„Paratuberkulose macht schleichend krank“
Verzögert und mit häufig fatalen Folgen: Die auch als John´sche Krankheit bezeichnete Paratuberkulose (ParaTb) macht besonders Milchviehbetrieben zu schaffen. Die Gefahr für die Einschleppung der Darmkrankheit steigt mit dem Zukauf von Tieren. Wir haben uns mit Dr. Thomas Miller, Leiter des Staatlichen Tierärzt-lichen Untersuchungsamtes – Diagnostikzentrum (STUA) - in Aulendorf (Landkreis Ravensburg) unterhalten, wie der gefährlichen Krankheit vorgebeugt werden kann.
- Veröffentlicht am

BWagrar: Herr Dr. Miller, wie viele Rinder sind hierzulande aktuell an Paratuberkulose erkrankt?
Miller: Wie viele Tiere genau erkrankt sind, kann niemand seriös sagen. Denn erkrankte Tiere sind nur die Spitze des Eisbergs – und die Krankheit verläuft schleichend. Aber schon lange bevor die Tiere sichtbar krank sind, entstehen Verluste vor allem durch Infektanfälligkeit, reduzierte Fruchtbarkeit und Milchrückgang.
Die Eigenschaften des Erregers sind eine besondere Herausforderung im Stall und im Labor. Denn die Rinder infizieren sich meist früh im Kälberalter. Der Nachweis ist erst Monate bis Jahre später möglich. Wir brauchen verschiedene Möglichkeiten, um dem Erreger auf die Spur zu kommen. Je nach Untersuchungsziel testen wir Blut, Milch oder Kot auf den Erreger selbst oder auf die Antikörper. Allerdings wird der Erreger nicht immer ausgeschieden und auch nicht alle Rinder bilden nachweisbare Antikörper.
BWagrar: Steigt die Zahl erkrankter Kühe und Kälber oder leiden weniger Tiere unter den Folgen der ansteckenden Infektionskrankheit?
Miller: Unsere Untersuchungszahlen in den letzten fünf Jahren lassen keinen nennenswerten Anstieg oder Abfall der Paratuberkulose in Baden-Württemberg erkennen. Allerdings gibt es keine flächendeckende Untersuchungspflicht. Wir untersuchen im Schnitt 4900 Proben pro Jahr. Diese Proben erhalten wir u. a. aus betroffenen Betrieben, von auffälligen Tieren oder durch Handelsuntersuch-ungen. Des Weiteren führen wir bei Fleischrindern ein freiwilliges Monitoring-programm durch. Hier haben wir bei drei bis fünf Prozent der Tiere einen Hinweis auf ParaTb gefunden.
BWagrar: Wie gehen Sie von Seiten der zuständigen Veterinärbehörden im gegen die Ausbreitung der Krankheit vor?
Miller: Paratuberkulose ist nur meldepflichtig. Es besteht keine Anzeigepflicht und somit keine Bekämpfungspflicht. Bei Handelsuntersuchungen, insbesondere beim Export, kann ParaTb eine Rolle spielen. Seit 2014 gibt es vom Bund die „Empfehlungen für hygienische Anforderungen an das Halten von Wiederkäuern“. Dabei wird in einem eigenen Abschnitt die Paratuberkulose behandelt. Hier wird ein ganzer Katalog konkreter Maßnahmen aufgelistet. Damit soll insbesondere erreicht werden, dass sich ParaTb weniger ausgebreiten kann und wirtschaftliche Schäden vermindert werden. Außerdem sollen ParaTb-unverdächtige Bestände geschaffen und geschützt werden.
BWagrar: Die staatliche Tierseuchenkasse Baden-Württemberg unterstützt die Bekämpfung der Paratuberkulose. Wird es wie in Niedersachsen auch hierzulande bald verpflichtende Vorschriften geben?
Miller: Die Tierseuchenkasse BW unterstützt seit vielen Jahren betroffene Betriebe bei der Bekämpfung. Der Landwirt verpflichtet sich dabei für fünf Jahre, Hygienemaßnahmen, Untersuchungen und Empfehlungen der Fachtierärzte umzusetzen. Ziel dabei ist, die wirtschaftlichen Schäden im Bestand zu reduzieren. Allerdings ist es bei ParaTb nicht anders als bei anderen Infektionen: Allein mit Freiwilligkeit wird man nie flächendeckend einen Überblick oder gar eine Bekämpfung schaffen. Niedersachsen ist nun das erste Bundesland in Deutschland, das verpflichtend alle Milchviehbetriebe „ins Visier“ nimmt. Hierzulande beobachten wir natürlich genau, was im Norden geschieht.
Unsere bisherigen Beobachtungen deuten zwar darauf hin, dass ParaTb im Ländle weniger häufig als im Norden auftritt. Dennoch ist es wichtig, Bewusstsein für diese Erkrankung zu schaffen. Und zwar so, dass einerseits Verbraucher nicht verschreckt werden. Und andererseits dürfen keine Nachteile für die Rinderhalter entstehen, die Ihren Bestand bereits jetzt untersuchen lassen.
Um zu vermeiden, dass ParaTb zukünftig zu einem Wettbewerbsinstrument wird, ist es aus unserer Sicht zunächst wichtig, sich einen noch besseren Überblick über die aktuelle Situation zu verschaffen. Ein erster Schritt dazu wäre, ein repräsentatives Monitoring durchzuführen, bevor man weitergehende verpflichtende Vorschriften erlässt.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.