Regionale Gerste für das Bier von hier
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Die Landesbraugerstenstelle Baden-Württemberg hatte zu der Veranstaltung mit Braugerstenwettbewerb und Preisverleihung am 12. Dezember Erzeuger, Mälzer, Brauer, Pflanzenzüchter und Händler eingeladen. Mit rund 60.000 ha Sommergerste zählt Baden-Württemberg nach Bayern zum zweitgrößten Braugerstenerzeugerland in Deutschland. Im Land liegt das Sommergerstenaufkommen bei rund 290.000 t, von denen etwa die Hälfte als Braugerste vermarktet werden können. Die fünf in Baden-Württemberg ansässigen Handelsmälzereien verarbeiten jährlich etwa 150.000 t Braugerste zu Malz.
Erträge und Qualitäten 2023 zweigeteilt
Die meisten Flächen konnten in Baden-Württemberg nach einem regenreichen März erst im April bis Anfang Mai bestellt werden. In den frühen Anbaugebieten war der Bodenzustand zuvor sehr gut. Im Juni litten die bei feuchtem Boden eingesäten Bestände stark unter der Trockenheit. Die ersten Sommergerstenflächen wurden Anfang Juli bei schönem Wetter geerntet.
Die längere Regenperiode führte anschließend zu erheblichen Qualitätsverlusten und schlechter Sortierung. So kam es zu einer Zweiteilung der Ernte mit guten Qualitäten vor dem Regen und nicht befriedigenden Erträgen und Qualitäten nach dem Regen. Die Ergebnisse lagen im Kraichgau zwischen 45 und 70 Dezitonnen (dt)/ha, in der Tauber Region 30 bis 50 dt/ha, Alb 45 bis 70 dt/ha und im Gebiet Schwaben 55 bis 70 dt/ha. Der Durchschnittsertrag lag bei bescheidenen 48 dt/ha.
Die Vollgerstenanteile schwankten bei einem Schnitt von 82 Prozent zwischen 70 und 90 Prozent. In den Eiweißgehalten zeigten sich bei durchschnittlich 9,8 Prozent extreme Ausreiser nach oben und unten zwischen sieben und 14 Prozent.
Schwache Ernte erhöht den Einfuhrbedarf
Bei Braugerste ist die EU weltweit mit 11,8 Mio. t mit Abstand der größte Produzent. Das sind eine Mio. Tonnen weniger als 2022, was auf die Einbußen in Skandinavien und in Deutschland zurückzuführen ist. Nach jüngsten Zahlen fiel die europäische Sommergerstenernte mit 6,4 Mio. t um gut 25 Prozent schwächer aus als im Vorjahr (VJ). In Deutschland wurden rund 1,5 Mio. t (VJ: 1,9 Mio. t) Sommergerste geerntet. Daraus ergibt sich eine Braugerstenproduktion von 784.000 t bis 850.000 t. In den hiesigen Erfassungsgebieten rechnet Geschäftsführer Florian Reinhard von der BAGeno Bad Mergentheim mit Mengeneinbußen bei der Sommergerste um die 30 Prozent.
Die Bruttoverarbeitung von Braugerste beläuft sich in Deutschland auf etwa 2,1 Mio. t. Mit rund 700.000 t exportiert Deutschland etwa ein Drittel davon. Dank des hohen Exportanteils, der momentan die Prämien von 140 Euro/t gegenüber der Futtergerste sichert, hat sich Deutschland schon seit dem Jahr 2011 zum größten Nettoimporteur für Braugerste entwickelt. Die relativ normale Ernte in Frankreich deckelt jedoch die Preise. Aktuell werden für Braugerste neuer Ernte 275 Euro/t bezahlt. Bei geringer Nachfrage erlösen die Erzeuger für Ware alter Ernte um die 310 Euro/t. Im langfristigen Trend ergibt sich für Braugerste bei rückläufiger Inlandsnachfrage und aktuell guter Versorgung der Mälzer ein abgeschwächtes Marktumfeld.
Sortenempfehlung 2024 und Preisträger
Die Landesbraugestenstelle Baden-Württemberg empfiehlt für den Anbau im Jahr 2024 die Sorten Amidala und Lexy jeweils von Saatzucht Breun, Hauptsaaten, und nur für den Vertragsanbau die Sorte RGT Planet von Ragt-Saaten. Als Winterbraugerste wird die Sorte Sommerset von KWS empfohlen.
Für den Landesbraugerstenwettbewerb 2023 wurden 81 Proben eingereicht, berichtet Karl-Otto Sprinzing von der LTZ Augustenberg/Kupferzell. Deren Vollgerstenanteil lag bei 93,8 Prozent und der Rohproteingehalt im Schnitt bei 10,41 Prozent, der jedoch stark variiert hat. In Laudenbach wurden zwei erste Preise (jeweils 39 Punkte) für die Sorte Amidala vergeben an die Rosenhof GbR im Bezirk der Landwirtschaftsbehörde (LB) Karlsruhe und an Robert Kappus, LB Ludwigsburg.
