Chancen für Sommergerste
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Baden-Württemberg ist traditionell eher unterversorgt mit Braugerste. Zu den Vermälzungskapazitäten für Winter- und Sommerbraugerste im Land von rund 150.000 Tonnen kommt der Bedarf von grenznahen Mälzern in Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern, die ebenfalls Ware aus Baden-Württemberg beziehen. In diesem Jahr sei die Rohstoffversorgung aus der Landwirtschaft im Südwesten kleiner als üblich, sagt Thomas Schumacher aus der Verkaufsabteilung der Mälzerei Durst Malz in Bruchsal-Heidelsheim. Ursache waren die Frühjahrsfröste, die die Erträge der Wintergerste schmälerten. Damit sei auch die Ernte der Winterbraugerste kleiner ausgefallen als gewohnt.
Flaschenbier statt Fassbier
Hinzu komme, dass die Brauereien bundesweit einen größeren Bedarf haben als zunächst im Laufe des Jahres erwartet worden war, ergänzt der Experte. Unter den Bedingungen der Pandemie hätten sich die Warenströme verändert: „Die Verkäufe gehen weg vom Fassbier und hin zum Flaschen- und Dosenbier.“ Der Verkauf von Flaschen und Dosen sei für die Brauerei nicht ganz so wertvoll wie das Fassbier. Für den Rohstoffbedarf seien die Folgen aber nicht so gravierend. „Wir gehen davon aus, dass die Brauereien im Jahr 2020 beim Bierabsatz knapp sieben Prozent verlieren werden.“ Im Frühjahr habe die Branche noch einen zweistelligen Einbruch von etwa zehn Prozent befürchtet. Die Lockerungen der Kontaktbeschränkungen im Sommer hätten neben dem guten Wetter zu einer gewissen Erholung des Bierabsatzes beigetragen.
Angebot europaweit verknappt
Beim Bezug von Braugerste hat sich das Angebot europaweit verknappt. Nach dem EU-Austritt dürfte künftig britische Gerste nur mit Zollaufschlag zu bekommen sein. So bleiben in Europa Frankreich und Dänemark als überregionale Gerstenanbieter. Französische Gerste fließe gegenwärtig auch nach China, bestätigt Thomas Schumacher. China kaufe zwar traditionell in Australien. Wegen aktueller politischer Hakeleien zwischen beiden Staaten bevorzugten die Chinesen derzeit französische Ware. Dieser Effekt stütze die Preisentwicklung auch in Baden-Württemberg, was derzeit für attraktive Erlöse beim Braugetreide spreche. Braumalzverkäufer Schumacher beziffert im BWagrar-Gespräch die Prämie für Braugerste über der Futtergerste auf momentan größer als 40 Euro je Tonne.
Zwei Neue im Berliner Programm
Die Winterbraugerste sei zwar schon gesät, doch mit der anstehenden Saat der Sommerbraugerste ließen sich die Chancen auf dem Braugerstenmarkt noch nutzen. Dabei kommt die Sortenfrage ins Spiel. Vorbehaltlich der Entscheidung des „Berliner Programms“, sagt Schumacher, werde es wohl im Wesentlichen bei den bisherigen Hauptsorten Avalon und Planet im Anbau bleiben. Allerdings würden mit Amidala und Jessie zwei aussichtsreiche neue Sommerbraugersten in den Großtechnikversuchen des Programms stehen. Sie könnten daher Anfang des Jahres 2021 den Empfehlungsstempel erhalten.
Diese beiden neuen Sorten seien für Landwirte in den agronomischen Eigenschaften bei Ertrag und Qualität interessant. Die Entscheidungen über die generellen Sortenempfehlungen auf Bundesebene fielen erst nach intensiver Auswertung aller landesweiter Versuchsergebnisse von der Gerste über das daraus hergestellte Malz bis zum fertigen Bier. Die konkreten Anbauempfehlungen sprechen dann die jeweiligen Landesbraugerstenverbände aus.
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