismäßig langen Keimen)
Wirtschaftliche Folgen und Prävention bei befallenen Kartoffeln
Während gummiartige Knollen aussortiert werden können, ist dies bei Kartoffeln mit inneren Mängeln nicht möglich. Zur Herstellung von Stärke, Chips und Pommes können befallene Partien nicht verwendet werden, sodass hier bei Infektionen ein wirtschaftlicher Totalschaden droht. Bei Pflanzkartoffeln gilt rechtlich eine Nulltoleranz, und auch für den eigenen Nachbau sollten befallene oder befallsverdächtige Partien in keinem Fall verwendet werden. Der Schaden durch befallenes Pflanzgut ist um ein Vielfaches höher als der Zukauf von befallsfreiem Z-Pflanzgut.

Bakterielle Erreger: Keine direkte Bekämpfung möglich
Die bakteriellen Erreger können nicht direkt bekämpft werden. Es gibt keine zugelassenen Pflanzenschutzmittel, die die Erreger in der Pflanze abtöten. Daher ist auch keine Heilung befallener Pflanzen oder Knollen möglich. Ziel aller Maßnahmen ist es, Infektionen zu verhindern, zu vermindern und zu verzögern sowie die Pflanzen möglichst vital und widerstandsfähig gegen Schadsymptome zu machen. Kartoffelpflanzen werden durch die Verwendung von befallenem Pflanzgut und durch Zikaden infiziert, die je nach Höhenlage und Temperatur ab Ende Mai beziehungsweise ab Juni fliegen.
Zikadenbekämpfung: Die Zikaden können mit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln bekämpft werden. Dafür gab es in diesem Jahr Notfallzulassungen. Nach bisherigen Erfahrungen erzielt man die höchsten Bekämpfungserfolge, wenn Insektizid-Mischungen aus Pyrethroiden und vollsystemischen Mitteln (zum Beispiel Mospilan SG, Danjiri, Sivanto prime) im Abstand von circa 10 bis 14 Tagen eingesetzt werden. Einzelanwendungen von Pyrethroiden haben nur eine sehr kurze Wirkungsdauer, während Einzelanwendungen von systemischen Mitteln nach bisherigen Erfahrungen zu schwach sind, um die Zikaden ausreichend zu bekämpfen. Der Erfolg liegt in der Mischung. Allerdings haben Insektizide (auch in Mischungen) unter Feldbedingungen nie eine Wirkung von 100 Prozent, das heißt, es können auch bei optimalem Insektizideinsatz Infektionen zwar deutlich vermindert, aber nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Schutznetze: Gleiches gilt für das Abdecken der Kartoffeln im hochpreisigen Segment mit einem feinmaschigen Kulturschutznetz (Maschenweite maximal 1,3 Millimeter). Hier können Infektionen weitgehend verhindert werden, jedoch nicht in dem Maße, dass das Erntegut als Pflanzgut verwendet werden kann. Zudem können je nach Standort und Witterung unter dem Netz auch Schaderreger auftreten (zum Beispiel Schnecken, Kartoffelkäfer, Blattläuse, Schwarzbeinigkeit, Kraut- und Knollenfäule). Schneckenkorn sollte bei Bedarf vor dem Aufbringen des Netzes gestreut werden; systemische Insektizide und systemische Fungizide können durch das Netz hindurch appliziert werden.
Indirekte Maßnahmen zur Infektionsvermeidung bei Kartoffeln
Neben den direkten Maßnahmen zur Vermeidung und Verminderung von Infektionen gibt es auch indirekte Ansätze, um die Ausbreitung bakterieller Erreger einzudämmen.
Schwarzbrache: Eine Schwarzbrache nach dem Anbau von Wirtspflanzen der Zikade (Zuckerrübe, Kartoffel, Rote Bete, Karotte und Pastinake/Wurzelpetersilie) bis Ende April des Folgejahres kann die Larven der Zikade, die Nymphen, weitgehend aushungern. Durch die hohe Sterblichkeitsrate während der Schwarzbrache fliegen im Folgejahr deutlich weniger Zikaden aus, und die Population ist erheblich kleiner. Dieser Ansatz ist jedoch nur dann effektiv, wenn er in einem größeren zusammenhängenden Gebiet umgesetzt wird, idealerweise in mehreren benachbarten Gemeinden.
Verfrühte Ertragsbildung und Krautabtötung: Im Kartoffelanbau kann versucht werden, durch eine Verfrühung des Anbaus möglichst große Teile der Ertragsbildung vor die Infektion beziehungsweise die Ausbildung von Schadsymptomen zu legen. Daraus folgt, dass Frühkartoffeln deutlich weniger gefährdet sind als Spätkartoffeln, da die Zikaden erst im späten Frühjahr auftreten. In Befallsgebieten kann es zudem sinnvoll sein, durch eine rechtzeitige Krautabtötung (vor stärkeren Schadsymptomen) die Auslagerung von Inhaltsstoffen aus befallenen Knollen und damit innere Mängel zu verhindern.
Deutliche Sortenunterschiede sichtbar
Im Gegensatz zu Zuckerrüben ist die Symptomausprägung bei Kartoffeln nicht über alle Sorten hinweg gleich. Es gibt anfälligere Sorten, bei denen tendenziell höhere Schäden entstehen, und Sorten, bei denen die Schäden im Schnitt geringer sind.
Ein weiterer Punkt, der die Symptomausprägung beeinflusst, sind die Wachstumsbedingungen. Eine möglichst weite Fruchtfolge, regelmäßige organische Düngung, eine gute Bodenstruktur und die Vermeidung von Stress durch Trockenheit, Nährstoffmangel und andere Schaderreger führen zu vitaleren Pflanzen. Diese zeigen bei Infektionen tendenziell auch nicht so starke Schadsymptome.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich aus den bisherigen Erfahrungen und Versuchsergebnissen keine einfache Lösung zur Bekämpfung der „Bakteriellen Kartoffelknollenwelke“ abzeichnet. Die Kartoffel bleibt eine anspruchsvolle Kultur, deren wirtschaftlicher Anbau viel Erfahrung und praktisches Fachwissen erfordert. Wo in Hotspot-Gebieten von SBR (Syndrom der niedrigen Zuckergehalte) oder Stolbur am Kartoffelanbau festgehalten wird, sollte nicht an Investitionen in Beratung (zum Beispiel Beratungsdienste), vorbeugende Maßnahmen (zum Beispiel Fruchtfolge, Nährstoffversorgung, Verfrühung, Sortenwahl) und auch direkten Bekämpfungsmaßnahmen (zum Beispiel befallsfreies Pflanzgut, Insektizide, gegebenenfalls auch Kulturschutznetz im hochpreisigen Segment) gespart werden.
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