Spargel zu Ostern
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Handarbeit prägt die Sonderkulturbetriebe im Land. Weil diese Arbeit per Mindestlohn bezahlt werden muss, ist es eine der teuersten in der EU. Mit dieser Last können Baden-Württembergs Obst- und Gemüsebauern kaum mit anderen EU-Regionen konkurrieren – es sei denn, die Verbraucher kaufen betont regional und der Einzelhandel gönnt seinen Lieferanten kostendeckende Erlöse. Auf diesen gemeinsamen Nenner lassen sich die Ausführungen bei der Jahrespressekonferenz Obst, Gemüse, Gartenbau des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV) Ende März in Karlsruhe bringen. Wenn sich die Lage nicht bessert, drohen weitere Betriebsschließungen, hieß es.
Dazu appellierte Dr. Ulrich Theileis, seit Januar amtierender BWGV-Präsident, an alle Glieder der Wertschöpfungskette für Obst und Gemüse: „Regionale Produktion braucht faire Wettbewerbsbedingungen gegenüber importierten Lebensmitteln. Sonst drohen Betriebsaufgaben und eine weitere Verlagerung der Produktion ins Ausland. Wer mit regionalen Produkten wirbt, muss dafür den Platz und die Sichtbarkeit in den Regalen bieten. Unsere baden-württembergischen Produzenten brauchen ein klares Bekenntnis des Handels zu heimischen Produkten. Dazu zählen auch faire Einkaufspreise.“
Die Liste der Belastungen, die Ulrich Theileis, Jürgen Nüssle von der Württembergischen Obstgenossenschaft und Johannes Bliestle von der Genossenschaft Reichenau Gemüse aufrollten, ist lang: die wachsende Bürokratie sowie gestiegene Preise für Energie, Betriebsmittel, Transport, Verpackung, Löhne, Maut und CO2 könnten die Betriebe mit ihren Erlösen nicht mehr decken. Der aus Branchensicht hohe Mindestlohn von 12 Euro die Stunde galt für die gesamte vergangene Saison 2023, seit diesem Jahr gelten far 12,41 Euro, das werde die Lage weiter verschärfen, hieß es. Damit nehme auch die Verweildauer der osteuropäischen Saisonkräfte ab.
Das Personal mache in der Preiskalkulation bis zu 50 Prozent aus, betonte Johannes Bliestle. „Wir Süddeutschen wirtschaften sei 31 Jahren im EU-Binnenmarkt mit offenen Grenzen, aber unterschiedlichen Standards.“ In Deutschland würden die höchsten Sozialstandards gelten, alle anderen EU-Mitgieder – mit einer Ausnahme – könnten günstiger produzieren. Eine Harmonisierung der Standards fehle bisher.
Der Export ins nahe und weitere Ausland sei für baden-württembergisches Obst und Gemüse kein Ventil. Der Transport zu den Seehäfen sei zu weit, sprich zu teuer, erklärte Jürgen Nüssle. Und in den Nachbarländern Österreich, der Schweiz oder Frankreich achteten die Verbraucher beim Einkauf viel mehr auf die eigene, dort heimische Ware, sodass deutsche Importe kaum Chancen hätten, weiß Nüssle aus Erfahrung. Auch die Automatisierung sei noch nicht so weit, dass sie in der Produktion nennenswert Kosten sparen könne. Das dürfte noch fünf bis zehn Jahre dauern.
Somit bleibe für den Absatz von baden-württembergischem Obst und Gemüse vor allem der heimische Markt und der heimische Lebensmitteleinzelhandel. Gut bezahlt wird die Ware, wenn sie knapp ist, wie das vergangene Jahr zeigt: Die Apfelernte 2023 im Land sank um 16 % auf 314.000 (2022: 374.000) Tonnen, die kleinste der vergangenen fünf Jahre. Die Erzeugerpreise seien derzeit zufriedenstellend, „auch wenn sie die Verluste der Vorjahre nicht decken können“, beschwichtigte Jürgen Nüssle. Bei Vollkosten von rund 55 Cent je Kilogramm notiert die Kernobstnotierung Bodensee gegenwärtig im Schnitt der gängigen Größen mehr als 85 Cent.
Die Zwetschgenernte wuchs um 39 % auf 11.800 (8500) Tonnen, die zweitkleinste der letzten fünf Jahre. Der Umsatz wuchs um 16 % auf 10,3 (8,9) Mio. Euro. Bei den Erdbeeren steigerten die Genossenschaften die Vermarktung um 7 % auf 6400 (6000) Tonnen, der Umsatz sprang um 25 % auf 25,2 Mio. Euro. Beim Spargel setzten die Genossen mit 4100 (3900) Tonnen 7 % mehr ab, der Umsatz wuchs um 16 % auf 24,5 (21,2) Mio. Euro.
Insgesamt kletterte der Umsatz der genossenschaftlichen Vermarkter im Südwesten bei Obst und Gemüse in der Menge um knapp 10 % auf 405.000 Tonnen und im Wert um 4 % auf 489 Mio. Euro. Das Mengenwachstum resultierte fast ausschließlich aus der Obstvermarktung mit 279.000 Tonnen und 232 Mio. Euro. Beim Gemüse blieben Mengen- und Wertumsatz mit 126.000 Tonnen und 256 Mio. Euro. nahezu stabil.
Trotz allem blicken die genossenschaftlichen Vermarkter zuversichtlich auf die neue Saison. Vor allem die sinkende Inflation lässt sie auf mehr Kaufkraft hoffen. Gerade für die Gemüsegärtner von der Insel Reichenau, die bereits zur Hälfte in der hochpreisigen Bioqualität produzieren, könnte das den Absatz verbessern und die Betriebe zum Weitermachen motivieren. Bis Ostern soll es auch nennenswerte Spargelmengen aus dem Freilandanbau zu kaufen geben.
Um die Absatzchancen für heimisches Obst und Gemüse zu verbessern, treibt der BWGV zwei Projekte voran, berichtete Ute Bader. Zum einen gehe es darum, bei den Verbrauchern direkt für heimische Erzeugnisse zu werben. In Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis soll laut Bader zu diesem Zweck ein „Werkzeugkasten“ entstehen. In einem weiteren Projekt widmet sich der Genossenschaftsverband den Marktchancen für vorverarbeitete Produkte in der Außer-Haus-Verpflegung.
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