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Prekäre Lage für Schweinehalter in Baden-Württemberg

Schweine stauen sich in den Ställen

Schweinehalter und ganz besonders die Ferkelerzeuger stehen wegen der niedrigen Preise extrem unter Druck: Schlachtschweine bringen derzeit 1,27 Euro je Kilo Schlachtgewicht und 25-Kilo-Ferkel liegen bei nur noch 29,10 Euro pro Kopf.
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Der Schweinemarkt steht unter Druck.  Viele Schlachthöfe mussten ihre Kapazitäten wegen Corona sowie einem Mangel an Arbeitskräften runterfahren. Und bei Preisen von 1,27 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht für die Schlachtschweine wegen ASP ist die Bereitschaft bei den Mästern gering, wieder Schweine einzustallen. Das trifft vor allem die Sauenhalter.
Der Schweinemarkt steht unter Druck.  Viele Schlachthöfe mussten ihre Kapazitäten wegen Corona sowie einem Mangel an Arbeitskräften runterfahren. Und bei Preisen von 1,27 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht für die Schlachtschweine wegen ASP ist die Bereitschaft bei den Mästern gering, wieder Schweine einzustallen. Das trifft vor allem die Sauenhalter.Borlinghaus
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Die Corona-Pandemie, die Afrikanische Schweinepest (ASP) und die Tierschutznutztierverordnung: Über die Schweinehalter bricht derzeit alles gleichzeitig herein. „Die Schweine unterzubringen, ist extrem schwierig. Die Schlachthöfe sagen uns ab. Wir müssen schieben. Und wenn die Tiere im Stall stehenbleiben, gibt es noch weniger Geld. Ein Teufelskreis“, sagt Renate Mayer, Geschäftsführerin der Erzeugergemeinschaft Alb-Donau-Oberschwaben (ADO). Entsprechend mies sei die Stimmung unter den Mitgliedern.

Ferkelerzeuger sind verunsichert

Was diese Situation für einen Betrieb bedeuten kann, hat Wilhelm Heine vor drei Wochen erleben dürfen. Der Ferkelerzeuger aus Bad Waldsee hält 200 Muttersauen. Alle drei Wochen verkauft er an seinen Händler 27 Tage alte und 8 bis 10 kg schwere Babyferkel. Der Händler verkauft die Tiere dann weiter an einen Aufzuchtbetrieb. Das läuft seit Jahren reibungslos. Seit dem ersten ASP-Fall in Brandenburg allerdings hieß es, dass der Aufzuchtbetrieb ab sofort keine Ferkel mehr abnimmt. Da war guter Rat teuer. Der Absatz war regelrecht blockiert. Mittlerweile hat Heine seine Tiere zwar wieder verkaufen können, aber der Schock sitzt tief und die Unsicherheit bleibt.

Zweigeteilter Markt

Armin Walter, Geschäftsführer der Eckert-Walter GmbH in Untermünkheim, berichtet von einem zweigeteilten Markt in Deutschland. In Süddeutschland lassen sich die Schlachtschweine durchaus noch bei den Schlachtbetrieben unterbringen, wenn auch ein paar Tage verspätet und zu schlechten Preisen. „In Nordrhein-Westfalen und in Niedersachen herrscht Chaos an den Schlachthöfen“, beschreibt Walter die Situation. Er handelt nach eigenen Angaben mehrere Tausend Ferkel und Schweine pro Woche und unterhält Mast- und Aufzuchtbetriebe in Deutschland. Dank seiner Kontakte bekomme er die Ferkel bislang noch gut unter. Aber das Geschäft sei schwieriger geworden. „Verdammt schwierig“, sagt Walter.

Verluste in Milliardenhöhe

„Betriebe, die für ein Markenfleischprogramm produzieren, können sich derzeit glücklich schätzen“, so Walter. Bei Edeka-Gutfleisch, Edeka-Hofglück oder dem Wertschätzeprogramm von Kaufland zum Beispiel gibt es vertraglich vereinbarte Festpreise oder Bonuszahlungen, mit denen sich die Betriebe über Wasser halten können. Insgesamt aber geht der Branche wahnsinnig viel Geld verloren. Wie viel, das hat Herbert Klein, Geschäftsführer der UEG Hohenlohe-Franken, ausgerechnet. Allein die Corona-Pandemie habe die deutsche Schweinebranche mit dem Preisrückgang von März bis September rund 1,2 Mrd. Euro gekostet. „Derzeit befinden sich alle in einer Art Schockstarre“, sagt Klein und fügt hinzu: „Ferkel unter 30 Euro, das ist ein historischer Tiefpreis.“ Er sagt aber auch: „Zu Jahresanfang hatten wir mit über 80 Euro einen historischen Höchstpreis.“ Hauptproblem sei, dass durch die Coronabeschränkungen die Schlachtzahlen nicht hochgefahren werden können. Es sind mehr Schweine zum Schlachten da, als geschlachtet werden können. Auch Klein fordert deshalb längere Arbeitszeiten an den Schlachthöfen (siehe unten).