Sieben dritte Preise (jeweils 38 Punkte) gingen an Kevin Braun, LB Karlsruhe; Martin Heyder, LB Mosbach; Johannes Haußmann, LB Heidenheim; Timo Reinwald, LB Heilbronn; Arno Volk, LB Bad Mergentheim (alle für die Sorte Amidala), sowie an Fritz Riesch, LB Ludwigsburg, für RGT Planet und Dieter Bisinger, LB Tübingen, für Lexy.
Vom Halm ins Glas
Eine Lanze für die nachhaltige regionale Wertschöpfung bei der Bierherstellung brach bei der Tagung der Seniorchef der Herbsthäuser Brauerei Klaus Wunderlich. Der selbst in der Landwirtschaft aufgewachsene Brauer hat den Weg des Produkts vom „Halm ins Glas“ selbst erlebt und den regionalen Bezug „der Gerste von hier für das Bier von hier“ von Anfang an in seinem Betrieb verfolgt. Hierzu wurden für die „Taubergerste“ eine eigene Kette aufgebaut vom Landwirt zum Lagerhaus und zur Mälzerei. Trotz vereinzelter witterungsbedingter Einschränkungen stellte Wunderlich fest, dass ihn die heimische Braugerste über die Jahre hinweg nie im Stich gelassen hat.
Geradezu erschreckend bezeichnete er die kurz- und langfristige Entwicklung am Biermarkt. Er belegte dies anhand aktueller Absatzzahlen von August 2023 gegenüber dem Vorjahr. Sie zeigen einen Rückgang in Baden-Württemberg um 106.000 Hektoliter (hl / minus 2,6 Prozent) und um rund 2,5 Mio. hl in Deutschland (minus 4,1 Prozent). Der Pro-Kopf-Verbrauch von Bier ist von 1990 bis 2022 von 142,7 auf 91,8 Liter pro Kopf und Jahr zurückgegangen.
Null-Prozent-Bier am Markt angekommen
Der Brauereichef wollte den Landwirten jedoch nicht signalisieren, dass weniger Braugerste benötigt werde. Denn in den Zahlen sei das alkoholfreie Bier nicht enthalten, das am deutschen Biermarkt inzwischen einen Anteil von acht Prozent einnimmt. Im Gegensatz zu einer neuen Biersorte würde alkoholfreies Bier den Markt und damit den Verbrauch erweitern und nicht nur ersetzen, wie die Nürnberger Konsumforscher (GfK) herausgefunden haben.
Regionale Vermarktung muss glaubwürdig sein
In der regionalen Vermarktung sind Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Konstanz enorm wichtige Faktoren für die Präsentation eines Produktes, betont Wunderlich. „Mit täglich neuen Artikeln in den Medien und zehn Millionen Einträgen bei Google scheint Regionalität der Megatrend unserer Zeit zu sein.“ Doch verstehe unter dem Begriff mit vielen Facetten jeder etwas anderes. Trotz der Vielzahl an Logos und Siegel gebe es keines, das Regionalität eindeutig zertifiziert, kritisiert Wunderlich. Den Kunden fehlt die vertraute Instanz, weil sich heute jeder Hersteller und Händler Regionalität auf die Fahne schreiben darf.
Über Alternativen beim Braugerstenanbau im Klimawandel mit Hilfe der Züchtung und Sortenwahl informierte Dr. Markus Herz von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising. Weil sich der Klimawandel regional unterschiedlich auswirkt, stehe die Züchtung vor dem Problem, diese Unterschiede in den trockenstressresistenten Linien zu berücksichtigen. Trotz modernster Forschungsmethoden müsse wegen der Komplexität und der Vielzahl der zu bearbeitenden Merkmale in kleinen Schritten vorgegangen werden, was viel Zeit in Anspruch nehme. Den Erzeugern empfahl der Wissenschaftler die Auswahl aktueller Sorten, die stabile Erträge und gute Kornqualitäten bieten.
Zum deutschen Anbau hinzu kommen inzwischen etwa 45.000 ha Sommergerste in Herbstaussaat. Damit ist eine weitere Nische entstanden, der aber Dr. Andreas Maier, der Pflanzenschutzexperte am Karlsruher Regierungspräsidium, recht kritisch gegenübersteht. Die Herbstaussaat von Sommergerste beschere größere Probleme mit Krankheiten. Insbesondere zeige der sehr anpassungsfähige Ramularia-Pilz vermehrt Resistenzen gegenüber Pflanzenschutzmitteln. Maier rät deshalb zur Auswahl guter und wenig empfindlicher Winterbraugersten. Dies würde zur Vermeidung von Resistenzen wie bei der Frühjahrsaussaat die einmalige Anwendung von Fungiziden gewährleisten.
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