
Politik, Polizei und Veterinäre im Zusammenspiel
Am Autobahnkreuz Walldorf wirkten die Bilder zunächst unspektakulär: Lastwagen wurden aus dem Verkehr gewunken und auf den Parkplatz der Autobahnmeisterei geleitet. Als sich die Türen öffneten, zeigte sich: Alle kontrollierten Fahrzeuge waren leer. Trotzdem lässt sich daran zeigen, wie eng Tierschutz, Verkehrssicherheit und Gesetzeslage beim Thema Tiertransporte verknüpft sind. Mit dabei: Innenminister Thomas Strobl und Landwirtschaftsminister Peter Hauk.
von Vivien Kring, Redaktion DGS-Magazin Quelle Vicien Kring, Redaktion DGS erschienen am 07.10.2025Landwirtschaftsminister Peter Hauk machte vor Ort deutlich, dass Transporte für Tiere immer eine Belastung darstellen. In seinen Worten: „Beanstandungen bei den Transporten sind in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Dies liegt an einer vorsorgenden Gesetzgebung, die insbesondere bei hohen Temperaturen verschärft wurde.“ Gemeint ist damit die EU-Verordnung (EG) Nr. 1/2005, die in Artikel 3 vorschreibt, dass Tiere nur transportiert werden dürfen, wenn „Verletzungen und unnötiges Leiden vermieden werden“. Ergänzt wird dies in Deutschland durch das Tierschutzgesetz (TierSchG): Nach § 18 Abs. 1 handelt ordnungswidrig, wer beim Transport „ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden“ verursacht.
Hauk verwies auf die Praxis: Bei 30 Grad Außentemperatur herrschen im Lkw schnell über 40 Grad. Deshalb seien Fahrzeuge mit Kühlaggregaten ausgestattet, die zuverlässig funktionieren müssen. Viele Transporte würden deshalb in die kühleren Nacht- oder Morgenstunden verlegt. Damit griff er ein Kernproblem auf: Tierschutzrecht ist nicht abstrakt, sondern wirkt sich unmittelbar auf die Transportpraxis aus.
Baden-Württemberg als Importland – Ferkeltransporte und Schlachtvieh
Minister Peter Hauk machte bei seinem Besuch auch auf die Besonderheiten Baden-Württembergs aufmerksam. So ist das Land ein klassisches Importland für Ferkel. Ein großer Teil der Tiere kommt aus Dänemark, die Haupttransportrouten verlaufen deshalb von Norden über die A81.
Besonders anschaulich beschrieb Hauk die Transportpraxis: Während Rinder nicht mehrstöckig befördert werden dürfen, ist das bei Schweinen, Schafen oder Ferkeln möglich – bei Ferkeln sogar bis zu fünf Ebenen übereinander. Diese Transporte sind logistisch effizient, werfen aber Fragen zum Tierwohl auf.
Bei den großen Transporten, die Baden-Württemberg erreichen, handelt es sich in erster Linie um Schlachttransporte. Die Ziele liegen meist innerhalb des Landes. Der Export von Schlachttieren aus Baden-Württemberg sei eher selten, so Hauk. Wenn Tiere ausgeführt würden, dann handele es sich eher um Zuchtvieh, das in anderen Ländern weiter genutzt werde.
Transporte in Drittländer – Grenzen der Kontrolle
Dies betreffe beispielsweise die Transporte in Drittländer. Haug erklärte, dass Baden-Württemberg auf diese Transporte nur bedingt Einfluss hat. „Wir können nicht überwachen, wie der Weg in die europäischen Nachbarstaaten und außereuropäischen Nachbarstaaten ist“, sagte er.
Als Beispiel nannte er Transporte nach Kasachstan. Dieses Land sei ein beliebtes Ziel für den Export von Rindern, allerdings nicht zum Schlachten, sondern für die Zucht. „Das Vieh sollte also eher vital ankommen“, so Hauk. Hinter diesen Exporten stünden wirtschaftliche Interessen: Die Expertise der deutschen Rinderzucht werde auch in anderen Ländern nachgefragt.
Die Genehmigung solcher Transporte erfolgt auf Basis der Angaben der Transporteure. Dabei prüfen die Behörden, ob die aufgelisteten Versorgungsstationen und Routen plausibel sind. „Ansonsten geht man davon aus, dass die Beteiligten ein ebenso hohes wirtschaftliches Interesse haben, dass die Tiere in einem guten Zustand ankommen“, so Hauk.
Damit machte er deutlich, wo die Grenzen der Kontrolle liegen: Innerhalb der EU können Polizei und Veterinärbehörden den Vollzug überwachen, außerhalb fehlen die Möglichkeiten. Tiere sind Handelsware, Transporte erfolgen auf Grundlage internationaler Abkommen. Deutschland und die Länder können rechtlich nur sicherstellen, dass bis zur Grenze alle Vorgaben eingehalten werden – was danach passiert, entzieht sich ihrer Kontrolle.
„Tiere sind keine bloße Ladung“ – Strobls Perspektive
Innenminister Thomas Strobl betonte, dass es bei den Kontrollen immer um zwei Dimensionen gehe: Tierschutz und Verkehrssicherheit. „Tiere sind nicht nur Sachen, sondern Lebewesen. Wir müssen sie bestmöglich schützen, damit sie nicht unnötig Schmerzen erleiden oder Schaden nehmen“, sagte er.