Schulterschluss mit dem Handel gefragt

Dieser Schweinestau insbesondere an den Schlachthöfen in Norddeutschland hindere Erzeuger und Vermarkter im Süden, am Markt überhaupt etwas zu bewegen. „So haben wir im Augenblick keine Chance, den Preis hochzubringen“, sagen Walter und Klein unisono. Gefragt wäre ein Schulterschluss mit dem Lebensmitteleinzelhandel, bei dem der Handel sich bereiterklärt, bessere Preise zu bezahlen, um die deutsche Schweinehaltung zu erhalten. Schließlich haben die Erzeuger teilweise Millionen investiert. Sie können nicht so einfach aus der Produktion aussteigen.

Druck kommt auch aus dem Ausland

Der Ferkeldruck kommt längst nicht allein aus Deutschland. Die Dänen exportieren 13 bis 15 Mio. Ferkel pro Jahr, viele davon gehen nach Polen. Aber gerade in Polen sperren sich viele Mäster aus Angst vor ASP davor, neu einzustallen. So werden die dänischen Ferkel umgelenkt auf den deutschen Markt. Auch aus den Niederlanden drücken 5 bis 6 Mio. Ferkel nach Deutschland. In Norddeutschland würden einzelne Ferkelpartien bereits für 15 bis 20 Euro pro Tier gehandelt, sagt Walter.

Betrieben fehlt der Rückhalt

Sorge bereitet den Betrieben die Nutztierhaltungsverordnung (Kastenstandurteil) mit den fünf Quadratmetern im Deckbereich, berichtet Thomas Gaißmayer, LKV Ringberater für das Gebiet Biberach-Ravensburg. „Den Betrieben fehlt der Rückhalt“, so Gaißmayer. Viele wüssten nicht, ob und wie sie investieren sollen. Pauschale Lösungen gebe es keine, da müsse man einzelbetrieblich genau schauen, was machbar ist. „Unserer Betriebe produzieren sehr gute Qualität. Sie brauchen dafür eine anständige Bezahlung und wir müssen schauen, dass die Absatzwege offen bleiben“, fordert Gaißmayer. Die Kosten in der Produktion würden schon seit Jahren ständig optimiert. „Da geht fast nichts mehr“, sagt Gaißmayer. Einige überlegten, ob sie in ein Markenfleischprogramm mit einsteigen. In der jetzigen Situation die Ställe leerstehen zu lassen, davon rät der Berater ab. Ferkelerzeuger mit festen Lieferbeziehungen, die direkt an den Mäster liefern, seien im Vorteil. Hier würden die Mäster auch weiter ein-stallen. Positiv sei, dass die QS-GmbH an die Importferkel künftig die gleichen Anforderungen stellen wolle wie an deutsche Ferkel.

Solidarität gefragt

Bei der UEG Hohenlohe-Franken mit ihren rund 300 Mitgliedsbetrieben macht Herbert Klein keinen Hehl daraus, dass viele politische Entscheidungen von der Düngeverordnung bis zur Schweinehaltungsverordnung mit den Anforderungen an die Kastration zusätzlich zu Corona und ASP den Tierhaltern zu schaffen machen. „Ich rechne mit einem großen Strukturwandel im kommenden halben Jahr“, so der Geschäftsführer. Dass man bei der UEG jetzt erst recht zusammenhält, dafür setzt sich Klein persönlich ein: „Die Solidarität ist da. Unsere Mäster stallen ein. Wir lassen unsere Ferkelerzeuger jetzt nicht im Regen stehen.“

DRV fordert längere Arbeitszeiten in den Schlachthöfen

Zum Schutz ihrer Mitarbeiter vor Covid-19 haben die Schlachthöfe ihre Kapazitäten reduziert. „Gesundheitsschutz hat oberste Priorität, in der Folge geraten aber Sauenhalter, Mäster und Vermarkter unter immer stärkeren Druck“, meint Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) und weist darauf hin, dass die Schlachtgewichte der Schweine steigen. Die Schlachtschweine bleiben länger im Stall und wachsen weiter. „Dies kann nicht im Sinne des Tierschutzes sein, aber die Politik scheint das sich verschärfende Problem auf der Erzeuger- und Vermarkterstufe noch gar nicht zu kennen“, so Holzenkamp weiter. Um der Wertschöpfungskette in der durch Corona und ASP verursachten Krise Luft zu verschaffen und den Tierschutz in den Ställen zu wahren, müsse es möglich gemacht werden, die Schlacht- und Verarbeitungskapazitäten im Rahmen der Corona- und Arbeitsschutzmaßnahmen zu erhöhen. Dazu müsse vorübergehend das Arbeitsverbot an Sonntagen aufgehoben und längere Arbeitszeiten möglich werden.
 

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