Darüber hinaus verwies Strobl auf die sicherheitsrechtliche Seite. „Es gibt Überschneidungen mit dem Tierschutz, wenn ein Sattelzug verlängert wird, damit mehr Tiere hineinpassen. Das bedeutet unlauteren Wettbewerbsvorteil – und es hat Folgen für die Verkehrssicherheit.“ Ein überladener Transporter verlängere den Bremsweg und könne so Unfälle begünstigen.
Rechtlich lässt sich das doppelt verankern: Zum einen in der EU-VO 1/2005, die in Artikel 6 technische Anforderungen an Transportfahrzeuge formuliert, zum anderen in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), die die Verkehrssicherheit regelt. Strobls Fazit: „Darum sind Kontrollen wichtig und notwendig.“
Veterinärarbeit in der Praxis – Hygiene und Seuchenvorsorge
Wie eine Kontrolle konkret aussieht, schilderte Dr. Constanze Reitzenstein vom Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis. Ein geprüfter Rindertransporter war zwar formal korrekt dokumentiert: Ohrmarken stimmten, die Fahrtpapiere waren vollständig. Doch beim Blick ins Fahrzeug fielen Mängel auf. „Eine Trennwand war defekt. Außerdem war die Reinigung nicht gründlich genug“, so Reitzenstein.
Zwar war die Desinfektion im Protokoll eingetragen, aber die praktische Ausführung ließ zu wünschen übrig. „Vorbeugen ist besser als heilen“, sagte sie und verwies auf die Bedeutung der Hygiene: Sie schützt nicht nur die Tiere vor zusätzlichem Stress, sondern ist auch ein zentraler Baustein in der Seuchenprävention.
Rechtlich stützt sich diese Forderung auf die Tierschutz-Transportverordnung. Diese verpflichtet Transporteurinnen und Transporteure, Fahrzeuge nach jeder Beförderung zu reinigen und zu desinfizieren. Verstöße können als Ordnungswidrigkeit nach § 18 TierSchG geahndet werden. Hier zeigt sich, wie eng veterinärmedizinische Praxis und jurische Vorgaben ineinandergreifen.
Polizei: Technik, Lenkzeiten und Sicherheit
Polizist Nicolas Schütz beschrieb die Rolle der Polizei. „Heute stehen technische Mängel im Vordergrund. Wir kontrollieren, ob Abmessungen eingehalten werden, ob Lenk- und Ruhezeiten dokumentiert und eingehalten wurden.“ Auch Reifen, Bremsen und rutschfeste Böden würden regelmäßig überprüft.
Die Verbindung von Tierwohl und Sicherheit machte er klar: „Tierwohl spielt eine große Rolle. Daher muss man fit am Steuer sein.“ Ein Fahrer, der übermüdet unterwegs ist, gefährdet nicht nur die Tiere, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer.
Interessant ist zudem eine Klarstellung: Es stimme nicht, dass Transporter bei Hitze im Stau die Polizei rufen könnten, um ausgeleitet zu werden. Diese Möglichkeit bestehe nicht. Damit wird deutlich, dass praktische Wünsche aus der Branche nicht immer mit den geltenden Regeln zusammenpassen.
Besonderheiten beim Geflügeltransport
Die spezifischen Unterschiede beim Geflügel machte eine Veterinärin der Task Force Tiertransporte Tübingen deutlich. Anders als bei Rindern oder Schweinen gelten für Hühner und Puten deutlich geringere Anforderungen. Geflügel wird in Kisten transportiert, in denen die Tiere dicht an dicht sitzen. Während der Fahrt gibt es keine Pflicht zum Füttern oder Tränken. Eine aktive Temperierung der Fahrzeuge ist ebenfalls nicht vorgeschrieben – stattdessen bleiben einfach die Luken geöffnet, um für Luftaustausch zu sorgen. Auch Be- und Entladezeiten werden nicht auf die zulässige Transportdauer angerechnet. Außerdem seien Navigationssysteme keine Pflicht in den Lastwägen für Geflügeltransporte.
Die Veterinärin schilderte nüchtern, was das bedeutet: „Bei Geflügel gelten viel niedrigere Anforderungen. Das macht die Transporte leichter zu organisieren, aber das Risiko für die Tiere ist hoch. Bei Hitze bleibt ihnen nur die Luftzufuhr durch offene Luken.“ Gerade in den Sommermonaten kann das schnell problematisch werden: Temperaturen steigen im Inneren der Fahrzeuge binnen Minuten deutlich über das Außenklima.
Rechtlich bewegt sich das im Rahmen der EU-Verordnung (EG) Nr. 1/2005, die zwar für alle Tierarten gilt, aber in vielen Details stärker auf Rinder und Schweine zugeschnitten ist. Artikel 3 schreibt dennoch auch für Geflügel vor, dass Transporte so geplant und durchgeführt werden müssen, dass den Tieren keine „Verletzungen oder unnötiges Leiden“ entstehen. In Verbindung mit § 18 TierSchG, der Leiden und Schäden beim Transport ausdrücklich als Ordnungswidrigkeit einstuft, entsteht eine Spannung zwischen den geringeren technischen Anforderungen und den grundsätzlichen Tierschutzpflichten.
Für die Praxis in der Geflügelbranche heißt das: Formal sind die Transporte oft regelkonform, tierschutzfachlich aber auf Kante genäht. Gerade an heißen Tagen wächst das Risiko, dass rechtlich erlaubte Transporte faktisch zu einer Belastungsprobe für die Tiere werden.
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